Man könnte die Heilsarmee, diese Bewegung aus dem viktorianischen England mit Uniformen und Dienstgraden, altmodisch nennen. Die Lieder sind auch nicht mehr die neuesten. Man kann es auch anders sehen: Die Heilsarmee ist erkennbar, lesbar, eine Marke, ein «Brand». Evangelische gibt es viele, Freikirchen unzählige, doch wenn ein uniformierter Heilsarmist oder eine Salutistin erscheint, weiss jeder Bescheid. «Die tun wenigstens etwas», sagen viele, die Christliches und Kirchen im Allgemeinen und Freikirchen im Besonderen ablehnen und mit dem Vorwurf «Sekte» rasch zur Hand sind. Die Heilsarmee, eine Sekte? Die Heilsarmee ist die Heilsarmee.
Die Uniform habe ihre Wirkung, sagt Major Walter Wittwer, der als Divisionschef der Heilsarmee-Region Bern vorsteht. Wenn er im Zug reise, werde er von fremden Leuten angesprochen. Oft hätten sie eine sehr hohe Meinung von der Organisation, sodass er denke: «Hoffentlich können wir die grossen Erwartungen auch wirklich erfüllen.»
Wer in der Uniform der Heilsarmee unterwegs ist, verbirgt die christliche Überzeugung nicht diskret. Er oder sie outet sich, bekennt Farbe, wird beobachtet und bewertet. Die Uniform gebe auch Würde und Schutz, sagt Wittwer. Er bewege sich immer wieder im Milieu unter Leuten, die Unbekannten sonst unsanft zeigen, dass «Herumschnüffeln» nicht erwünscht ist. Der Heilsarmee geschieht nichts. Man kennt sie.
Die Grenze zwischen Wohlanständigkeit und Milieu, bürgerlicher und verkrachter Existenz ist unscharf, was niemand so gut weiss wie die Heilsarmee. Auf Plakaten zur diesjährigen Topfkollekte sieht man Gesichter, deren beide Hälften dies zeigen: rasiert und gepflegt die eine, ungewaschen, unordentlich, von Krankheit und Sucht gezeichnet die andere. Wer den Job verliert, landet sehr rasch auf der Verliererseite, so die Botschaft. Die andere, noch wichtigere: Auch ein gestrauchelter Mensch findet in ein geordnetes Leben zurück, wenn Gott und die Mitmenschen ihm helfen.
Auszug aus: Der Bund 16.12.2011 mehr Informationen