In der libanesischen Hauptstadt Beirut haben am 2. März Hunderte Menschen gegen Kinderehen protestiert. Das berichtet die französische Tageszeitung Le Figaro unter Berufung auf einen Fotografen der Nachrichtenagentur AFP, der vor Ort war.
Die Demonstranten forderten das Parlament auf, ein Gesetz zu beschließen, das ein Mindestalter von 18 Jahren für Eheschließungen einführt. Eine entsprechende Vorlage liegt seit Monaten im Parlament.
Im Libanon gibt es keine Standesämter; Angelegenheiten wie Heirat, Scheidung oder Erbschaft werden von den 18 Religionsgemeinschaften gemäß deren Bestimmungen geregelt. Zivilehen können im Libanon nicht geschlossen werden, werden aber anerkannt, wenn sie im Ausland geschlossen wurden. Viele Paare, die nicht religiös heiraten wollen – was nur möglich ist, wenn beide derselben Religionsgemeinschaft angehören –, heiraten im Ausland, etwa auf Zypern. Entscheiden sie sich allerdings, zusätzlich religiös zu heiraten, gelten allein die Ehe- und Scheidungsregeln der jeweiligen Religionsgemeinschaft, was für die Frau gravierende negative Auswirkungen haben kann, wenn es zu einer Scheidung kommt.
Ein Mindestalter für Eheschließungen gibt es im Libanon nicht. So können laut einem Bericht des Büros des Hohen Kommissars für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen (OHCHR) bei den Schiiten – und in Ausnahmefällen auch bei den Sunniten – im Libanon schon neunjährige Mädchen verheiratet werden.
Besonders hoch ist die Zahl von Eheschließungen mit minderjährigen Mädchen unter den im Libanon lebenden syrischen Flüchtlingen.
Einen Erfolg bei der Gesetzgebung zu Eheschließungen erreichten Frauenrechtsgruppen im August 2017, als das Parlament auch auf ihren Druck hin ein Gesetz abschaffte, wonach Vergewaltiger nicht bestraft werden, wenn sie ihr Opfer heiraten. Ein solches „Heirate-deinen-Vergewaltiger“-Gesetz gibt es in etlichen Ländern der Welt. In Jordanien wurde es ebenfalls 2017 abgeschafft, in den Palästinensischen Autonomiegebieten im März 2018 – mit Ausnahme des Gazastreifens, wo es weiterhin gilt.
Die Dringlichkeit eines Verbots von Kinderehen im Libanon zeigte sich erst im Dezember 2018 durch den Selbstmordversuch einer 16-Jährigen. Sie war vom Dach des Elternhauses gesprungen, nachdem ihr Cousin und Ehemann, der sie im Alter von 14 Jahren geheiratet hatte, sich von ihr geschieden und sie an ihre Eltern „zurückgegeben“ hatte, die ihre Tochter seither in ständigem Hausarrest hielten und ihr auch den Schulbesuch verboten.
Die Bewegung für das Verbot von Kinderehen im Libanon ist eng mit der Forderung nach der Einführung einer allgemeinen Zivilehe verbunden, die auf libanesischem Staatsgebiet geschlossen werden kann. Es sind die im Libanon so mächtigen Religionsgemeinschaften, die sich gegen beides sperren. „Wir lehnen die Zivilehe ab, weil sie gegen das Sharia-Gesetz verstößt“, sagte die Pressestelle der Dar el-Fatwa, der obersten sunnitischen Behörde des Landes, in einer von Le Figaro zitierten Erklärung. mehr Informationen