Der 19 Jahre alte Jurastudent Muhammad Halabi veröffentlichte auf Facebook: „Die dritte Intifada hat begonnen.“ Wenige Stunden später erstach er zwei Rabbiner in der Altstadt Jerusalems. Er verletzte eine Frau und schoss mit der Pistole von einem seiner Opfer ins Bein von einem Kleinkind, ehe er selber getötet wurde.
Palästinenser bezeichnen dies als „legitimem Widerstand“ gegen die Besatzung. Es sind bis jetzt individuelle Anschläge von vorwiegend Jugendlichen. Der Jüngste der Messerstecher war gerade mal 13 Jahre alt.
Israelis haben unterschiedliche Bezeichnungen für die derzeitige „Terrorwelle“. Politiker warnen: „Wer eine 3. Intifada entfacht, erhält eine 2. Operation Schutzschild“. Damit ist ein militärischer Einmarsch in die palästinensischen Städte im Westjordanland gemeint.
Niemand hat ein Interesse an einer Eskalation. Deshalb werden Steinwürfe als „öffentliche Ruhestörung“ bezeichnet und Anschläge als „Terror von einsamen Wölfen“. Israelische Militärs und Sicherheitskräfte vermeiden tunlichst das Wort „Intifada“.
Einzelne Terroranschläge hat es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben, mit Bulldozern, mit Äxten bei Angriffen auf Synagogen, „Überfahranschläge“ mit dem Auto und vieles mehr. Der jetzige Zustand unterscheidet sich in der Häufigkeit der Attentate.
Was ist eine „Intifada“
Die erste Intifada war ein populärer spontaner Aufstand, zunächst gegen die im tunesischen Exil sitzende PLO-Führung. Die Wut, ausgelöst durch einen Autounfall im Dezember 1987, entlud sich vor allem mit Steinwürfen gegen Israelis.
Die zweite „Al-Aksa-Intifada“ brach Ende September 2000 aus, nachdem im Juli der Camp-David-Gipfel zur Beilegung des Konflikts an einer totalen Verweigerung Jasser Arafats gescheitert war. Es folgte ein extrem blutiger „Krieg“ gegen Israel, bei dem Selbstmordattentate eine Hauptwaffe waren. Dieser Aufstand unterschied sich von der ersten Intifada dadurch, dass die großen Parteien, Hamas und Fatah, sowie palästinensische Führer wie Arafat persönlich den blutigen Kampf lenkten und finanzierten.
Bei der jetzigen Terrorwelle handelt es sich weder um einen populären Aufstand der gesamten palästinensischen Bevölkerung, noch um einen von oben gelenkten Krieg. Vielmehr schlagen überwiegend Einzeltäter zu, meist junge Palästinenser, die zwischen 18 und 20 Jahre alt oder jünger sind. Sie gehen auf die Straße, werfen Steine, provozieren israelische Sicherheitskräfte und betrachten es als Heldentum, dabei getötet zu werden.
Geschürt werden solche Aktionen durch das Gerücht, wonach Israel plane, die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem zu zerstören, um dort einen „Dritten Tempel“ zu errichten.
Bemerkenswert ist hier, dass mit solchen Motiven schon 1929 der später mit Hitler verbündete Mufti Hadsch el-Amin el-Husseini blutige Pogrome gegen Juden in Jerusalem, Hebron , Saffed und anderswo ausgelöst hat. Es ist kein Zufall, dass Jasser Arafat mit dem gleichen Motiv den bewaffneten Aufstand ab September 2000 anfeuerte und von einer „Al-Aksa-Intifada“ sprach. Interessant ist, dass die Al-Aksa-Moschee eigentlich gar nicht auf dem Tempelberg, sondern im Anbau von Herodes steht.
Israels Sicherheitskräfte tun sich schwer, diese „Terrorwelle“ effektiv zu bekämpfen, weil es sich meist um Einzeltäter handelt. Als effektiv und lebensrettend hat sich bereits der Beschluss erwiesen, Abgängern von Kampfeinheiten der Armee und Sicherheitsleuten zu erlauben, auch in ihrer Freizeit Schusswaffen zu tragen. Die Nervosität, Angst und das Gefühl der persönlichen Unsicherheit in Jerusalem nehmen von Tag zu Tag zu.
Was wäre eine Alternative? Ein Abzug aus jeglichem „besetzten Gebieten“ inklusive Ostjerusalem und die Errichtung eines Palästinensischen Staates? Müssten dann im Gegenzug alle arabischstämmigen Leute aus Israel nach Palästina umgesiedelt werden? Der Abzug aus dem Gazastreifen hat gezeigt, dass dies wahrscheinlich nur den nächsten Krieg auslösen würde – dann mit klaren Fronten.