Ismael und Isaak begraben gemeinsam ihren Vater. Die gemeinsame Nennung von Ismael und Isaak in 1. Mose 25,9 ist ein ermutigender Schluss von Abrahams Leben.
Gott handelt nicht gemäß menschlicher Erwartung, sondern nach seiner Gnade.
Ismael und Isaak geben immer wieder Anlass für wilde Spekulationen und Theorien. Doch ein genaues Hinhören in die biblischen Texte lohnt sich.
Montag, 6. Dezember, Radio Maria Schweiz
1.Mose 25 ab Vers 7: „Das ist die Zahl der Lebensjahre Abrahams: Hundertfünfundsiebzig Jahre wurde er alt. 8 Dann verschied er. Er starb in glücklichem Alter, betagt und lebenssatt, und wurde mit seinen Vorfahren vereint. 9 Seine Söhne Isaak und Ismael begruben ihn in der Höhle von Machpela gegenüber Mamre, auf dem Feld des Hetiters Efron, des Sohnes Zohars, 10 auf dem Feld, das Abraham von den Hetitern erworben hatte. Dort sind Abraham und seine Frau Sara begraben. 11 Nach dem Tod Abrahams segnete Gott seinen Sohn Isaak und Isaak ließ sich beim Brunnen Lahai-Roï nieder.“
Wir lesen hier von einer besonderen Begegnung. Ismael und Isaak begraben gemeinsam ihren Vater. Es kann noch so große Familienkonflikte geben – doch am Grab sieht man sich wieder.
Im Judentum gibt es die Überzeugung, dass der Tod eines Gerechten seine Generation rettet. Damit bekamen das sinnlose Leiden und Morden nach der Zerstörung des zweiten Tempels und dem Ausbleiben der Versöhnungsopfer eine Bedeutung. Darüber schreibt Rabbi Berel Wein in „The Triumph of Survival, 1990“: „Es war eine alte jüdische Tradition aus biblischer Zeit, dass der Tod der Gerechten und Unschuldigen als Ausgleich für die Sünden der Nation oder der Welt diente.“
Dass der Tod eines Gerechten Auswirkungen auf die Lebenden hat, finden wir auch in der Bibel. In 4. Mose 35,25-28 steht, dass diejenigen in Israel, die unbeabsichtigt schuldig geworden waren an bestimmten Orten leben konnten und so von der Blutrache geschützt waren. Beim Tod des Hohepriesters gab es eine Generalamnestie und sie durften wieder in ihre Dörfer zurückkehren. So heißt es in Vers 28: „Nach dem Tod des Hohepriesters kann er zu seinem Land und zu seinem Grundbesitz zurückkehren.“
Mit Abraham stirbt der Urvater der Gerechtigkeit aus Glauben (1.Mose 15,6). Und bei seinem Tod treffen Ismael und Isaak wieder aufeinander, ohne sich anzufeinden.
Mit Jesus starb der Gerechte ohne jegliche Sünde (Hebräer 4,15 ). Und durch seinen Tod und die Auferstehung werden Menschen vereint, die sich zuvor feindlich gegenüberstanden. In Jesus finden Menschen Frieden miteinander, auch wenn sie sich nicht in allem einig sind.
Jesus nahm diesen Gedanken im hohepriesterlichen Gebet auf. In Johannes 17,21-23 steht: „21 Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. 22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir.“
Alle, die annehmen, dass wir durch den Tod von Jesus am Kreuz mit dem himmlischen Vater versöhnt werden, sind also automatisch auch automatisch herausgefordert, alle Glaubensgeschwister anzunehmen und sie nicht zu dämonisieren.
Abraham wurde gerecht, weil er Gott glaubte und vertraute. Auch wir werden vor Gott gerecht, wenn wir darauf vertrauen, dass Jesus am Kreuz für unsere Verfehlungen gestorben und als Zeichen des Sieges wieder auferstanden ist.
Ich finde die gemeinsame Nennung von Ismael und Isaak einen ermutigenden Schluss für Abrahams Leben.
Es gibt aber auch offene Fragen. Warum kamen die anderen sechs Söhne Abrahams nicht zum Begräbnis?
In 1. Mose 25 steht: 1 Abraham nahm sich noch eine andere Frau, namens Ketura. 2 Sie gebar ihm Simran, Jokschan, Medan, Midian, Jischbak und Schuach. … 6 Den Söhnen der Nebenfrauen, die Abraham hatte, gab Abraham Geschenke und schickte sie noch zu seinen Lebzeiten weit weg von seinem Sohn Isaak nach Osten, ins Morgenland.
