Leseprobe Kapitel 16 vom Buch: Zu Fuß als Ehepaar nach Jerusalem
„Geschlossen.“ Dieses Wort sollte uns ab Anfang Oktober in verschiedenen Sprachen regelmäßig begegnen. So wie heute Abend am Tor eines Campingplatzes in Punta Sabbioni. „Wahrscheinlich kommen jetzt keine Touristen mehr und die Besitzer können nach einem arbeitsreichen Sommer endlich selbst Urlaub machen“, überlegt Annemarie.
Nach einem langen Marsch sagt Hanspeter am folgenden Tag: „Wir schaffen es noch bis ins nächste Dorf.“ Da wir auch dort wieder geschlossene Campingplätze vorfinden, fragen wir einen Bauern, ob wir das Zelt auf seinem Grundstück aufstellen dürfen. Unmissverständlich teilt er uns mit, dass wir bei ihm nicht erwünscht seien. „Dann zelten wir eben auf freiem Feld“, schlägt Hanspeter vor. Das einzige Problem ist, dass der Großgrundbesitzer alles eingezäunt hat. Ein hoher Zaun auf der einen und ein breiter Bewässerungskanal auf der anderen Seite machen das Campen hier unmöglich. „Was für ein herrlicher Sonnenuntergang!“ Annemarie ist fasziniert. „Den hätten wir nicht gesehen, wenn wir auf dem Hof geschlafen hätten.“ „Ja, aber es wird dunkel. Weit und breit keine Möglichkeit für ein Quartier“, sinniert Hanspeter. „Wenigstens ist hier alles flach und wir müssen nicht noch einen Berg erklimmen“, entgegnet Annemarie. Als wir im nächsten Dorf ankommen, ist es bereits stockfinster. Ein Mann steht auf seinem Balkon. „Tut mir leid, ich habe eine große Familie. Sonst hätten Sie bei mir übernachten können.“ Schließlich – nach mehr als 50 000 Schritten an diesem Tag – wird uns in einer Kirche ein Nebenraum angeboten. „So lange hätten wir uns zu Beginn der Reise nicht auf den Beinen halten können“, staunt Annemarie.
„Hier ist eine Bäckerei. Ich kaufe uns ein Brot“, verkündet Hanspeter am nächsten Morgen. Es ist kalt und nass, da es in der Nacht geregnet hat. Annemarie entdeckt unterwegs ein Gasthaus. „Komm, wir gehen rein und wärmen uns auf. Wenn wir Kaffee bestellen, dürfen wir sicherlich unser Brot dazu essen“, sagt sie. „Bestimmt nicht. Wir können doch nicht im Restaurant unseren eigenen Proviant auspacken“, wendet Hanspeter ein. „Ach, die Leute hier sind sicher großzügig. Vergiss nicht, wir sind jetzt im Süden.“ Schon steht Annemarie an der Theke und erkundigt sich. „Ja, ja, das geht“, erhält sie zur Antwort. Wir sind dankbar, das frische Brot und den Kaffee in einem warmen Raum genießen zu können.
Drei Tage später erwartet uns in einem 1-Stern-Hotel eine weniger schöne Überraschung. Nach der überaus freundlichen Begrüßung an der Rezeption starrt Hanspeter im Zimmer fassungslos auf sein Netbook. „So ein Mist! Jemand hat mir jede Minute drei E-Mails geschickt. Nun habe ich 6000 Nachrichten in meiner Mail-Box!“ „Du kannst ja alle markieren und löschen“, meint Annemarie. „Nein, das geht nicht. Vielleicht hat uns jemand eine wichtige Mitteilung geschickt. Die könnten wir sonst verlieren.“ Den ganzen Abend sitzt Hanspeter vor dem Bildschirm. Er widmet sich der öden Arbeit, die E-Mails einzeln zu löschen. Nach langer Zeit meldet er sich zu Wort: „Hier ist eine Nachricht von Margrit! Nena, ihre Freundin in Kroatien, würde sich über einen Besuch von uns freuen. Einfach super, wie uns unsere Freunde zuhause helfen!“ Und etwas später: „Auch Elsbeth und Adolf haben uns geschrieben: ‚Uns ist noch etwas in den Sinn gekommen, aber vielleicht ist es schon zu spät und ihr seid schon weiter. Wir kennen eine Pastorenfamilie, die in Duino-Aurisima wohnt. Er ist Amerikaner und sie ist Schweizerin.‘ – Genau morgen kommen wir an diesem Ort vorbei. Wenn das kein perfektes Timing ist! Ich rufe gleich dort an.“ Ermutigt, weil die mühselige Arbeit nicht vergebens war, greift Hanspeter zum Telefon.
Auszug aus dem Buch: “Zu Fuß als Ehepaar nach Jerusalem”
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