Der dunkelhaarige, eher unauffällige Mann geht systematisch vor. Er hat einen Stadtplan und eine Lageskizze in der Hand, seine Einsatzorte sorgfältig mit grünem Leuchtstift markiert. Mit dem Rad fährt er die geplante Strecke ab, Stifte jedweder Farbe und Klebezettel hat er ausreichend dabei. Dann macht er sich an die Arbeit. Die Litfaßsäule nahe der Ringkirche, an der Ecke Klarenthaler / Marcobrunner Straße wird bis zur erreichbaren Höhe mit Bibelsprüchen beschriftet.
Der mittlerweile schwarze Untergrund stört ihn nicht: Er hat dafür einen Silberstift dabei. Der Schmierer, der stadtbekannte Oliver D. (47), lässt sich dabei nicht stören. Auf Ansprachen reagiert er nicht. Er schreibt unverdrossen weiter. Bis die Polizeistreife ihn stoppt und ihm die Stifte abnimmt.
Eine Maßnahme, die ihn laut Polizeisprecher Markus Hoffmann aber nur für kurze Zeit aufhält. Oliver D., der auch gerne seine Adresse in der Sooderstraße unter die Kritzeleien setzt und sich selbst als „Jesus“ bezeichnet, ist in seinem missionarischen Eifer nicht wirklich zu bremsen. Getrieben von einer wahnhaften Erkrankung, die ihn zum Täter macht und gleichzeitig vor Verfolgung schützt.
Oliver D. fällt durch alle Raster der Strafverfolgung, aber auch der zivilrechtlichen Gerichtsbarkeit. Wegen Schizophrenie ist er als schuldunfähig eingestuft, Schadenersatzforderungen scheitern an seiner Mittellosigkeit. Da eine Eigen- und Fremdgefährdung ausgeschlossen werden kann, hat man keine Handhabe, ihn festzusetzen. Ebenso wenig kann er eingewiesen werden, etwa für eine stationäre Behandlung. Und die Einsicht, eine Betreuung zuzulassen, ist erst recht nicht vorhanden. Das Rechtsamt hat alle Varianten geprüft und Probleme mit der Gesetzeslage gesehen.
Das Treiben des „Sooderstraßen-Jesus“ richtet indessen immense Schäden an, wie Frauke Bank berichtet, Leiterin der Unternehmenskommunikation der Wall AG. Die Berliner Firma hat mit der Stadt den Exklusiv-Werbevertrag in Millionenhöhe geschlossen und muss nun erleben, wie ihr in Wiesbaden pro Monat Schäden in Höhe von rund 20.000 Euro zugefügt werden. Die Wall AG hat nun reagiert. Ein privater Sicherheitsdienst ist unterwegs, die Anlagen zu schützen. Das nutze, koste aber auch um die 20.000 Euro im Monat.