Gekürzte Fassung von einem Bericht von Matti Friedman (englisch) übersetzt von Alan Posener
Im Nahost-Konflikt sind die Rollen klar verteilt: Hier die friedlichen Palästinenser, dort die bösen Israelis. Die Hamas hat es geschafft, uns Reporter zu manipulieren.
Während des letzten Gaza-Kriegs wurde deutlich, dass einer der wichtigsten Aspekte des mediengesättigten Konflikts zwischen Juden und Arabern am wenigsten thematisiert wird: die Rolle der Medien selbst. Die westliche Presse ist weniger Beobachter als Teilnehmer des Konflikts. Das hat Konsequenzen für Millionen Menschen, die sich bemühen, die Ereignisse zu verstehen; auch für die Politiker, die sich auf journalistische Berichte verlassen, um eine Region zu verstehen, in die sie sich ständig, wenn auch ergebnislos, einmischen.
Die Medien haben eine grob vereinfachte Geschichte geschaffen – eine moderne Moritat, in der Israels Juden als Exempel moralischen Versagens hingestellt werden. Dieses Muster hat tiefe Wurzeln in der westlichen Kultur.
Es gibt banale Erklärungen für fehlerhafte Berichterstattung. Reporter haben es eilig, Redakteure sind überarbeitet und abgelenkt. Übertreibungen und Auslassungen, heißt es, seien nicht zu vermeiden, wenn man aus einer schwierigen und zuweilen gefährlichen Gegend berichtet. Das habe ich zunächst auch geglaubt. Nach einigen Jahren bei der Associated Press (AP) habe ich meine Meinung geändert.
Will man die Nachrichten aus Israel verstehen, muss man begreifen, dass man aus den internationalen Medien über Israel sehr wenig, dafür aber sehr viel über Journalisten erfahren kann. Sie bewegen sich in einem bestimmten Milieu, tauschen Informationen aus und lesen sich gegenseitig. Den Journalisten werden soziale Kontakte, Liebespartner und berufliche Alternativen geboten.
Während meiner Arbeit als Journalist erfuhr ich, dass unser Verhältnis zu diesen Gruppen mit Journalismus nichts zu tun hat. Meine Kollegen und ich haben diese Gruppen nicht analysiert, geschweige denn kritisiert. In diesen Kreisen ist eine Abneigung gegen Israel nicht nur akzeptabel, sondern so etwas wie eine Voraussetzung für eine Mitgliedschaft. Journalisten, die in Israel gerade angekommen und desorientiert sind, werden in diesen Kreisen rasch sozialisiert. So erhalten sie nicht nur Freunde und Quellen, sondern eine fertige Rahmenerzählung für ihre Berichterstattung, die es ihnen ermöglicht, aus komplexen Ereignissen eine einfache Story zu basteln, in der die Guten den Frieden wollen, der Böse ihn jedoch ablehnt. Die Informationen, die du brauchst, also: israelkritische Informationen, haben schon israelische Journalisten oder NGOs für dich zusammengestellt.
Die internationalen Organisationen in den palästinensischen Gebieten sind größtenteils Fürsprecher der Palästinenser, und ein Großteil der Presse hat ebenfalls diese politische Rolle übernommen.
Nach dem Gaza-Krieg 2008/09 wollte ich über die NGO Human Rights Watch schreiben. Deren Arbeit über Israel war gerade vom eigenen Gründer, Robert Bernstein, öffentlich kritisiert worden. Verglichen damit war mein Artikel eher sanft. Aber ich verstand noch nicht, wie die Dinge hier funktionieren. Die Redakteure bei AP ließen die Geschichte sterben. Etwa um diese Zeit kämpfte eine Jerusalemer Gruppe namens „NGO Monitor“ gegen die Verurteilung Israels durch internationale Organisationen. Sicher, die Truppe war entschieden israelfreundlich und keineswegs neutral, doch hätte ihre Parteilichkeit in unseren Artikeln ein Gegengewicht bilden können zu den Behauptungen der NGOs, Israel habe „Kriegsverbrechen“ begangen. Doch hatten wir explizite Anweisungen der AP, niemals diese Gruppe oder ihren Direktor, Professor Gerald Steinberg, zu zitieren. In der gesamten Zeit, in der ich mich als Journalist der AP in einem Konflikt voller Spinner, Bigotter und Killer bewegte, war dieser in Amerika aufgewachsene Professor der einzige Mensch, gegen den ein Interviewverbot ausgesprochen wurde.
