Juden leben „mit Gesetzen, nicht nach Gesetzen“. So beschreibt Elyah Havemann in seinem Buch „Wie werde ich Jude“ den jüdischen Glauben.
Im babylonischen Exil verlangte der fehlende Tempel nach neuen Formen der Glaubensausübung. So entstand eine rabbinische Schule der Neuinterpretation der Thora (5 Bücher Mose). Zur Zeit von Jesus gab es vier Strömungen: Die Pharisäer, die Sadduzäer, die Essener und Zeloten.
Die Pharisäer erwarteten Gottes Eingreifen, indem sie gottgefällig lebten. Die Sadduzäer waren weltoffen und rechneten nicht mit der geistlichen Welt oder ein Leben nach dem Tod. Die Essener interpretierten den Glauben persönlich, sonderten sich ab und sahen sich als Gottes Tempel an. Die Zeloten glaubten an eine Umsetzung von Gottes Reich durch eigenes Handeln und Waffengewalt.
Wie interpretiert Jesus das Gesetz (die Thora) und die Schriften der Propheten?
Matthäus 5,17-20 17 Meint nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.
18 Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.
19 Wer nun eins dieser geringsten Gebote auflöst und so die Menschen lehrt, wird der Geringste heißen im Reich der Himmel; wer sie aber tut und lehrt, dieser wird groß heißen im Reich der Himmel.
20 Denn ich sage euch: Wenn nicht eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer weit übertrifft, so werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen.
Jesus interpretiert das Gesetz nach ihrem ursprünglichen Sinn. Damit steht er zum Teil im Widerspruch zu seinem Umfeld.
Nach dem babylonischen Talmud steht die rabbinische Autorität über der Thora. So steht im Talmud: „Die Thora ist bereits vom Berge Sinaj her verliehen worden. Wir achten nicht auf die Hallstimme (Himmelsstimme), denn bereits hast du am Berge Sinaj in die Thora geschrieben: Nach der Mehrheit zu entscheiden“ (Babylonischer Talmud Band 7 S. 637). Gott ordnet sich nach jüdischem Verständnis dem Beschluss des jüdischen Rates unter. Den Text in 5. Mose 17,8-12 könnte man dahingehend interpretieren.
Jesus setzt einen anderen Schwerpunkt: Die Voraussagen der Schrift müssen sich erfüllen.
Jesus erfüllt das Gesetz in einem Sinne, welchen auch seine Jünger zuerst nicht verstanden. Nach seinem Tod und seiner Auferstehung erklärte er den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus, dass gemäß den Schriften der Messias den Tod erleiden musste. Er fing bei der Thora (den Büchern Mose) und allen Propheten an und erklärte, was in der Schrift von ihm gesagt wurde (Lukas 24,26-27).
Jesus erfüllte alle Gesetze und Voraussagen, welche die Versöhnung mit Gott betreffen. Er ist das Lamm Gottes: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ (Johannes 1,29).
Alle ethischen Gebote, die den zwischenmenschlichen Umgang regeln, haben nach wie vor Gültigkeit. So beschloss das Apostelkonzil folgende Grundregel (Apostelgeschichte 15, 28-29): „Denn es gefällt dem Heiligen Geist und uns, euch (den Nichtjuden) weiter keine Last aufzuerlegen als nur diese notwendigen Dinge: dass ihr euch enthaltet vom Götzenopfer und vom Blut und vom Erstickten und von Unzucht.“
Das bedeutet, für Nichtjuden, die an Jesus glauben, gelten nur die folgenden Gebote: keinen anderen Göttern zu dienen, kein Blut (von Menschen) vergiesst oder geniesst (Blutrituale), kein Konsum von Kadaver (nicht geschlachteten Tieren) und ein Festhalten an den biblisch-ethischen Werten.
Damit konnte der Glaube an Jesus in alle Kulturen der Welt übertragen werden, weil es um eine innere Herzenshaltung gegenüber Gott geht und nicht um rituelle Formen.
Wichtig ist Jesus, dass man die Gesetze tut und lehrt. Im Gegensatz zu den Schriftgelehrten, geht es darum was wir verstanden haben umzusetzen und nicht mit Neuinterpretationen zu Umgehen.