Überraschendes zu Jesus – Jesus ist nicht ein Weg, sondern der Weg   

Jesus sagt in Johannes 14,6: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“.

Es ist die Antwort auf die Frage von Thomas, wie wir an denselben Ort kommen können, an den Jesus hingeht. Dort wo er für uns einen Lebensraum vorbereitet.

Das ist eine steile Ansage von Jesus in einer interpretationsorientierten Kultur. Das Judentum zeichnet sich gerade dadurch aus, dass jeder Rabbi seine eigenen Erklärungen findet und damit seinen Weg definiert.

Mittwoch, 9. Oktober 24,  Radio Maria Schweiz, Sendung Spiritualität.

 

Als ich die Synagoge in Basel besuchte, wurde uns augenzwinkernd und doch ernsthaft gesagt: Wenn zehn Juden beieinander sind, gibt es elf Meinungen.

Zur Zeit von Jesus gab es hauptsächlich fünf Richtungen. Ähnliche Haltungen finden wir heute auch in den Kirchen.

Die Sadduzäer waren liberal und rechneten nicht mit einer geistlichen Welt oder einem Leben nach dem Tod. Religion ist eine schöne erhaltenswerte Tradition. Doch mit dem Tod ist alles fertig. Sie haben sich religionspolitisch engagiert, weil ja das aktuelle Wohlbefinden für sie wichtig ist. Wichtig waren die Grundregeln in der Torah (5. Bücher Mose) für ein friedliches Miteinander. Die Position der Sadduzäer erklärt sich weniger durch Nachdenken, sondern durch Ritus, weniger durch Theologie als durch Politik. Viele von ihnen waren Mitglieder im Hohen Rat, da dort die Religionspolitik geprägt wurde.

Die Pharisäer waren konservativ. Sie erwarteten, dass wenn alle Juden nach ihren Geboten lebten, Gott auf übernatürliche Art eingreifen wird. Ihnen waren die verschiedenen Schriften wichtig. Sie beachteten auch die Propheten und Psalmen. Sie glaubten, dass die Guten in einen anderen Leib gehen (vgl. Jüdische Altertümer II 162ff).

Die Zeloten waren die Macher. Sie waren die Aktivisten der damaligen Zeit. Sie waren eher Praktiker als Theoretiker. Sie waren gegen die Regierung und wollten eine heile Welt aufbauen. Das führte dann in den zelotischen Aufstand gegen die Römer (66-70 n. Chr), an dem die jüdischen Nachfolger von Jesus nicht teilnahmen. Josephus schreibt (Jüdische Altertümer, XVIII 1,6): Sie stimmten „mit den Pharisäern überein, dabei aber mit großer Zähigkeit an der Freiheit hängend und Gott allein als ihren Herrn und König anerkennen. Sie unterziehen sich auch jeder möglichen Todesart …, wenn sie nur keinen Menschen als Herrn anerkennen müssen.“

Die Essener-Bewegung ist eine mystische Ausrichtung des Judentums, die den liberalen Tempeldienst in Jerusalem ablehnte und ihre Gemeinschaft als den lebenden Tempel Gottes verstand. Sie lebten für sich in gemeinschaftlichen Siedlungen, teilweise in Stadtvierteln streng nach der Torah und ihren eigenen Regeln.  Sie lebten ein wenig in ihrer eigenen Welt. Zum engeren Kreis gehören die Männer. Ihre Hoffnung lag in einem priesterlichen und einem königlichen Messias, der die ‚Söhne der Finsternis‘ besiegen wird – nicht aber sie verändert. Josephus schreibt über sie: „Die sinnlichen Freuden meiden sie wie die Sünde, und als Tugend erblicken sie Enthaltsamkeit und Beherrschung der Leidenschaften. Von der Ehe denken sie gering. … Den Reichtum verachten sie, und bewunderungswürdig ist bei ihnen die Gütergemeinschaft … Wer in die Gemeinde aufgenommen werden will, erhält nicht sogleich Zutritt. … Hat er die Probe der Mäßigung bestanden, tritt er einen Schritt näher; er nimmt an einer reinigenden Wassertaufe teil, wird jedoch zum gemeinsamen Mahl noch nicht zu gelassen … Kräftig lebt bei ihnen die Überzeugung, vergänglich seien zwar die Leiber und der Stoff sei nichts Bleibendes, die Seelen aber seien unsterblich und würden für immer bestehen (Jüdische Altertümer II 119‐168).

