Biden nahm in den ersten 100 Tagen zahlreiche gesellschaftspolitische Weichenstellungen vor, die eine progressive Wende einläuten werden.
Elf Gesetze hat Biden in den ersten 100 Tagen im Amt unterschrieben und 42 präsidiale Erlasse, 62 Anordnungen seines Vorgängers hat er revidiert.
So bekräftigte er sein Ziel, ein Recht auf straffreien Zugang zu Abtreibungen in der Verfassung verankern zu wollen, schaffte die „Mexico-City-Policy“ ab und hob Einschränkungen für die medizinische Forschung an Geweben abgetriebener Föten auf.
Jüngst sorgte seine Regierung für Schlagzeilen mit der Ankündigung, gerichtlich das sogenannte „Transgender-Mandat“ aufrechterhalten zu wollen, das Ärzte und Krankenhäuser verpflichten soll, Operationen zur Umwandlung des Geschlechts durchzuführen, auch wenn sie diese aus religiösen Gründen ablehnen. Der von Konservativen gefürchtete „Equality Act“, der die Rechte von LGBT-Personen endgültig gesetzlich verankern soll, konnte aber bislang keine Mehrheit im Kongress finden.
Zwei Jahre Vorschule für alle Kinder. Zwei Jahre Gratis-College. Staatlich bezahlte Elternferien und Krankentage. Generelles Kindergeld. So lauten die neusten Vorschläge, die der US-Präsident vor dem versammelten Kongress vorgestellt hat. Joe Biden ist angetreten, um die US-Gesellschaft fundamental umzubauen. Bidens Pläne stehen bisher grösstenteils auf dem Papier. Biden hielt sich bei seinem bislang wichtigsten Gesetzespaket, den Corona-Hilfen, auch nicht mit dem Versuch auf, überparteiliche Zustimmung zu erhalten. Den 1,9 Billionen US-Dollar umfassenden American Rescue Plan brachten die Demokraten mithilfe einer technischen Formalie allein und ohne die nötige 60-Stimmen-Mehrheit durch den Senat. Der Sozialausbau durch die Covid-Hilfe läuft kommendes Jahr aus. Alles andere – von Brückenbau bis zum Elternurlaub – muss im Kongress umgesetzt werden.
An der mexikanisch-amerikanischen Grenze hat sich in den letzten Wochen durch zahlreiche Neuankömmlinge eine veritable Krise aufgebaut. Er machte nicht alles rückgängig, was sein Vorgänger angestoßen hat – die Zölle gegen China blieben etwa in Kraft. Auch die von Trump beschlossene Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge wollte er beibehalten, bis er sich dem Druck der Parteilinken beugte und sie doch erhöhte.
Erstmals erkennt mit Joe Biden ein US-Präsident die Massenmorde an den Armeniern von 1915 im Osmanischen Reich als Völkermord an. Zugleich verärgert er damit Erdogan. Der Verkauf von Flugzeugen wurde gestopt. Die Türkei erwägt, jeglichen Zugang von US-Truppen zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik zu blockieren. Die politischen Spannungen mit Amerika sowie Äußerungen des neuen türkischen Zentralbankpräsidenten, wonach Zinserhöhungen schlecht für die Wirtschaft, hat verursacht, dass die türkische Lira mehr als 20 Prozent ihres Wertes verloren hat.
Joe Biden setzt im Umgang mit Nordkorea auf Diplomatie und Abschreckung. Pyongyang reagiert und warnt die USA vor einer «ernsthaften Situation». Die Grundaussage der neuen Nordkorea-Politik der USA sei jetzt klar geworden, erklärte ein hochrangiger Beamter des Aussenministeriums in Pyongyang am Sonntag in Anspielung auf die Rede Bidens vor dem US-Kongress vor einigen Tagen. Darin hatte Biden Nordkorea als «ernsthafte Bedrohung» für die Sicherheit der USA und der Welt bezeichnet. Der Leiter der Abteilung für US-Angelegenheiten im nordkoreanischen Aussenministerium, Kwon Jong-gun, bezeichnete Bidens Äusserungen als nicht tolerierbar. Biden habe «im Licht der heutigen Sichtweise einen groben Fehler begangen», wurde Kwon von den Staatsmedien zitiert. Nordkorea werde gezwungen sein, entsprechende Massnahmen zu ergreifen, «und mit der Zeit werden sich die USA in einer sehr ernsten Situation wiederfinden». In einer separaten Erklärung warf das Aussenministerium in Pyongyang den USA im Zusammenhang mit einer Mitteilung des US-Aussenministeriums zur Menschenrechtssituation in Nordkorea vom 28. April auch vor, die Würde von Machthaber Kim Jong-un verletzt zu haben.