Diese Verse werden oft überlesen. Abraham heiratete nochmals, nachdem Sara in seinem 137-ten Altersjahr gestorben war. In den 38 Jahren nach dem Tod von Sara wurden ihm noch sechs Söhne geboren.
Von Ketura wissen wir nicht viel. Ihr Name bedeutet „Weihrauch“. Laut dem jüdischen Midrasch ist Ketura mit der Ägypterin Hagar identisch. In der rabbinischen Tradition wird die Möglichkeit erörtert, dass Ketura ein Beiname der Hagar sei, die Abraham nach Saras Tod geheiratet hätte.
Doch die unterschiedlichen Wohngebiete der zwölf Söhne von Ismael und der sechs Söhne von Ketura deuten in eine andere Richtung.
Die Söhne der Ketura werden nach Osten (1. Mose 25,6) geschickt.
Ismael wohnte in der südlichen Wüste Paran. In 1. Mose 21,21 steht: „Er ließ sich in der Wüste Paran nieder und seine Mutter nahm ihm eine Frau aus Ägypten.“ Und in 1. Mose 25,18 heißt es: „18 Ihr Siedlungsgebiet reichte von Hawila bis Schur, das Ägypten gegenüber an der Straße nach Assur liegt.“ In der Septuaginta (LXX), der Übersetzung der jüdischen Bibel durch Rabbinern ins Griechische, wird „Hawila“ mit Ευιλατ (euilat) wiedergegeben, was „Sand“ bedeutet. „Schur“ ist eine Bezeichnung von Ägypten. Heute würden wir dieses Gebiet also als die Sinaihalbinsel bezeichnen.
Hinter dem Namen Ketura steht wohl die „Weihrauchstraße“. Die Namen der Ketura-Söhne, soweit sie sich identifizieren lassen, bezeichnen Stämme und Orte entlang dieser Route. Sie wohnten also nicht in der Nähe und konnten nicht zum Begräbnis kommen oder hatten nicht unmittelbar davon erfahren, dass Abraham gestorben war.
Spannend ist, dass Mose später Zippora aus Midian, die Tochter des Priesters Jetro, heiratete und bei ihm die Schafe hütete (2. Mose 3,1). Midian liegt an der nordwestlichen Ecke der arabischen Halbinsel, also da, wo heute die moderne Stadt Neom entsteht und wo der Gottesberg liegt. Der Glaube an den ewigen Schöpfergott wurde also von Abraham über seinen Sohn Midian von der Ketura bis zum Priester Jetro weitergegeben.
Spannend ist in diesem Zusammenhang, dass in der Bibel Ismael und seine Söhne nicht als Gottesanbeter erwähnt werden.
Esau nahm sich später zu seinen Frauen noch Mahalat als Frau hinzu, um damit seinem Vater Isaak zu gefallen. Dazu lesen wir in der Bibel: „Sie war die Schwester Nebajots, die Tochter Ismaels, des Sohnes Abrahams“ (1. Mose 28,9).
Die Söhne Jakobs verkauften ihren Bruder Josef „zwanzig Silberstücke an die Ismaeliter. Sie brachten Josef nach Ägypten“ (1. Mose 37,28).
Die Ismaeliter lebten also an der Schnittstelle zu Ägypten und die Söhne der Ketura an der Weihrauch-Straße von Südarabien bis ans Mittelmeer.
Somit sind die Araber also nicht einfach die Söhne Ismaels. In Jeremia 25,24 werden „alle Könige Arabiens und alle Könige des Völkergemisches, die in der Wüste wohnen“, erwähnt. Mit dem Wort Äräb wird das Völkergemisch bezeichnet, welches in der Wüste wohnt und umherzieht. Es sind semitische Beduinen und Händler.
Das wirft ein ganz anderes Licht auf den arabisch-jüdischen Konflikt.
Wie sieht die Geschichte hinter den beiden Namen Ismael und Isaak aus?
