Die radikal-islamische Hamas hat sich bereit erklärt, die Verwaltung des Gazastreifens an die gemäßigtere Palästinenser-Regierung zu übergeben. Wie ist dieser Schritt zu deuten?
Die Hamas will ihre Macht im Gaza-Streifen an die verfeindete Fatah abgeben. Auf den ersten Blick eine Sensation, doch die Geste schafft Stoff für Konflikt. Nun ist Abbas am Zug – und befindet sich in einer heiklen Lage.
Seit zehn Jahren herrscht Bürgerkrieg zwischen den beiden mächtigen Palästinenserorganisationen. Jede von ihnen beherrscht einen Teil der Palästinensergebiete: die Hamas den Gazastreifen, die Fatah das Westjordanland. Nun scheint eine Annäherung möglich.
Der Zwist geht auf das Jahr 2006 zurück. Die Hamas nahm damals an Parlamentswahlen in den Palästinensergebieten teil – obwohl sie weder das Existenzrecht Israels anerkannt noch dem Terror abgeschworen hatte. Beides waren damals eigentlich Voraussetzungen für eine Kandidatur.
Die Hamas befindet sich an einem historischen Tiefpunkt. Sie hatte im März ein Verwaltungskomitee gegründet – eine De-facto-Regierung für den Gazastreifen. Dies begründete sie mit dem – teilweise berechtigten – Vorwurf, die Palästinenserregierung in Ramallah investiere zu wenig in den Wiederaufbau des bitterarmen Landstrichs, der durch Krieg und Belagerung verwüstet ist.
Abbas entließ Tausende Beamte seiner Autonomiebehörde in Gaza, die den wichtigsten Teil der Arbeitnehmer dort ausmachten. Er verknappte die Elektrizität, in Teilen Gazas gab es nur noch zwei Stunden Strom am Tag. Medizinische Behandlungen in Israel wurden nicht mehr genehmigt, es wurden weniger Medikamente nach Gaza geliefert. Die Grenzen des Landstrichs wurden fast hermetisch geschlossen. Hinzu kommt, dass die Hamas international „so isoliert ist wie noch nie“, sagt Hamas-Experte Kobi Michael vom israelischen Institut für nationale Sicherheitsstudien: „Nur noch die Türkei und Katar stehen zur Hamas, und die sind selber im arabischen Raum isoliert.“ Auch die einst engen Beziehungen zum Iran seien fragil.
Angesichts der dramatischen Lage in dem dicht besiedelten Gebiet hatte sich die Hamas an Ägypten gewandt und um Unterstützung gebeten. Die Gruppierung erhoffte sich von Kairo vor allem Treibstoff für die Stromerzeugung. Dafür verlangte Kairo von der Hamas, Schritte zur Aussöhnung mit der Fatah einzuleiten.
In der Erklärung vom Sonntag 17.9.2017 nun lobt dann die Hamas auch den ägyptischen Geheimdienst für seine Bemühungen, die „Hoffnungen des palästinensischen Volkes zu erfüllen“. Die Hamas will Kairo schmeicheln – und Abbas in die Rolle des Spielverderbers drängen.
„Die Hamas stellt drei Bedingungen auf, denen Abbas nie zustimmen kann“, sagt Experte Kobi Michael. Erstens: Übernähme die Autonomiebehörde die Verantwortung für Gaza, müsste sie auch den Wiederaufbau des Landstrichs bezahlen. Zweitens fordert die Hamas Neuwahlen – sowohl für das Parlament als auch für den Präsidenten –, wissend, dass der unpopuläre 84-jährige Abbas das ablehnen wird. Drittens will die Hamas, dass ein Versöhnungsabkommen von 2011 umgesetzt wird, das unter anderem ihre Beteiligung an der PLO vorsieht, der mächtigsten palästinensischen Organisation.
Nun ist Abbas am Zug – und befindet sich in einer sehr heiklen Lage. Lehnt er jede Hilfe für den Gazastreifen ab, käme das in der eigenen Bevölkerung schlecht an. In Ramallah sucht man angeblich bereits nach Beweisen dafür, dass die Hamas es mit der Aussöhnung nicht ernst meint. mehr Informationen
Fatah-eigener Fernsehsender 23.8.2017: Nie habe man Israel anerkannt, nie werde man Israel anerkennen – daher müsse auch die Hamas dies nicht tun.
Also Fatah und Hamas müssen Israel nicht anerkennen, weil die PLO das getan hat. Also die zwei einzigen Parteien anerkennen Israel nicht, dann dürften eigentlich beide nicht in der Regierung der PLO sein. Oder anderes gesagt, ist man in der Rolle der PLO annerkennt man um dann gleich wieder zu sagen, dass man es nicht tut.
Fatah Sprecher Osama Al-Qawasmi: Auf keinen Fall. Das ist nicht erforderlich, und wir werden Israel nicht anerkennen (…) Ich erkläre dies in aller Deutlichkeit und hier im Satellitenfernsehen: ‚Meine Freunde, Hamas, ihr solltet Israel nicht anerkennen, das braucht ihr nicht. Die PLO ist die einzige legitime Vertreterin des palästinensischen Volks und sie hat am 12. September 1993 ein Schreiben zur gegenseitigen Anerkennung des Staats Israel gesandt. Ihr braucht das nicht zu tun.’
Wir in der Fatah haben unsere Position nicht aufgegeben. Auf der Siebenten [Fatah-] Konferenz, unter der Drohung der Waffen der Besatzer, haben wir [unsere Position] nicht aufgegeben. Wir haben gesagt, dass der bewaffnete Widerstand, der Volkswiderstand und all das legitim ist (…).“ mehr Informationen