Leshem ist Israeli, Eshrat gebürtiger Iraner. Trotz der Feindschaft zwischen ihren Heimatländern trafen die beiden jungen Schriftsteller in Berlin im Jüdischen Museum zusammen und suchten den Dialog.
Obwohl Leshem als Israeli nicht in den Iran reisen darf, beschreibt er in seinem Buch „Der geheime Basar“ Teheran außergewöhnlich detailliert, als sei die Stadt so etwas wie seine zweite Heimat. Wie er das zustande brachte, erklärte er am Dienstag im Rahmen der Jüdischen Kulturtage in Berlin. Er traf dort auf den Comicautor und Grafikdesigner Hamed Eshrat. Er hat die ersten sechs Jahre seines Lebens im Iran verbracht, bevor seine Familie vor dem Regime in Teheran fliehen musste. Heute lebt Eshrat in Berlin und hat einen Comic über seine Kindheit verfasst. „Tipping Point“, zu deutsch „Kaiserschnitt“. Der Dialog war eine Fortsetzung des iranisch-israelischen Schriftsteller-Zusammentreffens bei den Jüdischen Kulturtagen 2011.
Eines Nachts hat Leshem er einhundert Iranern Freundschaftsanfragen auf Facebook geschickt. Er habe sehen wollen, ob sie ihn als Israeli akzeptierten – und das taten sie. „Ich habe mir dann deren Fotoalben angeschaut und bei einigen gedacht: Dieser Mensch könnte mein bester Freund sein.“ Ihn faszinierte, was er bisher nicht wusste: Iraner lesen Harry Potter, sie trinken Alkohol und gehen am Wochenende feiern. Zugleich schockierten ihn die Nachrichten von Hinrichtungen wegen sexueller Unzucht. „Wie ähnlich Iraner und Israelis sich im Grunde sind, löste bei mir beides aus: Sorge und Freude“, sagte Leshem. Einen seiner Facebook-Freunde traf er schließlich in Paris und ließ sich den Iran und Teheran von ihm genau beschreiben. Das Buch „Der geheime Basar“ ist das Ergebnis dieses Dialogs.
Auch Hamed Eshrat kennt die Vielschichtigkeit des Iran. Obwohl er vor acht Jahren zum letzten Mal in seiner einstigen Heimat war, kann er Leshems Erzählungen nachvollziehen. Es gebe dort diesen strengen Konservativismus, aber auch Drogen, Partys und ungezügelte Sexualität. Eshrat nennt das „die Schizophrenie der iranischen Gesellschaft“. Er ist sich sicher, dass die Jugend im Iran resigniert. „Sie setzen sich über die Verbote hinweg, weil es für sie zu viel ist“, sagte er. Deshalb reise er selbst nicht mehr dorthin. „Man weiß nie, was nun eigentlich erlaubt ist und was nicht.“
Auch die Jugend in Israel habe sich aufgegeben, glaubt Leshem. Junge Israelis dächten, ihr Land existiere bald nicht mehr – entweder, weil es von außen angegriffen, oder weil es von innen vom religiösen Fundamentalismus aufgefressen werde: „Wir leben, als gäbe es kein Morgen. Und dabei tun wir uns selbst so Leid, dass wir uns nicht um den anderen kümmern.“ Als er einst seinem Freund in Paris ein Bild von Tel Aviv zeigte, sei dieser überrascht gewesen: Er habe sich Israel wie eine große Wüste vorgestellt. Da habe Leshem festgestellt: „Wir haben doch alle eine Gehirnwäsche hinter uns.“