Ismael ist der eigenmächtig gezeugte Sohn von Abraham. Diese Geschichte finden wir in 1. Mose 16,1-16. Sara macht Abraham den Vorschlag, die ägyptische Magd Hagar zur Nebenfrau zu nehmen und mit ihr den von Gott verheißenen Erben zu zeugen (1. Mose 16,2). Abraham willigt ein. Saras Vorschlag ist ein ungeduldiges menschliches Vorgreifen auf Gottes Handeln, ein Akt des Unglaubens. Aber Abraham wehrt sich merkwürdigerweise nicht dagegen.
Seine Passivität setzt ein Eifersuchtsdrama in Gang. Hagar wird schwanger und schaut auf ihre kinderlose Chefin herab (1. Mose 16,4). Sara ist verletzt, schiebt aber die Schuld Abraham in die Schuhe (5), obwohl sie alles eingefädelt hat. Aus dem Konflikt zwischen Herrin und Magd wird ein Ehekonflikt. Sara ruft Gott als Schiedsrichter an.
Abraham erlaubt Sara, die Magd zu demütigen (1. Mose 16,6). Die schwangere Hagar flieht in die Steppe in den Süden Richtung Ägypten, ihrer Heimat. Da greift Gott ein (1. Mose 16,7). Sein Engel kommt zu Hagar und schickt sie zu Sara zurück. Sie soll sich unterordnen und ihre Nachkommen werden dafür zahlreich sein. Sie tut es. Sie empfängt gleichzeitig eine Verheißung für ihren Sohn (1. Mose 16,10). Ismael – zu Deutsch „Gott hört“ – soll viele Nachkommen haben, die zu einem großen Volk werden. Die Ismael-Leute werden Beduinen sein und sich in der Steppe mit anderen Stämmen auseinandersetzen müssen (1. Mose 16,12).
Isaak ist der Sohn, durch den sich die göttlichen Verheißungen erfüllen (1. Mose 21,1-7).
Gott hat das getan, was in den Augen der Menschen unmöglich ist – ein altes Ehepaar bekommt ein Kind. Gott ist nicht nur der treue Gott, sondern auch der allmächtige Schöpfer. Gott hat Abraham geboten, das Kind „Isaak“ zu nennen (1. Mose 17,19). Der Name Isaak bedeutet, dass Gott über diesem Menschen „freundlich lächelt“.
Merkwürdigerweise dankt Sara Gott nicht für das Wunder. Ihr Kommentar ist: „Gott ließ mich lachen; jeder, der davon hört, wird mir zulachen.“ (1. Mose 21,6) Sara denkt mehr an das Gerede der Leute als an Gott. Schon bei der Ankündigung der wunderbaren Geburt Isaaks hatte Sara im Stillen gelacht (1. Mose 18,12). Sie hielt das Wunder nicht für möglich. Gott musste sie wegen dieses Lachens zurechtweisen: „Ist denn beim HERRN etwas unmöglich?“ (1. Mose 18,14) Sara leugnete, dass sie gelacht habe (1. Mose 18,15). Auch von Abraham wird in 1. Mose 17,17 Ähnliches berichtet: „Da fiel Abraham auf sein Angesicht nieder und lachte. Er sprach in seinem Herzen: Können einem Hundertjährigen noch Kinder geboren werden und kann Sara als Neunzigjährige noch gebären?“
Deshalb ist der Name „Sohn des Lachens“ auch eine Mahnung zum Glauben und eine Warnung vor dem Unglauben. Gott lässt sich nicht lächerlich machen! Der Glaubende ist es, der zuletzt lacht.
Die Familientragödie im Haus Abrahams nimmt nun dramatische Formen an. Sara ist nicht glücklich. Ihre alte Eifersucht auf Hagar ist immer noch da. Sie kann sich nicht damit abfinden, dass Ismael und ihr Sohn Isaak zusammen aufwachsen. „Eines Tages beobachtete Sara, wie der Sohn, den die Ägypterin Hagar Abraham geboren hatte, spielte und lachte“ (1. Mose 21,9). Man kann es so verstehen, dass Ismael sich über den kleinen Isaak lustig machte.
