Die Türkei wandelt die weltberühmte Hagia Sophia in Istanbul schrittweise wieder in eine Moschee um. Dahinter steckt politisches Kalkül von Präsident Erdogan.
Am Samstag hat erstmals seit 85 Jahren ein Imam vom Inneren des riesigen Gotteshauses zum Morgengebet aufgerufen, live übertragen vom türkischen Staatsfernsehen. Auch der Leiter der mächtigen Religionsbehörde Diyanet befand sich unter den Gläubigen.
Entsprechend groß ist die Erwartung unter den türkischen Muslimen, dass die Uhr nun nicht mehr zurückgedreht wird. Mehr als 900 Jahre lang war die Hagia Sophia die Kathedrale von Byzanz, die Kirche des „zweiten Roms“. Seit der Eroberung Konstantinopels durch die Muslime diente sie 481 Jahre lang als Moschee. Bis Kemal Atatürk kam, der Gründer der türkischen Republik, der Staat und Religion trennte. Aus der Hagia Sophia wurde 1935 ein Museum, für das Besucher aus aller Welt Eintritt zahlten und in dem fortan weder Christen noch Muslime beten sollten.
Die Wiederbenutzung der Hagia Sophia als Moschee, so lassen Erdogans Gefolgsleute in Partei und Medien verstehen, ist nun so etwas wie die zweite Eroberung Konstantinopels: der Sieg der „neuen Türkei“ Erdogans über die säkulare Republik.
Den ersten Schritt zur Umwandlung der Hagia Sophia hatte die türkische Führung schon zu Beginn des Fastenmonats Ramadan im Juni unternommen, als sie erstmals wieder unter der Kuppel der Kirchenhalle aus dem Koran lesen ließ.
Erdogan lässt derzeit seine eigene Moschee bauen, auf dem Camlica-Hügel auf der asiatischen Seite des Bosporus – noch höher und noch größer als die Hagia Sophia.
Es wird eine Moschee der Superlative stehen. Mit Platz für bis zu 50.000 Menschen. Sie soll die höchsten Minarette der Welt bekommen, vier Stück – jeweils 107,1 Meter hoch.
Das gigantische Gotteshaus ist Erdogans Lieblingsprojekt. Sein Vorbild ist Sultan Süleyman aus dem 16. Jahrhundert, dessen Bauten Istanbul bis heute prägen. Die neue Großmoschee wird die erste auf der anatolischen Seite sein, weithin sichtbar, ein Symbol für Erdogans Türkei.
Der Berliner Islamwissenschaftler Christian Saßmannhausen ist skeptisch, ob eine schleichende Umwandlung der berühmten Hagia Sophia in Istanbul zu einer Moschee so einfach umzusetzen sei. „Dass es wieder zur Moschee wird, bedarf einer Inbesitznahme„, sagte Saßmannhausen im Deutschlandradio Kultur. Es gebe zwar keine Weihe wie im Christentum, aber es sei zunächst eine Form der Reinigung nötig, um sich der Innenräume zu bemächtigen.
Der Islamwissenschaftler erinnerte an die freigelegten christlichen Mosaiken, die figürlich seien, und mit einer Nutzung als Moschee unvereinbar sind. Die Mosaike müssten verdeckt oder übertüncht werden, was für die Unesco und den Status der Hagia Sophia als Weltkulturerbe sicher problematisch wäre.
Die Osmanen hätten einst mit der Umwandlung in eine Moschee an einem sehr zentralen Ort ein Zeichen für die Eroberung gesetzt. Der Staatsgründer der neuen Republik Mustafa Kemal Atatürk habe die Umwandlung in ein Museum genutzt, um mit dem osmanischen Erbe zu brechen und der neuen laizistischen Ausrichtung Ausdruck zu verleihen. Von daher sei es ein sehr symbolträchtiger Ort, der nun erneut in die Debatte geraten sei. mehr Informationen
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