Bei einem Treffen mit Russlands oberstem Richter kommentiert der russische Präsident eine historische Karte aus Frankreich, auf der die Ukraine angeblich nicht vorkommt.
Der Vorsitzende des russischen Verfassungsgerichts, Valery Sorkin (80), brachte zum Treffen mit Wladimir Putin eine französische Landkarte aus dem 17. Jahrhundert mit, nach eigener Aussage „um der Wahrheit willen“. Wörtlich sagte Russlands oberster Jurist: „Warum habe ich sie mitgebracht? Wladimir Wladimirowitsch, darauf gibt es keine Ukraine.“
Wer keine ernsthafte Sehbehinderung hat, kann auf der Karte die große Inschrift „Ukraine, das Land der Kosaken“ sehen. Und auch die Krim wird dort als Krim der Tataren bezeichnet.
Putin zeigte sich begeistert von dem Fund und nutzte ihn für eine skurrile Behauptung: „Erst nach der Oktoberrevolution begannen sich alle möglichen quasistaatlichen Formationen zu bilden, und die Sowjetregierung schuf die Sowjetukraine. Das ist jedem bekannt. Davor gab es in der Geschichte der Menschheit keine Ukraine.“ Die fraglichen Gebiete hätten in alten Zeiten „darum gebeten“, Teil des Zarenreichs zu werden.
Offenbar hat der Spitzenjurist diesbezüglich doch ein ungutes Gefühl, das er mit der öffentlichen Präsentation der Landkarte in den Griff bekommen wollte: „Das Wichtigste ist, dass nicht wir diese Karte angefertigt haben, sondern die Franzosen.“
Wie sich herausstellte, gibt es auf der fraglichen Karte von Guillaume Sanson (1633 – 1703) tatsächlich eine Ukraine mit dem Untertitel „Land der Kosaken“, das Werk ist in hoher Auflösung im Netz auf der Seite der Französischen Nationalbibliothek abrufbar. Allerdings schlägt Sanson die westliche Ukraine dem Königreich Polen zu, der östliche Teil wird auf der Karte als „Petite Tartarie“ bezeichnet, also „Kleines Tartarenreich“. Putins und Sorkins Behauptung, es gebe auf dem Überblicksplan keine Ukraine, bezieht sich also lediglich darauf, dass sie nicht als eigener Staat ausgewiesen ist, Russland übrigens auch nicht.
Im russischsprachigen Netz wird Putins jüngster „Geschichtskurs“ als „völlig ausgeflippt“ und „Zen-Geografie“ verhöhnt. Ebenso gut könne er „Karten von Kapitän Nemo oder Sindbad dem Seefahrer“ vorlegen. Gerichtspräsident Sorkin habe sich als „gerissener Anwalt“ erwiesen, lobte ein Kommentator sarkastisch: „Es ist allerdings nötig, ihn in seiner eigenen Manier darauf hinzuweisen, dass Russland auch erst ab 1721 auf Landkarten auftauchte.“
Spötter erinnerten daran, dass es auf Landkarten aus dem 15. Jahrhundert „noch kein Amerika“ gegeben habe. Der russische Bündnispartner Nordkorea sei zum Beispiel auch nicht auf alten Karten zu finden.
Es war von einem „Treffen der Irren“ die Rede: „Auf jeden Fall ist es im 21. Jahrhundert anmaßend, darüber zu streiten, wer es verdient, ein Staat zu sein und wer nicht – das ist mindestens dumm, führt aber in größerem Maße zu einem Gefühl der Überlegenheit der eigenen Nation gegenüber anderen. Und dieser Weg führt zu verbrecherischen Taten.“
Wörtlich hatte Sorkin gesagt: „In den letzten Jahrzehnten haben wir begonnen, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ‚Elite‚ (also die Auswahl der Besten) zu vergessen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Pflicht eines Vertreters der Elite gemäß seiner eigentlichen Mission darin besteht, dem Vaterland nicht aus äußerer Pflicht und Zwang, sondern wegen seines Gewissens und seiner Ehre zu dienen. Jetzt werden nicht nur die politische Elite, sondern auch die geistige und intellektuelle Elite Russlands, sowie die Wirtschaftselite auf ihre Fähigkeit geprüft, dem Land in einer für das Land außerordentlich schwierigen Zeit zu dienen. Ich hoffe wirklich, dass wir alle diese Prüfung ehrenhaft bestehen.“ mehr Informationen
Spannend wenn die Elite mit einer Karte aus dem 17. Jahrhundert unterwegs ist.