Sara sieht das Verhältnis zwischen Ismael und Isaak negativ. Sie befürchtet, dass Abraham den Ismael und den Isaak gleich behandeln könnte (1. Mose 21,10). Tatsächlich schien Abraham an Ismael zu hängen. Der Vorschlag Saras, die Magd Hagar mit ihrem Sohn zu vertreiben und ihnen das Erbrecht zu nehmen (1. Mose 21,10), missfällt Abraham sehr (1. Mose 21,11). Doch Sara setzt sich mit ihrer Eifersucht durch (1. Mose 21,14). Es ist schon recht merkwürdig, dass die Eifersucht Saras im Heilsplan Gottes dazu helfen muss, dass der „Sohn des Glaubens“ der heilsgeschichtliche Segensträger wird und der „Sohn des Unglaubens“ vertrieben wird. Gott benutzt die argwöhnische Sara, um Abrahams gut gemeintes Wohlwollen gegenüber Hagar und Ismael zu korrigieren (1. Mose 21,12-13).
Abraham leistet Widerstand, so dass Gott selbst ihn überzeugen muss: „Die Sache wegen des Knaben und wegen deiner Magd sei nicht böse in deinen Augen. Hör auf alles, was dir Sara sagt! Denn nach Isaak sollen deine Nachkommen benannt werden. 13 Aber auch den Sohn der Magd will ich zu einem großen Volk machen, weil auch er dein Nachkomme ist.“ (1. Mose 21,12-13).
Nach Gottes Beschluss ist nur Isaak der Erbe der Bundesverheißungen von Land, Volk und Segen für alle Völker! Doch gleichzeitig wiederholt Gott dreimal den Segen für Ismael. Weil auch er ein leiblicher Sohn Abrahams ist, soll er ein großes Volk werden (1. Mose 21,13+18 und 1. Mose 17,20).
Obwohl Abraham emotional an Ismael hängt, akzeptiert er die von Gott gesetzte Reihenfolge: Der Jüngere hat – entgegen allem orientalischen und menschlichen Denken – den Vorzug vor dem Älteren. Gottes Wille ist höher als alle menschliche Logik und ein Ausdruck dafür, dass alles Gottes Gnade ist. So steht auch in Jesaja 55,9: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über euren Wegen und meine Gedanken über euren Gedanken.“
Hagar und Ismael irren im Südland in der Steppe umher. Das Wasser ist zu Ende, sie bereiten sich auf den Tod vor. Ismael schreit vor Durst, Hagar weint (1. Mose 21,14-16). Aber Gott hört das Schreien des Jungen. Ein Engel Gottes greift ein (1. Mose 21,17). Er ermutigt Hagar und wiederholt die Verheißung für Ismael – er wird ein großes Volk werden. Doch damit nicht genug. Gott kümmert sich um das leibliche Wohl der Verstoßenen. Plötzlich sieht Hagar einen Brunnen und schöpft Wasser. Hagar und Ismael sind gerettet (1. Mose 21,19).
Gott handelt nicht gemäß menschlicher Erwartungen, sondern nach seiner Gnade. Wenn Gott jemand anderen erwählt, bedeutet es nicht, dass er sich nicht um die anderen kümmert. Ismael bedeutet „Gott hört“. Doch es bedeutet auch nicht, dass automatisch aus dem Sohn des Unglaubens ein Glaubender wird. Den Gottesglauben finden wir hingegen in der Nachkommenschaft von den Söhnen der Ketura.
Paulus spricht im Galaterbrief symbolisch über Ismael und Isaak. Wie ist das einzuordnen?
In Galater 4,21-31 argumentiert Paulus bildhaft und sieht in Ismael und Isaak ein unterschiedliches Verhalten von Menschen gegenüber Gott. Hagar und Ismael stehen für den eigenmächtig handelnden Menschen, weil Abraham Ismael im Unglauben zeugte. Alle Menschen, die nicht auf Gottes Handeln warten, sind „Ismael-Typen“ und sind nicht frei. Für den Apostel waren es die Juden seiner Zeit, sofern sie sich auf die Gesetze beriefen und die Befreiung in Jesus ablehnten. Für jüdische Hörer war die Argumentation von Paulus ein Schock. Wie können die Erben der Verheißung mit dem „Sohn des Unglaubens“ verglichen werden?
Paulus weist darauf hin, dass nur der ein „Sohn des Glaubens“ ist, der sich durch Jesus mit Gott versöhnen lässt und damit der Verheißung Gottes folgt. Ismael steht nach Paulus typologisch für alle Menschen, die Jesus als Erlöser ablehnen und durch eigenes Bemühen vor Gott gerecht sein wollen – seien sie Juden oder Nichtjuden.
