Als erster Papst erinnerte Franziskus am Montag (31.10.16) in einem gemeinsamen Gottesdienst mit Lutheranern an den Beginn der Reformation vor 499 Jahren.
Der Pontifex setzt darauf, dass soziales Engagement und Säkularisierung die Konfessionen stärker einen.
Den Bewohnern Südschwedens war wohl nicht sonderlich historisch zumute. Nur zu zwei Dritteln besetzt war die Malmö Arena, gerade einmal 7000 Leute waren in die Eishockeyhalle gekommen, als dort am Montagnachmittag die Live-Übertragung aus dem Dom im nahen Lund begann. Die Nachfrage scheint zumindest in Schweden nicht so groß zu sein, wenn Kirchengeschichte geschrieben wird.
Alle beschworen das Verbindende. „Katholiken und Lutheraner„, sagte in Lund der katholische Kurienkardinal Kurt Koch, „umarmen einander als Schwestern und Brüder im Herrn“.
Nachdem der protestantische Bischof Munib Younan als Präsident des LWB Gott um Vergebung für die Trennungen der Vergangenheit und Gegenwart gebeten hatte, schloss ihn Franziskus in die Arme.
Da dürfte mancher Lutheraner im Dom insgeheim froh gewesen sein, dass 2013 Benedikt XVI. auf das Amt verzichtet hatte. Tief verärgert hatte der alte Papst doch die Protestanten, etwa als er ihnen das „Kirchesein im eigentlichen Sinne“ absprach.
Ganz anders im Ton nun Franziskus, der am Montag den Protestantismus lobte: „Dankbar erkennen wir an, dass die Reformation dazu beigetragen hat, die Heilige Schrift mehr ins Zentrum des Lebens der Kirche zu stellen„, sagte der Papst. Dankbar nämlich sei er „für die Anstrengungen vieler Brüder und Schwestern verschiedener kirchlicher Gemeinschaften, die sich mit der Spaltung nicht abgefunden haben“.
Wobei das Wort „kirchliche Gemeinschaften“ sehr wichtig ist – als Ersatz für „Kirchen“. Denn richtig echte Kirchen haben die Protestanten ja aus katholischer Sicht nicht. Benedikt hat das ganz hart gesagt, Franziskus deutet es dezent an, aber klar blieb in Lund wegen dieses Wortes „Gemeinschaften“: Es gab an diesem Tag keinen echten Kurswechsel auf katholischer Seite, keine ökumenische Sensation, keine theologische Kehrtwende. Aber sehr viele freundliche Worte gab es, keine abgrenzenden.
Vom „Gottesvolk, das sich von Natur aus nach Einheit sehnt“, sprach Franziskus und bezog dabei gleich Jesus Christus mit ein. Denn der habe „den sehnlichen Wunsch, dass alle, die an ihn glauben, eins seien“. Wer die Schuld hat, dass dem nicht so ist, vermied Franziskus auch nur anzudeuten – „allein Gott ist der Richter“.
In Richtung des Abendmahls weist auch die „Gemeinsame Erklärung„, die von LWB und Vatikan in langen Verhandlungen beschlossen und von Franziskus und Younan am Montag im Dom zu Lund unterzeichnet wurde. Diese Erklärung, die generell das Verbindende betont und das Trennende umschifft, wird in einem Punkt sehr konkret. Nämlich bei der Frage, was beim Abendmahl mit gemischt konfessionellen Ehepaaren sein soll. „Wir erleben die Not derer, die ihr ganzes Leben miteinander teilen, aber Gottes erlösende Gegenwart am Tisch der Eucharistie nicht miteinander teilen dürfen“, heißt es sehr deutlich in dem Text. Man trage gemeinsam „pastorale Verantwortung“ für diese Menschen, man sehne sich „nach der Heilung dieser Wunde im Leib Christi“ und fühle sich verpflichtet zum entsprechenden theologischen Dialog.
Gewiss, beschlossen ist bei diesem Thema gar nichts, nach wie vor darf die katholische Frau nicht mit ihrem evangelischen Mann zum lutherischen Abendmahl gehen, darf der Mann nicht mit seiner Frau zusammen zur Eucharistie.
Zum 500. Reformationsjubiläum rücken die beiden Konfessionen noch weiter von den Glaubensstreitern des 16. Jahrhunderts ab. Damals ging es ja um harte Theologie, um Sünde, um Rechtfertigung und Amtsverständnis, hingegen so gut wie gar nicht um Sozialarbeit. Heute hingegen steht diese karitative Tätigkeit bei den Kirchendisputen im Vordergrund. Faktisch ermöglicht somit die Säkularisierung ein stärkeres Zusammenwachsen von Protestanten und Katholiken: Man ist sich ganz und gar einig im sozialen Auftrag.
Die Glaubensfragen sind im säkulären Zeitalter eben nicht so wichtig. Das könnte allerdings auch einer der Gründe dafür sein, dass sich das Interesse der Südschweden an diesem Papstbesuch zu Beginn des Jubiläumsjahres in Grenzen hielt. mehr Informationen