Als überzeugte Linke und lesbische Professorin verachtete ich Christen total. Und dann wurde ich selbst eine Christin.

Der Name “Jesus” blieb mir immer in der Kehle stecken, ja er schnürte mir irgendwie die Kehle zu. Ganz gleich wie hartnäckig ich versuchte ihn irgendwie zu verstehen. Diejenigen die sich zu diesem Namen bekannten, erregten meinen Zorn und gleichzeitig auch mein Mitleid.

Als Universitätsprofessorin wurde ich auch den Studenten gegenüber ärgerlich, die sich gedrängt fühlten, mich immer wieder auf Jesus anzusprechen. Dumm. Sinnlos. Bedrohlich. So dachte ich über Christen und ihren Gott Jesus.

Einer dieser Moralapostel und seine geistreiche Bemerkung im Jahr 1992 auf dem Republikanischen Parteitag brachte mich auf „hundertachtzig“. „Der Feminismus“, spöttelte er, „ermutigt Frauen ihre Männer zu verlassen, ihre Kinder umzubringen, Zauberei zu praktizieren, den Kapitalismus zu zerstören, und lesbisch zu werden.“

Mein Leben schien glücklich und sinnerfüllt. Meine Partnerin und ich hatten viele wichtige gemeinsame Interessen: Aids-Aktivismus, die Gesundheit von Kindern und deren Alphabetisierung, Golden Retriever Rescue [eine Tierschutzorganisation], oder unsere Unitarierkirche, um nur einige zu nennen.

Ich fing an die „Politik des Hasses“ der religiösen Rechten gegen Homosexuelle wie mich zu erforschen. Um dies tun zu können, musste ich das eine Buch lesen, das meiner Meinung nach so viele Menschen aus der Bahn geworfen hatte: die Bibel.

Es gab viele Leserbriefe als Reaktion auf meinen Artikel, in dem ich den christlichen Glauben angriff. So viele, dass ich je einen Behälter auf beiden Seiten meines Schreibtisches anbrachte: einen für Hass-Briefe, einen für Fanpost. Aber ein Brief, den ich erhielt, hebelte mein Ablagesystem aus. Er kam vom Pfarrer der Reformierten Syracuse Presbyterian Church. Es war ein gütiger und zugleich herausfordernder Brief.

Ken Smith ermutigte mich, durch seine Art mir Fragen zu stellen: Wie sind Sie zu Ihrer Sichtweise gekommen? Woher wissen Sie, dass Sie Recht haben? Glauben Sie an Gott? Er kommentierte meinen Artikel nicht, sondern er bat mich, die Theorien, die ich verteidigte, zu hinterfragen und zu belegen. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte und warf seinen Brief weg. Später an dem Abend fischte ich ihn aber dann wieder aus dem Papierkorb und legte ihn wieder auf meinem Schreibtisch, von wo aus er mich eine Woche angestarrt hat. Er konfrontierte mich mit der Kluft zwischen den beiden Weltanschauungen und verlangte eine Antwort darauf. Ken‘s Brief hatte – ohne sein Wissen – die Integrität meiner Recherche ramponiert. Ken spottete nicht, er setzte sich ein.

Als er mir dann eine Einladung zum Abendessen zuschickte, nahm ich sie an. Ken, seine Frau Floy und ich wurden Freunde. Wenn wir zusammen aßen, betete Ken in einer Art und Weise, die ich davor nie gehört hatte. Seine Gebete waren innig und vertraut. Geradezu verletzlich. Er bereute seine Sünden in meiner Gegenwart. Er dankte Gott für alle Dinge. Ken‘s Gott war heilig und unerschütterlich, dennoch voller Gnade. Und weil Ken und Floy mich nicht zur Kirche eingeladen haben, wusste ich, dass wir Freunde bleiben konnten. Ich fing an die Bibel zu lesen.

Bei einem Abendessen trieb mich meine geschlechtsumgewandelte Partnerin in die Enge. Sie legte ihre große Hand auf meine. „Das Lesen der Bibel verändert dich, Rosaria“, warnte sie mich. Zitternd, flüsterte ich, „J., was ist, wenn dies alles wahr ist? Was ist, wenn Jesus wirklich der auferstandene Herr ist? Was ist, wenn wir alle in der Klemme sitzen?“ J. atmete tief aus. „Rosaria“, sagte sie, „15 Jahre lang war ich eine presbyterianische Geistliche. Ich habe gebetet, dass Gott mich heilen würde, aber er tat es nicht. Wenn du willst, werde ich für dich beten.“

Ich fuhr fort in der Bibel zu lesen. Die ganze Zeit kämpfte ich gegen die Idee, dass sie inspiriert und wahr sein könnte. Aber die Bibel wurde immer größer in mir. An einem Sonntagmorgen, stieg ich aus dem Bett meiner lesbischen Geliebten, und saß eine Stunde später in einer Kirchenbank.

An einem Sonntag predigte [Pastor] Ken über den Text aus Johannes 7:17: „Wenn jemand [Gottes] Willen tun will, wird er erkennen, ob diese Lehre von Gott ist, oder ob ich aus mir selbst rede.“ Dieser Vers versprach Erkenntnis nach dem Gehorsam. Ich rang mit der Frage: wollte ich die Homosexualität wirklich aus Gottes Sicht verstehen – oder lediglich mit ihm streiten? An diesem Abend betete ich, dass Gott mir die Bereitschaft gebe, zu gehorchen, bevor ich verstand. Ich betete lange bis in den Morgengrauen.

Wer bin ich? Wer soll ich in Gottes Augen sein? In all diesen Auseinandersetzungen der krass verschiedenen Weltanschauungen standen mir Ken und Floy stets bei. Ich steckte total tief im Schlamassel. Ich wollte nicht alles verlieren, was mir lieb und teuer war. Es war jedoch, als würde die Stimme Gottes ein hoffnungsfreudiges Liebeslied zwischen den Trümmern meiner zerbrochenen Welt singen. Ich nahm, zunächst zaghaft, dann leidenschaftlich, der Trost des Heiligen Geistes an. Heute geniesse ich den inneren Frieden und die Gemeinschaft mit meinem Ehemann.

Rosaria Champagne Butterfield ist die Autorin des Buches “The Secret Thoughts of an Unlikely Convert” (Crown & Covenant). Sie wohnt mit ihrer Familie in Durham, North Carolina, wo ihr Ehemann Pastor der „First Reformed Presbyterian Church“ ist.

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