Paulus ruft seine Leser in Galatien dazu auf, „Isaak-Leute“ zu sein und im Vertrauen auf das Heilsangebot Gottes zu leben und nicht im Vertrauen auf das Halten des Gesetzes! Isaak steht typologisch für das grenzenlose Vertrauen auf Gottes Macht und Möglichkeiten.
Auch wir neigen immer wieder dazu, ungeduldig dem Handeln Gottes vorzugreifen und eigenmächtig etwas zum Ziel zu bringen. Wie rasch meinen wir, durch unsere Frömmigkeit bei Gott etwas erreichen zu können.
Die Geschichte von Abraham und seinen beiden Söhnen zeigt uns, wie Gott mit unserem Versagen umgeht. Gott hat viel Geduld. Ja, er erhört auch das Flehen der zurückgesetzten Hagar in der Wüste und rettet sie.
Paulus schreibt in Römer 2,4: „Verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass Gottes Güte dich zur Umkehr treibt?“
Sind jetzt die Araber einfach die Ausgestoßenen?
Für die Griechen und Römer waren die Menschen, die an den östlichen Rändern Syriens, des Ostjordanlandes und des Toten Meeres lebten, „Araber“, d.h. nichtsesshafte Nomaden oder Halbnomaden. Unter ihnen lebten auch einzelne Juden, vielleicht Kaufleute oder Proselyten. Auch sie galten in der jüdischen Diaspora als „Araber“. Diese Menschen waren beim Pfingstwunder in Jerusalem vertreten (Apostelgeschichte 2,11). Der Isaak-Segen kam so durch Jesus zu den Arabern. Es gab also arabische Jesusnachfolger. „Araber“ waren Menschen, die sich aus dem römischen Einflussbereich zurückzogen. Es verwundert deshalb nicht, dass sich Saulus, der auch Paulus genannt wird, nach seiner Bekehrung in Damaskus nach „Arabien“ zurückzog (Galater 1,17). Wir können deshalb davon ausgehen, dass der Glaube an den Gott Israels unter den Menschen im syrisch-arabischen Grenzgebiet nicht unbekannt war, und dass es nach Pfingsten dort auch Jesus-Gläubige gab.
Durch die Konzile entstand eine westliche Kirche Im Osten sammelten sich die Christen, die mit der neu entstandenen Doktrin in der römischen Kirche nicht einverstanden waren. Da sie außerhalb des römischen Reiches lebten, konnte man sie dort nicht belangen. Es gab auch Juden, die sich der römischen Herrschaft entzogen, indem sie sich in den Osten wandten. Ihre Lebensräume lagen zwischen dem römischen Reich und dem Perserreich.
Die Perser und Römer standen ständig in einem Konflikt miteinander. Durch die Kriege und hohen Steuerlasten war die Ausbreitung der arabischen Ein-Gott-Gläubigen willkommen, welche die römische Herrschaft beendeten.
Wie der Islam genau entstand, ist noch heute eine lebhafte Diskussion. Klar ist, dass sich der arabische Ein-Gott-Glaube gegen die römische Christusvorstellung und gegen den jüdischen Gedanken der Erwählung richtete. Daher wurde im Koran der Gottesglaube mit Ismael verknüpft.
Damit passiert etwas Sonderbares. Die Muslime stützen sich auf den eigenmächtig erzeugten Sohn Abrahams, denn Hagar und Ismael stehen für den eigenmächtig handelnden Menschen.
In der Auseinandersetzung mit Juden und Christen argumentiert der Koran, dass Ismael und Isaak als Gottgläubige keine Juden oder Christen waren. So lesen wir in Sure 2,140: „Oder wollt ihr sagen, Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und die Stämme seien Juden oder Christen gewesen?“ Es ist deshalb nach dem Koran nicht nötig, zum Judentum oder Christentum überzutreten, wie es Sure 2,135 beschreibt: „Sie sagen: Ihr müsst Juden oder Christen sein, dann seid ihr rechtgeleitet. Sag: Nein! Für uns gibt es nur die Religion Abrahams, eines Hanifen (Monotheisten) – er war kein Heide – keiner von denen, die dem einen Gott andere Götter beigesellen.“
In Sure 2,125 sagt Allah zu Abraham: „Macht euch aus dem heiligen Platz Abrahams eine Gebetsstätte! Und wir verpflichteten Abraham und Ismael: Reinigt mein Haus für diejenigen, die die Umgangsprozession machen und sich dem Kult hingeben, und die sich verneigen und niederwerfen!“
Das Problem von Sure 2,125 ist, dass ein Haus für Gott erst rund 2000 Jahre nach Abraham am Ort des großen Abrahamsopfers gebaut wurde. Auch waren es die Söhne der Ketura und nicht Ismael, die im heutigen Gebiet von Mekka lebten. Es gibt auch keine archäologischen Funde aus dem ersten Jahrtausend in Mekka. Was der muslimischen Auslegung von Sure 2,125 widerspricht.
