Konstanz Sie war ein ganz normaler Teenager. Eine Muslimin, die in Konstanz das Gymnasium besuchte, beliebt war und beim Baden einen Bikini trug. Doch im November 2013 verschwand die 16-Jährige. Die Eltern, eine Schwäbin und ein Algerier, gingen zur Polizei und gaben eine Vermisstenanzeige auf. Kurz darauf meldete sich die Tochter per Facebook. Sie sei in Syrien und arbeite jetzt für Allah.
Der Verfassungsschutz bestätigt: Die Einträge stammen tatsächlich aus Syrien. Mit gefälschten Papieren, die der Minderjährigen angeblich die Ausreise erlaubten, checkte die Zehntklässlerin – nennen wir sie Samira – am Flughafen Stuttgart ein. Von dort aus flog sie in die Türkei und reiste weiter nach Syrien.
Für die Polizei wäre der Fall damit eigentlich erledigt. „Streng genommen wird sie gar nicht mehr vermisst“, sagt eine Sprecherin der Polizeidirektion Konstanz. „Ihr Aufenthaltsort ist ja bekannt.“ Die Behörden sind dennoch alarmiert. Schon seit einiger Zeit beobachten Verfassungsschützer auf sozialen Netzwerken und dem Videokanal Youtube, dass der „Heilige Krieg“, der Dschihad, für muslimische Frauen an Attraktivität gewinnt. Samira ist nur eine von bundesweit 20 muslimischen Frauen, die Deutschland den Rücken gekehrt haben, um in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land als „Gotteskriegerin“ tätig zu werden.
Aber warum? Lehrer und Schüler sind fassungslos. Bundesweit sind rund 300 „Gotteskrieger“ ausgereist, darunter rund ein Dutzend Minderjährige. Fast jeder zehnte der Auswanderer ist eine Frau. Auf der Suche nach Identität und dem Sinn des Lebens gibt der streng ausgelegte Islam einigen Jugendlichen Orientierung und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Vom Dschihad angezogen werden nicht nur Muslime, zehn Prozent sind Konvertiten, die zum Islam übertraten.
Befeuert wird der Zulauf durch das Internet. Von deutschen Wohnstuben aus können Jugendliche das grausame Kämpfen miterleben und selbst Hinrichtungsvideos ansehen. Strafrechtlich relevant wird das Engagement aber erst bei öffentlichen Dschihad-Aufrufen oder Volksverhetzung.
Eigentlich dürfen streng muslimische Frauen nicht einmal alleine reisen. Doch manchmal drückt Allah offenbar ein Auge zu. Laut salafistischen Rechtsgutachten ist eine Reise zum Dschihad auf eigene Faust auch für Frauen akzeptabel – sofern sie sich danach schnellstmöglich wieder unter männlichen Schutz stellen.
Auch Samira war offenbar nicht lange allein. Per Facebook teilte sie mit, dass sie Anfang Januar geheiratet hat. Ist das eine gezielte Strategie, dass die Frauen schwanger und mit ihrem Nachwuchs zurück nach Deutschland kommen und ihr „Gotteskrieger“ dann im Zuge der Familienzusammenführung einreisen können?