Verbales Kriegsgetöse im Nahen Osten gehört zwar längst zur Routine, doch in diesen Tagen klingt es besonders schrill. Vor dem Entscheid Washingtons, ob das Atomabkommen mit Teheran verlängert werden soll oder nicht, steigt die Spannung. Verschärft wird sie durch regionale Machtansprüche Irans.
100 000 Raketen seien bereit, um in Richtung Israel zu fliegen, warnen die iranischen Revolutionsgarden und drohen Israel mit «Vernichtung und Zusammenbruch».
Israel werde alle Anlagen zerstören, «wo iranische Streitkräfte gegen uns Stellung beziehen wollen», drohte Verteidigungsminister Avigdor Liberman den Ayatollahs in Teheran. «Das sind die letzten Tage des Regimes», schüchterte er Teheran weiter ein.
Viel deutet darauf hin, dass US-Präsident Donald Trump bis Ende nächster Woche (bis Samstag 12. Mai) aus dem Atomabkommen aussteigen wird. John Bolton, den Trump kürzlich als Sicherheitsberater verpflichtet hat, ist als scharfer Kritiker des Iran-Deals bekannt. Auch der ebenfalls neu ernannte Außenminister Michael Pompeo lehnt den Atom-Deal ab. Das Abkommen habe nicht dazu beigetragen, dass das iranische Regime moderater geworden sei, meinte Pompeo diese Woche bei Antritt seiner Reise durch den Mittleren Osten. Im Gegenteil: In den vergangenen drei Jahren habe sich Teheran «schlechter verhalten» als zuvor. Teheran destabilisiere die ganze Region, unterstützte Terrorgruppen und unterhalte Milizen, die im Auftrag des iranischen Regimes handeln, so Pompeo.
Trump hatte den Deal im Wahlkampf als das «schlimmste jemals geschlossene Abkommen» bezeichnet und mehrfach erklärt, als Präsident werde er es aufkündigen. Er müsste seinen Wählern triftige Gründe angeben, weshalb er seit dem Wahlkampf seine Meinung über das unpopuläre Abkommen geändert hat.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel drängen darauf, das bestehende Abkommen durch einen Zusatzvertrag zu verbessern.
Teheran hat allerdings bereits unmissverständlich seine Bereitschaft abgelehnt, den Deal neu auszuhandeln. Der iranische Präsident Hassan Rohani gab an, das Abkommen sei «in keinster Weise verhandelbar». Sollte sich Trump vom Deal zurückziehen, würde Teheran vom Vertrag zurücktreten.
Am Montag 30. April hat sich auch Israels Premierminister Benjamin Netanyahu in die Diskussion eingeschaltet. Er präsentierte Beweise, dass Teheran während den Atom-Verhandlungen gelogen hat. Die Dokumente hatte der Geheimdienst Mossad in einer spektakulären Aktion beschafft. Es war ihm gelungen, geheime Unterlagen aus einer scharf bewachten Lagerhalle von Teheran nach Israel zu schmuggeln. Die Dokumente belegen, dass Iran während Jahren die Atomtechnologie nicht nur zu Forschungszwecken und für zivile Anwendungen vorangetrieben hat, wie das Regime behauptet hatte. Die Behauptung von der nuklearen Unschuld ist damit widerlegt. Ziel der Islamischen Republik war es während Jahren, eine Atommacht zu werden.
Iran hatte, so Netanyahu, Forschungen zum Bau einer A-Bombe für einen möglichen späteren Einsatz heimlich gelagert. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen waren im Dezember 2015 auch die Kontrolleure der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) in Wien gekommen. Aber der Bericht wanderte in die Schublade. Er wurde nicht beachtet, da er dem Narrativ widersprach, wonach Teheran bloß friedliche Nuklearabsichten verfolge.
Doch die Beweise aus Iran sind belastend, weil der Mossad iranische Originalunterlagen vorlegen kann. Am Wochenende wollen Experten aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien die Relevanz der Dokumente prüfen.
Aus Furcht vor der Wiederaufnahme von Sanktionen hat die Landeswährung, der Rial, in den vergangenen fünf Monaten einen Drittel seines Wertes verloren. Die Arbeitslosigkeit steuert auf neue Rekordwerte zu, vor allem bei den Jungen. Unter den 20- bis 29-jährigen Männern sind 36 Prozent, bei den Frauen sind sogar 50 Prozent arbeitslos. Die desolate Wirtschaftslage ist aber nicht das Resultat der Sanktionen, sondern die Folge einer verheerenden Politik. Die Regierung hat es systematisch versäumt, ein attraktives Klima für private Investoren zu schaffen. Starke religiöse Stiftungen haben in vielen Branchen Monopolpositionen und verhindern mit ihren quasi-staatlichem Status eine Liberalisierung der Wirtschaft. Das schreckt Investoren ab.
Die Misere stärkt die Hardliner im Land. Um Protestkundgebungen vorzubeugen, hat die Regierung die populäre Kommunikations-App Telegram gesperrt, die von Millionen Usern benutzt wird und die in den vergangenen Monaten zur Organisation von Demonstrationen verwendet worden war.
Das liegt auch an der Außenpolitik Teherans, mit der die Regierung in den vergangenen drei Jahren eine regionale Vormachtstellung angestrebt hat – vom Irak über Syrien und den Libanon bis in den Jemen.
Das unter Barack Obama abgeschlossene Atomabkommen war vor drei Jahren geschlossen worden. Am 16. Januar 2016 trat das Abkommen in Kraft. Doch der Deal verbietet es Teheran nicht, ballistische Raketen zu entwickeln oder auf seine aggressive Regionalpolitik zu verzichten. Zudem kann sich Teheran während jeweils rund drei Wochen weigern, internationalen Inspekteuren den Zutritt zu Atom-Anlagen zu gestatten. Das gebe den iranischen Nuklearingenieuren reichlich Spielraum, gefährliche Materialien zur Seite zu schaffen. Mehr Informationen
Das russische Außenministerium sagte am Freitag, dass Moskau seine Verpflichtungen bezüglich des iranischen Nuklearabkommens so lange erfüllen werde, wie es andere Länder tun, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax. mehr Informationen