Der Koran hat die biblische Heilsgeschichte eigenmächtig „auf den Kopf gestellt“. Der ältere Sohn Abrahams, Ismael, wurde im Islam zum entscheidenden Heilsträger. Damit wird die biblische Heilslinie „Isaak-Israel-David-Jesus“ faktisch außer Kraft gesetzt.
Der Rückgriff auf den gottesfürchtigen Abraham, der vor Mose und vor Jesus lebte, war ein geschickter Schachzug. Denn damit entzogen sich die arabischen Ein-Gott-Glaubenden nicht nur dem Anspruch des durch Mose offenbarten göttlichen Gesetzes, sondern auch dem Evangelium von Jesus Christus, indem sie einen neuartigen monotheistischen Gott verkündeten.
Die Umdeutung Ismaels, des im Unglauben gezeugten Sohnes, zum wichtigsten Sohn Abrahams macht deutlich, dass die Verkündiger des Korans die Botschaft der Bibel nicht verstanden haben. Die Zeugung Ismaels mit Hagar war ja ein Akt des Misstrauens gegen Gott und seiner Verheißung der unverdienbaren Gnade.
Nach dem biblischen Zeugnis richtet sich die menschliche Sünde gegen Gott selbst (vgl. 1. Mose 3, 5; vgl. David in Ps. 51, 6). Der Koran betont dagegen, dass der Mensch „gegen sich selbst“ sündigt, weil er dadurch die Strafe des Höllenfeuers zu erleiden hat (Sure 7,23: „Wir haben, indem wir dein Verbot missachteten, gegen uns selber gefrevelt“). Dahinter steht eine theologische Entscheidung. Der Allah des Islam gilt als so sehr über alles Menschliche erhaben, dass der Mensch unmöglich gegen ihn sündigen kann. Die Bibel bezeugt dagegen, dass Gott so sehr voller Liebe zu seinen Geschöpfen ist, dass er unter ihrer Rebellion gegen ihn „leidet“ und alles unternimmt, um sie zu beenden.
Was bedeute das nun für den arabisch-jüdischen Konflikt?
Wie wir gesehen haben, sind die Araber weder ethnisch „Söhne Ismaels“, noch sind die Muslime „Söhne des abrahamitischen Glaubens“.
Ismael steht für das eigenmächtige Handeln des Menschen. Abraham hingegen vertraute darauf, dass Gott zu seiner Zeit alles erfüllen wird. Dieser Glaube wurde Abraham als Gerechtigkeit angerechnet. So steht in 1. Mose 15,6: „Und er (Abraham) glaubte dem HERRN und das rechnete er ihm als Gerechtigkeit an.“
Der zeitgenössische Nahostkonflikt kann nicht direkt aus dem „Konflikt“ zwischen Ismael und Isaak (1. Mose 21,9) abgeleitet werden. Auch die Palästinenser sind keine Araber, sondern wurden arabisiert. Sie sind ein Mischvolk aus allen Völkern, die den Küstenstreifen bewohnten. So steht schon in Sacharja 9,6: „Ein Mischvolk wird in Aschdod wohnen. So werde ich den Stolz der Philister zerschlagen.“
Der moderne Konflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten liegt also nicht in der Bibel, sondern im Koran begründet. In der Abwehr gegen das jüdische und gegen das christliche Gottesverständnis hat sich ein Anti-Gott entwickelt. Diese Ablehnung stimuliert auch heutige Muslime. Juden und Christen werden nur geduldet, wenn sie sich als Dhimmi der islamischen Herrschaft unterordnen und eine Schutzgebühr bezahlen.
Das eigentliche Problem für die arabische Welt ist der Staat Israel, der in einem Gebiet gegründet wurde, das über 1500 Jahre lang muslimisch beherrscht war und deshalb nach islamischer Rechtsvorstellung immer muslimisch bleiben muss.