Die meisten Konsumenten der Israel-Story wissen nicht, wie die Geschichte entsteht. Hamas schon. Seit ihrer Machtübernahme in Gaza 2007 haben die Islamisten begriffen, dass viele Reporter einem Narrativ verpflichtet sind, in dem die Israelis die Unterdrücker und die Palästinenser die passiven Opfer mit gemäßigten Zielen sind, und dass sie kein Interesse an Informationen haben, die dieser Erzählung widersprechen.
Die Manipulation der Medien durch die Hamas wird durch den alten Journalisten-Grundsatz unterstützt, dem zufolge Reporter nicht über die Anwesenheit von Reportern berichten sollten. In unserem Konflikt erfordert die Befolgung dieses Grundsatzes große Anstrengungen. Gibt es irgendwo in Israel oder den Palästinensergebieten Proteste, sind gleich so viele Fotografen zur Hand, dass die größte Herausforderung darin besteht, die Kollegen aus dem Bild zu kriegen. Dass die Anwesenheit der Fotografen genauso Teil der Geschichte ist wie die der palästinensischen Protestierer oder der israelischen Soldaten, scheint niemandem einzufallen.
Die Strategie der Hamas besteht darin, hinter einem Schutzschild palästinensischer Zivilisten Israel anzugreifen, wodurch israelische Gegenangriffe provoziert werden, die Zivilisten töten. Die Opfer werden dann von einem der größten Pressekontingente der Welt gefilmt. Hamas weiß, dass die Empörung im Ausland Israel die Hände bindet. Diese Strategie ist so brutal wie effektiv. Sie funktioniert aber nur, weil die Journalisten mitmachen.
Ein großer Teil des Pressejobs in Gaza wird ohnehin von örtlichen Organisatoren, Übersetzern und Reportern erledigt, die sich verständlicherweise nie trauen würden, der Hamas Ärger zu bereiten. Die Presse spielte ihre Rolle nach einem von der Hamas geschriebenen Drehbuch: Die bewaffneten Formationen der Hamas verschwanden. Ebenso die Charta der Hamas, die zum Mord an den Juden aufruft. Und die Raketen, die auf israelische Städte fielen, waren ja harmlos.
Hamas begriff, dass die Journalisten nicht nur die von der Hamas – via UN oder das „Gesundheitsministerium von Gaza“ – übermittelten Zahlen über getötete Zivilisten als Tatsache schlucken, sondern auch in den Mittelpunkt ihrer Berichte stellen würden.
Die Mitarbeiter der AP sahen, wie direkt neben ihrem Büro eine Rakete abgefeuert wurde, was sie selbst und andere Zivilisten gefährdete – doch AP hat darüber nicht berichtet. Hamas-Kämpfer stürmten das AP-Büro in Gaza und bedrohten die Mitarbeiter – doch AP hat darüber nicht berichtet. Kameraleute vor dem Eingang zum Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt filmten die Ankunft ziviler Opfer, schalteten jedoch auf das Zeichen anwesender Funktionäre hin die Kameras ab, wenn verwundete oder tote Kämpfer gebracht wurden. So konnte Hamas die Illusion aufrechterhalten, nur Zivilisten würden sterben.
Was uns immer bewusst sein muss: Jede Berichterstattung ist subjektiv. Es ist die Verantwortung von jedem Leser durch Berichte aus unterschiedlichen Quellen eine eigene Meinung zu bilden.