Wenn die Kalifatskrieger des Islamischen Staates (IS) eine Stadt erobert haben, gehen sie zielstrebig und ohne Zeit zu verlieren vor. Sie konfiszieren die Banktresore; sie belohnen die siegreichen Kämpfer mit Mädchen und jungen Frauen, die sie in den Häusern der Ungläubigen eingesammelt haben; sie erschiessen, köpfen, kreuzigen deren Ehemänner, Brüder, Väter; und sie exekutieren zu Hunderten die Soldaten der gegnerischen Armee, denen die Flucht nicht mehr gelang.
Es scheint so, als würden sie einem gut einstudierten Drehbuch folgen. Dieses Skript existiert tatsächlich: «The Management of Savagery» (Die Verwaltung der Barbarei), ein Buch verfasst von Abu Bakr Naji, einem mutmasslichen Ägypter und ehemaligen Chefdenker von al-Qaida. Die 2004 online auf Arabisch («Edarat al-Wahsh») erschienene und 2006 auf Englisch übersetzte Schrift ist ein trockenes Strategiehandbuch für Jihadisten, ein nüchternes intellektuelles Manifest zur islamischen Welteroberung.
Auf erschreckend genaue Weise nimmt es das Handeln des IS in Syrien und dem Irak vorweg, aber auch dasjenige anderer Trupps wie Boko Haram in Nigeria oder vieler Einzeltäter.
Osama bin Laden hatte noch darüber spekuliert, dass einige spektakuläre Anschläge die Amerikaner als Anführer der «Ungläubigen» in eine politische Krise stürzen und letztlich den Verlust ihrer globalen Dominanz herbeiführen würden. Die entschlossene und harte Reaktion des «grossen Satans» auf die Attentate vom 11. September 2001 aber zeigte, dass man sich verschätzt hatte. Naji entwickelte darauf das Konzept, dass der Jihad weltweit auf alle Länder mit muslimischen Bevölkerungsanteilen ausgedehnt werden sollte.
Ziel ist es den Alltag der Ungläubigen unerträglich zu machen. Keiner soll sich mehr sicher fühlen können. Naji empfiehlt Kidnapping, Geiselnahme, Verwendung von Frauen und Kindern als lebende Schutzschilde, öffentliche Tötungen, um den Feind zu terrorisieren, Selbstmordattentate, aber auch Anschläge auf Ölfelder, Häfen, Flugplätze, Touristentreffpunkte.
Das Ziel ist der Kollaps der Ordnung, die Schaffung von Zonen der Gesetzlosigkeit, des Chaos, der Wildheit. Dort herrschen die idealen Bedingungen, um die gerechte Ordnung der Scharia einzuführen. In einer Situation der Barbarei und Willkür, so Naji, würden sich die Leute jedem unterwerfen, egal ob gut oder böse, der ihnen Sicherheit und Überleben garantiert. Dies entspreche der «menschlichen Natur».
Gewalt ist segensreich, schreibt Naji und verweist auf die zwei ersten Kalifen und Gefährten des Propheten Mohammeds, als es darum ging, das entstehende muslimische Reich zu sichern. «Sie verbrannten Leute bei lebendigem Leibe, obwohl dies abscheulich ist. Aber sie wussten um die Wirkung von roher Brutalität in Zeiten der Not.»
Der offensichtlich gebildete Autor Naji kann auf 1400 Jahre islamisches Herrschaftswissen zurückgreifen, auf eine imperiale Tradition der Landnahme und Kunst der Unterwerfung ganzer Völkerschaften.
Ökonomie, Soziologie, Politologie, Psychologie, alle gehen davon aus, dass menschliches Verhalten letztlich rationalen Kriterien gehorcht, dem Kampf um Ressourcen, um politische Macht, um kulturelle Würde, Selbstbestimmung, ein besseres Leben.
An den Äusserungen Najis und all der anderen Kalifatsutopisten fällt aber auf, dass sie nie einen Gedanken daran verschwenden, wie sie nach einer Machtübernahme Wirtschaft und Handel organisieren, die in islamischen Ländern epidemische Arbeitslosigkeit bekämpfen, das Gesundheitswesen einrichten wollen. Sie liefern nicht mal den Hauch eines Konzepts, wie sie ihre Bevölkerung vor Armut, Hungersnöten, Krankheiten bewahren wollen. Das reale, praktische Leben interessiert sie nicht. Sie interessiert nur der Jihad, der Krieg, die ewige Schlacht für das Kalifat.
Der Jihadismus ist eine Todeskultur. Die Gotteskrieger sind jederzeit bereit, das eigene Leben zu opfern, wenn sie mit diesem Akt nur möglichst viele Ungläubige in den Abgrund reissen können. Je gewaltiger das Gemetzel ausfällt, desto näher fühlen sie sich der Erfüllung. Der Untergang der Welt bedeutet den Beginn einer neuen, islamisch gereinigten Welt.
Wir erleben in diesen Tagen den politischen, kulturellen und moralischen Kollaps der arabisch-islamischen Zivilisation.
Der Westen hat das Aufkommen des islamischen Todeskultes lange verleugnet, verharmlost oder wegpsychologisiert. Die vorherrschende Kultur des Therapeutismus hat den Begriff des Bösen abgeschafft, menschliche Boshaftigkeiten zur Spätfolge von früheren Kränkungen verkitscht und sich so der Fähigkeit beraubt, existenzielle Gefahren zu erkennen und sich vor ihnen zu schützen.
Vergleich auch Artikel: Sieben Phasen des Dschihad`s – Strategie des Terrors
Shalom and erev tov ,
die Usa und die EU mischen sich in all möglichen Kriegen ein, aber wo es dringend notwendig ist den IS zu stoppen und zu vernichten wird nichts unternommen. David