Afrin ist in Syrien ein lebenswerter Ort. Hier fallen keine Bomben und schlagen keine Raketen ein. Hier gibt es keine Gotteskrieger, die einen schächten, bloss weil man Christ, Alawit oder eben Kurde ist. Hier gibt es noch Hoffnung.
Afrin, eine kurdische Stadt nördlich von Aleppo, ist umgeben von Dörfern in endlosen Olivenhainen. Und von Feinden. An der türkischen Grenze, tröpfelt es wie eine Infusion durch die Lücken im Stacheldraht. Ausgerechnet den Türken sind die Kurden hier ausgeliefert: Die Grenzpolizisten drücken beide Augen zu, wenn Brot, Medikamente und Journalisten nach Syrien kommen und Flüchtlinge hinausgehen.
Die Partiya Yekitîya Demokrat ist die syrische Schwester der türkischen PKK. Im Westen steht die PKK auf der Terrorliste, in Afrin und den anderen Kurdengebieten im Norden Syriens sichert sie den relativen Frieden. Als der Krieg ausbrach, kamen Kader und Kämpfer aus den irakischen Kandil-Bergen herunter, dem Rückzugsgebiet im jahrzehntelangen Kampf gegen den türkischen Staat. Rasch wurde eine kurdische Miliz in Syrien aufgebaut: Ende Sommer 2012 war Assad in den drei kurdischen Hauptsiedlungsgebieten Geschichte. Dank ihrer militärischen Überlegenheit, sagt die PKK. Wegen eines Kuhhandels, den die Kurden mit dem Regime eingegangen seien, sagen die arabischen Rebellen.
Die Kurden sind für die Fundamentalisten Ungläubige, die sich lieber einen Schnauz als einen Bart wachsen lassen. Bei denen die Frauen ohne Kopftuch und mit Zigarette rausgehen und zu Hause den Tee nicht nur servieren, sondern sich dazusetzen. Das Kalifat und die Kurden, das verträgt sich schlecht.
«Unsere Frauen sind die besseren Scharfschützen», sagt Shakur Sheik. «Sie haben eine ruhige Hand und viel Geduld.» Und das Beste: «Die Islamisten glauben, dass nicht in den Himmel kommt, wer von einer Frau getötet wird.» Shakur ist nach 15 Jahren in Saarbrücken nach Syrien zurückgekehrt.
Die PKK ist nicht nur das Assad-Regime losgeworden. Auch viele Kurden, die mit Öcalans Ideologie der hierarchielosen kommunalen Selbstverwaltung und der Überwindung des Staates nicht einverstanden sind, mussten gehen. Das ist der Preis für die relative Ruhe in einem Land, das im Blut ertrinkt. Viele Kurden, aber auch Araber, sind aus Aleppo, Idlib oder gar Damaskus hierher geflohen. Die Stadt und ihr Umland zählten einst gut 400 000 Einwohner, heute sollen es mindestens doppelt so viele sein.
Die Kurden sind das biblische Volk der Meder. In Jesaja 13 steht, dass sie weder nach Silber oder Gold streben und einen vernichtenden Schlag gegenüber Babylon (Irak) ausführen werden. Die stärkste islamistische Front in Syrien dehnt sich ebenso nach Irak aus (Vergleiche Artikel: Kalifat des Schreckens in Syrien und im Irak).