Dass die Dinge in Palästina oft anders dargestellt werden, als sie sind, weiss jedes Kind. Fatah und Hamas beschwören ihre unverbrüchliche Einigkeit – in Wirklichkeit sind sie sich spinnefeind.
Die Beendigung der Sicherheitszusammenarbeit mit Israel sei beschlossene Sache, sagt der PLO-Chefunterhändler Erekat – die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel geht weiter. Mit einer Prise Skepsis nahm man deshalb zur Kenntnis, dass der Palästinenserpräsident Abbas Mitte Juni in Ramallah verkündete, die Regierung der Nationalen Einheit unter Ministerpräsident Hamdallah werde in den nächsten 24 Stunden zurücktreten. Doch so geschah es. Rami Hamdallah, Chef des Anfang Juni 2014 gebildeten Kabinetts von Fatah und Hamas, reichte seinen Rücktritt ein. Abbas akzeptierte und beauftragte ihn umgehend mit der Bildung einer neuen Regierung. Als diese dann Anfang August vereidigt wurde, war allerdings rasch klar, dass es sich wohl eher um eine Umbildung als um eine Auflösung handelte, denn 19 Minister behielten ihre Posten, nach einem Bericht der NZZ.
Wie zu hören ist, soll zumindest formell der Anspruch auf so etwas wie einen Konsens zwischen Fatah und Hamas aufrechterhalten bleiben. Die «Einheitsregierung» (die es praktisch nie gab) aber ist definitiv tot, und die Hamas hat das neue Gebilde bereits mit harter Kritik eingedeckt. Sami Abu Zuhri, ein Hamas-Sprecher, sprach von einem «verfassungswidrigen» Akt Abbas‘ und einem «Coup» gegen die palästinensische Einheit.
Der Graben zwischen Fatah und Hamas hat sich also weiter vertieft, und nach wie vor geht es bei dem Zwist primär um die explosive Mischung aus Geld und Macht. Die Hamas pocht darauf, dass Ramallah die Löhne der Beamten im Gazastreifen bezahlt, gleichzeitig aber die Hamas respektiert. Weil kein Geld aus Ramallah kommt, hat die Hamas begonnen, in Gaza selber Steuern einzuziehen. Das erzürnt die Fatah. Umso wichtiger ist es für beide Seiten, zumindest rhetorisch Gemeinsamkeit zu markieren. Das wichtigste Projekt ist der Vertrag vom vergangenen September, in dem Fatah und Hamas feierlich gelobten, die Verwaltung des Gazastreifens und damit den Wiederaufbau in Gaza der Palästinenserbehörde in Ramallah zu unterstellen. Dieser Vertrag ist weiter in Kraft. Faktisch ist das zwar widersinnig, denn Ramallah hat in Gaza nichts zu sagen. Doch zumindest zuhanden der «Weltgemeinschaft» sind solche Behauptungen stets nützlich, denn wenn sich Gaza und Ramallah «einig» sind, wird freizügiger gespendet.
Gewisse Araber meinen die Neubildung sei das Resultat israelischer Bemühungen und implizieren damit, dass die Palästinenser leicht steuerbare Marionetten sind. Israel sieht sich, umgeben von muslimischen Staaten, in schwieriger Lage. Aber es gibt positive Tendenzen. Jordanien ist ein verlässlicher Partner. An der libanesischen Grenze ist die Lage angespannt, doch der Hisbollah ist derzeit an einem weiteren Waffengang nicht interessiert. Und mit Ägypten könnte die Beziehung besser nicht sein. Nie war die Sicherheitszusammenarbeit intensiver.
Die Hamas ist der nationalen Sache verpflichtet, nicht dem internationalen Jihad. Die Hamas legt keine Bomben in Paris oder London. Ägypten, dem Land der Muslimbrüder, fühlt man sich freundschaftlich verbunden. Auch zu Teheran, dem ganz grossen Feind des Islamischen Staates, pflegt Gaza gute Beziehungen. Von den jihadistischen Gruppen fühlt sich die Hamas hingegen bedroht, und zwar mit gutem Grund. Der IS hat verkündet, er werde die Hamas stürzen, da sie die Scharia nicht durchsetze und überhaupt zu gemässigt sei.
Dass Israel und die Hamas sich nicht nur beschimpfen und beschuldigen, sondern auch intensiv miteinander reden, ist längst kein Geheimnis mehr. In Katar werden seit Wochen die Chancen eines temporären Waffenstillstands ausgelotet. In den letzten Tagen meldeten diverse israelische Medien, man stehe kurz vor einem Durchbruch.
Israel und die Hamas sind interessiert daran, einen weiteren Waffengang zu vermeiden. Israel befürchtet natürlich, dass die Hamas eine so gewonnene Freiheit umgehend zur Vorbereitung des nächsten Krieges nützt. Das ist der Grund dafür, dass die Gespräche so schleppend verlaufen.
Viele Beobachter sehen im Entscheid Abbas, die Einheitsregierung aufzulösen, denn auch nichts anderes als eine frustrierte Reaktion auf die Gespräche in Katar.
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