Auszug aus dem Blog von Uri Russak
»Es ist ein Teufelskreis aus Hass und Angst, der in der Region herrscht. Die Menschen hassen, weil sie sich voreinander fürchten. Und das lähmt uns so sehr, dass niemand einen Schritt in Richtung Frieden wagt«, bringt der ägyptische Friedensaktivist Ali Salem (75) das Problem auf den Punkt. Er selbst sei auch nie frei gewesen von diesem Hass, doch schließlich wagte er 1994 den Schritt und besuchte das dämonisierte Nachbarland.
Sein veröffentlichter Bericht im Anschluss an die Reise »Eine Reise nach Israel« sorgte für Furore unter arabischen Intellektuellen. In Kontakt mit dem zionistischen Feind zu treten war ein Tabubruch. Doch für Ali Salem war das erst der Beginn seines anhaltenden Engagements für Versöhnung und Annäherung in der Region, das ihm im Jahr 2001 den Ausschluss aus dem ägyptischen Schriftstellerverband bescherte.
Dabei scheint es, dass der eigentliche Skandal nicht in der Botschaft Salems liegt, denn seine Erkenntnis ist zu einfach: »Seht her, ich war in Israel und habe gesehen, dort leben Menschen wie du und ich. «Unterhaltsam, spannend und tiefgründig setzt er sich mit seinen ganz persönlichen Erfahrungen sowie den verbindenden Elementen beider Länder und Kulturen auseinander. Allein der Umstand, als Intellektueller das ungeschriebene Gesetz gebrochen zu haben, keinerlei offiziellen Kontakt mit Israel aufzunehmen, wurde ihm zum Stigma.
Sein Bericht erlangte Bestsellerstatus in Ägypten, über 60.000 verkaufte Exemplare zeugen vom herrschenden Interesse, über das kleine Nachbarland mehr als die gängigen Vorurteile zu erfahren. Damit kam Salem denjenigen, die an den Feindbildern festhalten, um ihre eigene Politik zu rechtfertigen, zwangsweise in die Quere. »Ich werde beschuldigt, 3000 junge Ägypter nach Israel gelockt zu haben. Für viele junge Menschen war das Buch wie eine goldene Einladung«, merkt er augenzwinkernd und mit einem gewissen Stolz an.
Ergänzt durch aktuelle Beiträge ist Ali Salems »Ein Ägypter zu Besuch: Eine Reise nach Israel« nun auf Deutsch im AphorismA Verlag erschienen.
Doch die Zeiten sind andere und sie gehen auch an Ali Salem nicht spurlos vorüber. Die Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts sei gering wie nie, meint er bei seinen Auftritten in Deutschland.
Ali Salem erhielt 2008 den Zivilcourage-Preis der amerikanischen »Train Foundation«, im Jahr 2005 wollte ihm die Universität von Beer Sheva die Ehrendoktorwürde verleihen. Damals hinderten ihn die ägyptischen Behörden an der Ausreise nach Israel.
Salem gibt einen wöchentlich erscheinende Zeitungskolumne heraus, mit denen er immer noch viele junge Ägypter erreicht.
Die Jugend ist seine Zielgruppe und vielleicht auch seine letzte Hoffnung. Dennoch schimmert in Salems Kommentaren hin und wieder durch, dass er nicht mit allem einverstanden ist, was auf dem Tahrir-Platz ins Rollen gebracht wurde und wird. Und mit sorgenvollem Blick nach Syrien meint er: »Man muss das Leben lieben, um Frieden zu schaffen. Ich sehe nur, wie Leben im Nahen Osten vernichtet wird.«