Die Samaritaner wurden als eigene Glaubensrichtung wahrgenommen. Sie haben ein eigenes religiöses Zentrum auf dem Berg Garizim in Samaria (Gegend von Nablus / Sichem). Sie beschränken sich nur auf die 5 Bücher Mose. Das sind aus jüdischer Sicht, die nicht richtig Gläubigen. Doch auch sie haben eine messianische Hoffnung im wiederkommenden Propheten wie Mose, der in 5.Mose 18,15-19 verheißen wird. So sagt die Frau am Jakobs-Brunnen in Johannes 4,25: „Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus heißt. Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.“

Es gab damals ganz unterschiedliche Wege den Glauben zu leben.

Und jetzt kommt Jesus und sagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich (Johannes 14,6).

Zunächst einmal: Was verbinden wir mit dem Wort Weg?

Was mir als erstes auffällt: Auf einem Weg kommt man schneller und besser voran. Beim Orientierungslauf habe ich immer darauf geachtet, über Wege möglichst nah ans Ziel zu kommen, um nicht plötzlich im Dickicht zu landen. Mit unserer Familie sind wir oft gewandert. Mein Vater meinte manchmal, man könnte auch abkürzen. Aber die Erfahrung war immer wieder, dass wir nicht mehr weiterkamen oder an einem Ort landeten, an den wir gar nicht gehen wollten.

Im jüdischen Kontext hat der Weg noch eine zusätzliche Bedeutung. Die 613 Gebote und Verbote, die auf der Torah (den fünf Büchern Mose) basieren, werden Halacha genannt, was vom hebräischen lecha (לְךָ) „gehen“ abgeleitet ist und Weg bedeutet. Das jüdische Gesetz ist ein Weg, den man ein Leben lang gehen soll. Wobei nicht alle 613 Gebote und Verbote wörtlich in der Torah stehen, sondern auch rabbinische Schlussfolgerungen aus dem Text sind.

Jesus sagt mit „Ich bin der Weg“: Ich bin die richtige Auslegung der Torah. Das heißt, bei Jesus lernen wir, wie wir mit dem Gesetz umgehen sollen.

Bei der Ehebrecherin in Johannes 8,11 sagt Jesus: „Ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ Jesus hebt die Forderungen des Gesetzes nicht auf, sondern gibt eine neue Chance.

Die Herausforderung besteht also darin, den ursprünglichen Sinn der guten, göttlichen Gebote zu erkennen und sich mit viel Barmherzigkeit danach auszurichten.

Im jüdischen Umfeld hört man beim „Ich bin der Weg“: Ich zeige euch die richtige Auslegung, der Gebote Gottes. Jesus hat in Johannes 8 bei der Ehebrecherin aufgezeigt, dass er die Gesetze nicht aufhebt, aber eine neue Chance gibt.

Das zweite Schlüsselwort ist die Wahrheit. Jesus sagt: Ich bin die Wahrheit? Was meint er damit?

In Johannes 18,38 fragt Pilatus Jesus: „Was ist Wahrheit?“

Diese Frage ist auch heute aktuell. Heute geht man von einer individuellen Wahrheit aus. Wahr ist, was ich für mich als wahr definiere. Wenn jemand von sich sagt, er sei eine Frau, auch wenn er als Mann geboren wurde und umgekehrt, dann ist das heute seine Wahrheit. Jeder hat heute das Recht seine Wahrheit zu proklamieren, solange er sich nicht auf eine absolute Wahrheit beruft.

Problematisch wird es bei den Werten. In der beziehungsorientierten Kultur ist es wichtiger, das Gesicht zu wahren, als zu sagen, was ich weiß. So fragte mich jemand, der Christ werden wollte, ob er als Christ die Wahrheit sagen müsse, oder ob er, um das Gesicht zu wahren, auch Unwahrheiten sagen dürfe. Die Auslegung von Jesus ist, die Wahrheit zu sagen oder zu schweigen. Ein Ja soll ein Ja sein.

Jesus beantwortet die Frage von Pilatus nach der Wahrheit so: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Johannes 18,37).

