China Repressalien steigen

Seit 1. Januar gelten für die Christen in China noch einmal deutlich verschärfte Bedingungen. Aber die Untergrundkirche wächst unaufhaltsam.

In den letzten Wochen wurden für die knapp 100 Millionen Christen die Bedingungen noch einmal verschärft. Der Soziologe und Religionswissenschaftler Fenggang Yang (61) spricht in einem ausführlichen Hintergrundbericht in «Christianity Today» davon, dass «der Dezember der schwierigste und zugleich hoffnungsvollste Monat für die Christen in China» gewesen sei.

Ein neues und weitreichendes Gesetz verpflichtet die Kirchen seit dem 1. Januar dieses Jahres, patriotische Erziehung zu betreiben und ihren Glauben nach den Grundsätzen der chinesischen KP zu praktizieren. Am vergangenen Weihnachtsfest war das Feiern von Gottesdiensten offiziell verboten.

In den letzten 40 Jahren wuchs die Zahl der Christen von ca. einer bis auf schätzungsweise 100 Millionen an. Damit wurde sie zu einer Bedrohung fürs System – nicht, weil die Christen etwas Schlechtes taten, sondern weil sie nicht kontrollierbar waren. Die Chinaisierung der Religionen sieht deshalb (übrigens genauso bei Buddhismus, Daoismus und Islam) vor, dass in Gottesdiensten die Nationalflagge aufzuhängen ist, ausserdem Plakate mit Parolen wie «Liebe die Partei, liebe den Staat und liebe die Religion».

In seinem Fünfjahresplan musste sich der Protestantische Ausschuss im Dezember verpflichten, die eigenen Leitungspersonen und Studierende über die sogenannten sozialistischen Grundwerte aufzuklären und die Bibel im Sinne der chinesischen Kultur neu zu interpretieren. Selbst eine Neuübersetzung der Bibel wird vorbereitet. Weil diese Bestrebungen nichts mit einer normalen und überall vorhandenen Anpassung an die vorhandene Kultur und Gesellschaft zu tun haben, sondern verordnete Massnahmen zur Kontrolle sind, spricht Fenggang Yang nicht von «Sinisierung», sondern einer darüberhinausgehenden «Chinaisierung» der Kirche. Ironischerweise wird im Reich der Mitte ein Grossteil der Bibeln für den Weltmarkt gedruckt – bislang über 200 Millionen Exemplare.

Dass die Chinaisierung kein abstraktes Konzept ist, sondern eine tatsächliche Bedrohungen einzelner Menschen, beschrieb Katrin Büchenbacher eindrücklich in einem Artikel der NZZ. Sie berichtet darin von Hu, der beim Studium in Paris zum Glauben findet und zurück in China erst eine Kirche besucht, dann pandemiebedingt Online-Veranstaltungen und inzwischen Untergrundkirchen. Um der Überwachung zu entgehen, treffen sich Christen dazu in Wohnzimmern, abgelegenen Höhlen oder über Land fahrenden Bussen – jeweils ohne Handys.

«Immer mehr Pastoren entscheiden sich für ein Leben ganz ohne Mobiltelefon – in China ein schwieriges Unterfangen, da das Handy im Alltag für einfache Einkäufe oder zur Eröffnung eines Bankkontos benötigt wird.»

Gottesdienste mit Hunderten von Teilnehmern sind praktisch nicht möglich, aber ihre Besucher versammeln sich längst dezentral in kleinen Gruppen, an jeweils unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten.

Yang erzählt von den chinesischen Christen der 1980er- und 1990er-Jahre. Sie trafen sich in ländlichen Gebieten täglich um 5 Uhr morgens zum Gebet – diese Zeiten waren der Schlüssel dazu, dass Menschen millionenfach zum Glauben fanden.

Inzwischen beten sie wieder: jeden Tag um 17 Uhr, damit auch ihre inhaftierten Pastoren beim Hofgang mitbeten können. Chinas Christen sind überzeugt, dass dieses gemeinsame Gebet «Herzen, Köpfe, Kirchen, Gemeinschaften, Nationen und die Welt verändern wird».  mehr Informationen

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