Recep Erdogan strebt eine neo-osmanische Außenpolitik an. Dafür ist ihm jedes Mittel recht – vor allem der Israelhass.
Schaut man sich die Einstellungen der türkischen Bevölkerung an, kommt man zu dem Schluss: Das Land verliert seine Westbindung und driftet gen Orient. Der Westen wird mit Angst und Misstrauen gesehen. Besonders die Islamisten haben den Eindruck eines islamischen „wir“ befördert, das gegen ein westliches „die“ steht. Zu dieser Mentalität gehört die Vorstellung, dass Muslimen überall in der Welt Unrecht durch den Westen widerfahre. Sie glauben, dass sie den Islam vor den Angriffen der christlichen Missionare und ihrer jüdischen Alliierten im Nahen Osten und zu Hause beschützen müssen.
Die Türkei orientiert sich neu nach Osten aus kulturellen Gründen, aber auch aus strategischen. Im Nahen Osten hat Ankara wenig Konkurrenten. Allerdings ist das kurz vor der Atombombe stehende Teheran ein ernst zu nehmender Rivale.
Erdogan weiß, dass die Türken nicht unbedingt geliebt werden in Arabien, weil die Erinnerung an die osmanische Besatzung noch lebendig ist. Aber er hat während seiner ersten Zusammenstöße mit Israel 2008 eine prägende Erfahrung gemacht: Es gibt kein besseres Instrument als den Konflikt mit Israel, um auf der arabischen Straße populär zu werden. Alte Herrscherdynastien und Allianzen lösen sich auf in Nahost. Die Region wird formbarer als sie je nach dem Zweiten Weltkrieg war. In Ankara hat man erkannt: Da geht was. Derweil ist Europa vor allem mit sich selbst beschäftigt.
Erdogan offeriert den antiisraelischen Strömungen einen Jungbrunnen und neuen Fixpunkt. Dazu kommt ein attraktives Gesellschaftsmodell für eine arabische Jugend, die ihre Diktaturen überwinden will, die aber mit dem forcierten Säkularismus europäischer Nationen wenig anfangen kann.
Europa träumt immer noch davon, dass die Türkei als Brücke in den Orient dienen könnte. Tatsächlich wird die Türkei gerade zum strategischen Konkurrenten, die ihre Mischform aus Islam und westlicher Demokratie nicht nutzen will, um den Einfluss des Westens in der islamischen Welt zu fördern, sondern um selbst in das Vakuum zu stoßen
Das Verheerende an der neuen türkischen Außenpolitik ist aber, dass sie mit ihrer Israelhetze die alten Obsessionen der arabischen Welt neu entfacht. Und das in einem Moment, in dem die dortigen Gesellschaften gerade dabei waren zu erkennen, dass ihre Diktatoren den Konflikt mit Israel nur zur Festigung der eigenen Sicherheitsregime benutzt hatten. Erdogan versucht, die Macht der Türkei zu mehren, indem er die alten Dämonen weckt. Das aber weist nicht in die Zukunft, sondern zurück in eine konfliktreiche Vergangenheit.