Jesus sagt damit: Gott definiert die Wahrheit. Jesus offenbart uns den Vater. So sagt er nach dem Gespräch mit Thomas anschließend zu Philippus: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen (Johannes 14,9). Wer mit Gott in Beziehung treten will, wird Gottes Wahrheit akzeptieren. In Bezug auf Gott ist das, was Gott sagt, die Wahrheit und nicht unsere Gedanken über Gott. Es geht also um die Offenbarung Gottes, ein Verstehen der biblischen Aussagen und nicht um philosophisches Denken über Gott.

Der emeritierte Weihbischof Marian Eleganti weißt im September 2024 auf seinem Blog darauf hin, dass wir heute in der Gefahr stehen, aus Diplomatie, den Kern der christlichen Botschaft zu verschweigen. Der Absolutheitsanspruch Jesu wurde zum interreligiösen Ärgernis. Er schreibt: Das war … einer der Gründe, weshalb in den letzten Jahrzehnten der Missionsbegriff durch die … Idee der Partnerschaft und des Dialogs (der Religionen) ersetzt wurde. Lieber davon reden, dass wir alle den gleichen Gott haben und alle Brüder sind, als mit Jesus als der Tür zu diesem Gott, ins Haus fallen! Aber wie kann einer mir Bruder sein, der den Sohn Gottes explizit ablehnt und bekämpft?“

Ein anderes Beispiel wie man heute mit dem Wahrheitsbegriff umgeht. Im Facebook hat jemand in einer Gruppe gepostet: «Die Wahrheit ist eine Person.» Das hat ja Jesus von sich gesagt. Doch nun dreht man alles um. Weiter steht da: «Es bedeutet nicht, bestimmte Sätze über Jesus sind die Wahrheit». Oder anders gesagt, was wir von Jesus wissen, ist nicht unbedingt wahr. Weiter wird dann ausgeführt: «Es geht nicht um richtig oder falsch». Es geht also auch nicht darum, was Jesus gesagt hat. Er kann seine Meinung also immer wieder ändern. Hier wird der Wahrheitsbegriff religiös verdreht.

Es ist viel populärer geworden, über unsere unterschiedlichen Ansichten von Gott zu diskutieren, als dass wir versuchen herauszufinden, wie sich Gott uns durch Jesus und in der Bibel zeigt und offenbart. Wenn Gott sich als der himmlische Vater offenbart, müssen wir gar nicht darüber diskutieren, wer Gott für uns ist. Er möchte als himmlischer Vater verstanden werden.

Jeder Vers im Neuen Testament hat eine Vorgeschichte im ersten Teil der Bibel. Und wenn wir den Zusammenhang verstehen wollen, müssen wir auch die Vorgeschichte kennen. Im christlichen Glauben geht es nicht darum, wie ICH etwas verstehe, sondern wie Gott die Dinge sieht.

Wenn wir nicht mit dem biblischen Gott in Beziehung treten wollen, können wir uns unsere eigene Welt aufbauen. Aber sie führt uns nicht zu ihm, sondern von ihm weg, in eine Welt ohne Gott.

Wenn wir keine universellen Wahrheiten mehr akzeptieren, landen wir als Gesellschaft im Chaos.

Jesus will uns helfen zu erkennen, dass die Gebote in der Bibel nicht gegen uns, sondern für uns sind. Denn sie fördern das Vertrauen in Gott und in die Mitmenschen. Jesus steht für eine Wahrheit, auf die man sich verlassen kann.

Jesus sagt, er bringt die richtige Auslegung und er sagt, was hält. Als nächstes sagt Jesus, dass er das Leben ist. Was sagt Jesus mit diesem Stichwort?

Jesus sagt damit: Ich bin das wahre Leben. Keine Imitation, keine Standardisierung. Jesus will, dass wir Originale und keine Kopien sind. Jeder von uns ist einzigartig und soll den anderen ergänzen. Das ist das göttliche Prinzip.

Wichtig ist aber auch, dass sich das Leben mit göttlichen Leitlinien voll entfalten kann.

Jede Schnittblume verwelkt. Wenn man sich von der ursprünglichen Quelle abschneidet, ist man zwar frei, aber man verliert auch den eigentlichen Zweck, fruchtbar zu sein.

Jeremia sagt in Kapitel 2,13: „Mich hat es (das Volk) verlassen, den Quell des lebendigen Wassers, um sich Zisternen zu graben, Zisternen mit Rissen, die das Wasser nicht halten“.

Deshalb sagt Jesus in Johannes 15,5: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“

Fassen wir zusammen, was wir bisher gesehen haben: Jesus sagt: Ich bin die richtige Auslegung. Die Wahrheit wird von Gott definiert. Und in der Verbindung mit ihm entsteht wahres Leben.

