„Good Morning America“-Anchorfrau Robin Roberts hat das Exklusivinterview des Jahres mit US-Präsident Barack Obama gelandet. Der sagte ihr, was vor ihm noch kein US-Präsident je gesagt hatte: Er sprach sich für die gleichgeschlechtliche Ehe aus.
In dem Gespräch berichtete Obama von Schwulen und Lesben in seinem Freundeskreis, von schwulen Mitgliedern seines Stabs, „die gemeinsam Kinder großziehen“, von schwulen Soldaten, „die in meinem Namen kämpfen“. Und dann, am Ende eines typischen Bandwurmsatzes, sprach er die historischen Worte: „Für mich persönlich ist es wichtig, voranzugehen und zu bekräftigen, dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten können sollten.“
Was in Europa nur Schulterzucken verursacht, ist in Amerika ein politisches Erdbeben, das die Landschaft umkrempelt.
Noch vor kurzem wäre Obamas Bekenntnis politischer Selbstmord gewesen. Trotzdem wittert auch Obama den Wind des Wandels. Er hat sich mit einem Schlag zurück an die Spitze der US-Bürgerrechtsbewegung gesetzt.
Über Nacht hat Obama das Reizthema Homo-Ehe zum Top-Wahlkampfthema erhoben. Sein Rennen gegen den Republikaner Mitt Romney ist ab sofort auch ein landesweiter Kulturkrieg. Ein gewagtes Manöver in einer Nation, die in dieser Frage gespalten bleibt – entlang altbekannter Fronten: Nordstaaten (pro) gegen Südstaaten (contra), Junge (pro) gegen Alte (contra), Linke (pro) gegen Rechte (contra).
Als Präsidentschaftskandidat 2008 war er noch gegen die Ehe von Schwulen oder Lesben. Seine Meinung habe er nun aber „über mehrere Jahre hinweg“ angepasst: „Geh mit anderen so um, wie du möchtest, dass sie mit dir umgehen“, sagte er und verwies im selben Satz auf „Christus, der sich für uns opferte“ ein Wink in Richtung all jener Amerikaner, die die gleichgeschlechtliche Ehe unter Berufung auf die Bibel strikt ablehnen.
Das ist auch ein politischer Schachzug. Jetzt heißt es im Weißen Haus, das Risiko lohne sich: Er gewinne hiermit mehr Stimmen, als er verliere.