Für uns Christen liegt die Herausforderung des Nahostkonfliktes an einer anderen Stelle. Wir sind der Überzeugung, dass durch den Glauben an den Erlöser Jesus Friede und Versöhnung mit Gott und auch unter den an Jesus Glaubenden aus allen Kulturen und Nationen möglich ist. Das bedeutet, dass wir allen Menschen von der Einheit erzählen, die wir in Jesus erleben – einer Einheit, die auch kulturelle und gesellschaftliche Gräben überwindet.
Immer wieder wird behauptet, Juden, Christen und Muslime glauben an den gleichen Gott. Wo liegt aber der Knackpunkt?
Das Problem ist die Interpretation dessen, wie wir Gott verstehen. Würden wir alle so an Gott glauben wie Abraham, gäbe es keine Unterschiede.
Abraham glaubte, dass Gott mit uns spricht. Er glaubte, dass Gott ihm als Mensch begegnen konnte und dass Gott zugleich im Himmel und auf der Erde sein kann (1. Mose 18). Abraham akzeptierte Gottes Anordnungen, auch wenn er sie nicht verstand und sie gegen seine Gefühle gingen. Er sagte also nicht, was Gott darf und was Gott nicht machen kann. So opferte er Isaak und schickte Ismael weg. Abraham verbrachte sein ganzes Leben im Glauben und nicht im Schauen. Obwohl ihm ein Volk und ein Land verheißen wurden, hat er beides nie gesehen. Er hat weder Gott verteidigt noch sich selbst recht verschaffen. Er vertraute darauf, dass Gott zu seiner Zeit alles erfüllen wird. Dieser Glaube wurde Abraham als Gerechtigkeit angerechnet. Der Glaube Abrahams bestand also in seinem Vertrauen auf Gott. Gott ist der Handelnde. Gott vollendet. Deshalb vertraut er sich diesem Gott an, macht sich mit ihm auf den Weg und spricht mit ihm.
Jesus sagt frei übertragen in Johannes 8: Wenn ihr geistliche Kinder Abrahams seid, dann freut ihr euch über die Gemeinschaft mit mir.
Wörtlich steht in Johannes 8,56: „Euer Vater Abraham jubelte, weil er meinen Tag sehen sollte. Er sah ihn und freute sich.“
Wie Abraham freue ich mich, dass Gott nicht fern ist, sondern nach uns sucht und uns auf seinem Weg durch den Heiligen Geist leitet. Gott ist es, der mich in Jesus mit allem beschenkt.
Hanspeter Obrist, Dezember 2021
Der Gott Abrahams, 27. Januar 2021, Erst wenn wir verstehen, wie Abraham Gott erlebt hat, können wir beurteilen, ob wir an den Gott von Abraham glauben oder ob wir einem eigenen Gottesbild folgen.
Abraham – erwählt zum Segen, 1. Februar 2021, Segen ist nicht Wohlstand, sondern die Gegenwart Gottes.
Abraham – mit Gott im Bund, 4. März 2021, Ein spannender Einblick, wie Gott die Dinge sieht.
Abraham – Glauben, ohne zu sehen, 29. März 2021, Glaube ist ein inneres Wissen um Dinge, die man nicht sieht, welche sich im Leben bestätigen.
Abraham – Segen durch Aufgabe, 7. Juni 2021, Kaum erwählt und reich gesegnet – schon Probleme. Das Miteinander geht auseinander.
Abraham – Leben mit Schwächen, 5. Juli 2021, Versuchung ist, selbst in die Hand zu nehmen, was Gott uns geben möchte.
Abraham – Leben durch ein Opfer, 7. September 2021, Der Opfergang von Abraham und Isaak in 1.Mose 22,1-19 ist eine der schwierigsten Stellen in der jüdischen Bibel. Der Text wirft viele Fragen auf …
Abraham und Melchisedek, Montag, 4. Oktober 2021, Melchisedek begegnet Abraham inmitten vom Drama um Sodom und Gomorra. Zwei schwierig nachvollziehbare Geschichten haben ihre Logik in der Kombination.
Abraham – Repräsentant Gottes, Montag, 1. November 2021, Abraham wird respektiert, weil Gott hinter ihm steht.
Abraham – Versöhnung am Grab, Montag, 6. Dezember 2021, Ismael und Isaak geben immer wieder Anlass für wilde Spekulationen und Theorien. Doch ein genaues Hinhören in die biblischen Texte lohnt sich.