Nun folgen die herausfordernden Worte: Niemand kommt zum Vater als nur durch mich“.

Aber was bedeutet nun das niemand? Sind alle Menschen, die vor Jesus gelebt haben, ausgeschlossen?

Jesus spricht davon, dass die Menschen nach dem beurteilt werden, was sie verstanden und umgesetzt haben. In Matthäus 25,40 sagt Jesus: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Paulus schreibt in 2.Korinther 5,10:  „Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat.“  

Ein solches Urteil kann nur Gott fällen, weil er jeden von uns durch und durch kennt. Wir können niemanden beurteilen, sondern nur festhalten, dass jedes Leben gerecht von Gott beurteilt wird.

Das zweite, was immer wieder aufgezeigt wird, ist, dass es der Glaube ist, der Menschen vor Gott gerecht macht (Apostelgeschichte 15,9). Es ist die Einsicht, dass wir aus uns selbst heraus vor Gott nicht bestehen können, dass Gott uns aber annimmt, wenn wir darauf vertrauen, dass er unseren Mangel ausgleicht.

Vor Jesus drückten die Menschen dies durch ein Opfer aus. Nach seiner Zeit auf der Erde, indem sie das Versöhnungsangebot durch den Kreuzestod von Jesus für sich im Glauben in Anspruch nehmen. Der Opferdienst und seine Anweisungen wurden in Jesus erfüllt.

Menschen, die von all dem nichts gehört haben, erkennen, dass allein Gottes Erbarmen zählt. Sie werden, wenn immer sie von Jesus hören, bekennen, dass es genau das ist, was sie in ihrem Inneren wussten.

Jesus sagt in Johannes 8,42: „Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben; denn von Gott bin ich ausgegangen und gekommen. Ich bin nicht von mir aus gekommen, sondern er hat mich gesandt“.

Aber die meisten Menschen wehren sich mit allen Kräften dagegen, dass sie göttliche Hilfe brauchen. Die Abhängigkeit von Gott, das eigene Wahrheitsempfinden und die eigenen Interpretationen des Lebens stehen ihnen im Weg. Sie wollen selbst bestimmen, welchen Weg sie gehen wollen. Gottes Wahrheit möchten sie nicht akzeptieren und sie möchten unabhängig von Gott leben.

Offenbarung 20 zeigt uns auf, dass auch wenn die Menschen im perfekten Umfeld und unter dem vollen Segen Gottes leben, sie sich dennoch gegen Gott aufstacheln lassen. Der Mensch will nicht in der Abhängigkeit von Gott leben. Er will selbst entscheiden, was gut für ihn ist.

Bei der Kreuzigung von Jesus lehnte ihn ein Verbrecher ab, der andere jedoch erkannte, dass Jesus Recht hatte. Das wurde ihm als Gerechtigkeit vor Gott anerkannt.

Wie wir Jesus beurteilen, bestimmt unser Schicksal. Er ist für uns der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Viele versuchen ihre eigenen Wahrheiten zu entfalten. Es ist wie mit einer Leiter. Wir können Sprosse für Sprosse hinaufklettern und uns darauf etwas einbilden.

Aber es gibt noch eine andere Art von Leiter. Die Strickleiter. Der Unterschied ist, dass sie von oben kommt. Wenn man sich an ihr festhält und Tritt für Tritt hochklettert, ist man dabei, wenn die Leiter hochgezogen wird. Wer im Himmel verankert ist, braucht sich nicht verunsichern zu lassen.

Die gute Nachricht ist: Es gibt einen Weg zurück in die Gemeinschaft mit dem Vater im Himmel.

Interessant ist, dass Jesus nicht sagt: „Ich zeige euch den richtigen Weg! Er sagt auch nicht: „Ich kenne den richtigen Weg!“ Das haben schon viele Religionsstifter gesagt. Jesus jedoch sagt: „Ich bin der Weg“.

Jesus ist nicht ein Weg, sondern nur durch ihn haben wir Gemeinschaft mit dem himmlischen Vater. Als Wahrheit ist Jesus die ultimative Selbstoffenbarung Gottes. Durch ihn haben wir jetzt schon ein ewiges und erfülltes Leben.

Wir können mit Menschen aus vielen Religionen über Gott reden, aber Gott will durch Jesus zu uns reden.

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