Als Israels Staatspräsident Reuven Rivlin vor einem Jahr beklagte, Israels Bevölkerung zerfalle in vier „Stämme“, die in Parallelwelten lebten, war der Aufruhr groß. Doch jetzt belegt eine neue Studie des renommierten amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research genau diese These.
Die Gräben im Heiligen Land verlaufen nicht nur zwischen Juden, Christen, Muslimen und Drusen, sondern auch unter der jüdischen Bevölkerung.
Sakulare, Traditionelle, Religiöse und Ultraorthodoxe Juden
Die Forscher unterschieden innerhalb der jüdischen Bevölkerung zwischen säkularen Juden (Hilonim heißen sie auf Hebräisch) und ultraorthodoxen, die sich selbst Haredim nennen, „die vor Gott zittern“. Nach dem Grad der Frömmigkeit liegen zwischen diesen Polen zwei weitere Gruppen, die sogenannten religiösen Juden und die noch liberaleren „Traditionellen„.
Manchmal sind die Angehörigen dieser jüdischen Gruppen einander fremder als Menschen anderen Glaubens. So äußerten vier von fünf säkularen Israelis Unbehagen über die Vorstellung, ihr Kind könne einen Christen heiraten. Einen ultraorthodoxen Lebenspartner für ihre Kinder lehnten indes 93 Prozent der säkularen Eltern ab. Ähnlich sehen es die Angehörigen anderer Religionen: Alle lehnten zu rund 85 Prozent Mischehen ab – egal, ob mit Muslimen, Christen oder Angehörigen anderer jüdischer Glaubensrichtungen.
Neun von zehn ultraorthodoxen Juden wollen, dass Israels Gesetzgebung jüdischen Glaubensregeln untergeordnet wird, ähnlich wie die Muslime, von denen 58 Prozent am liebsten die Scharia im Judenstaat einführen würden. Auch 55 Prozent der Christen würden das Gesetzbuch durch das Neue Testament ersetzen. Säkulare Israelis indes wollen zu 90 Prozent an demokratischen Prinzipien festhalten. Diese Weltanschauungen werden kaum infrage gestellt, weil die verschiedenen Gruppen kaum Kontakt zueinander haben: 98 Prozent der Juden, 85 Prozent der Muslime und 86 Prozent der Christen sagten aus, dass alle oder die meisten ihrer Freunde zur ihrer eigenen Konfession gehören.
45 Prozent haben ihre Wurzeln in Europa, gelten also als aschkenasische Juden, Sepharden mit Vorfahren in arabischen Staaten machen 48 Prozent der jüdischen Bevölkerung aus. Auch 68 Jahre nach der Staatsgründung bestehen erhebliche Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Zwei Drittel der Aschkenasen sind Atheisten oder Agnostiker. Etwa der gleiche Anteil der sephardischen Juden bekenne sich zum Glauben an Gott. Eine Mehrheit (56 Prozent) der Sepharden betrachtet das Judentum vor allem als Religion, während 66 Prozent der Aschkenasen in erster Linie von einer Kultur oder einer ethnischen Abstammung sprechen.
Die europäischstämmigen Juden haben im Durchschnitt eine weitaus höhere akademische Bildung und tendieren politisch eher nach links. Sie halten also eher an der Hoffnung auf eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt mit den Palästinensern fest und sprechen sich gegen die Ausweisung von Arabern aus. Eine Mehrheit von 78 Prozent der orientalischen Juden sind überzeugt, dass Gott Israel den Juden versprochen hat. Nur die Hälfte der Juden europäischer Herkunft hält sich zu Hause an die Speisegesetze der Kaschrut, bei den Sepharden sind es 83 Prozent.