Israel ist sehr zufrieden mit der Waffenruhe nach dem letzten Gaza-Krieg. Es hat, bis auf eine folgenlos gebliebene Rakete, die gegen Aschdod gefeuert wurde, keinen Zwischenfall gegeben. Israelische Sicherheitskräfte haben ihrerseits in den letzten Wochen viele Male eingegriffen. Obwohl die andere Seite diese Aktionen als Bruch der Waffenruhe hätte sehen können, wurde auf Reaktionen verzichtet.
Israel ist auch sehr zufrieden mit der Kooperation der Ägypter unter Mursi. Tunnel werden geschlossen, geflutet und zerstört, ein Gericht in Kairo hat das so verfügt. Mursi hat die Streikräfte zu strikter Bekämpfung islamistischer Gruppen im Sinai angewiesen. Der Bewegungsraum der Hamas hat sich nicht verbessert. Hamas ist enttäuscht bis entsetzt, man hatte sich von Mursi und der Muslimbruderschaft mehr versprochen. Doch der tut alles, um sich gegenüber Israel und USA als zuverlässig zu erweisen.
Mursi ist derzeit für Israel besser als Mubarak, noch nie war die Sicherheitszusammenarbeit so gut. Was Hamas nicht versteht: Es geht Mursi um die Konsolidierung der Macht in Ägypten, und da stört Gaza derzeit nur. Er braucht Ruhe an dieser Front, um das eigentlich Ziel der Muslimbruderschaft voranzutreiben: Den Staat unter seine Kontrolle zu bringen. Man muss zunächst Staat und Gesellschaft in Ägypten durchsetzen und islamisieren, das sind wichtigere Ziele als das Wohl der Palästinenser.
Israel kann damit derzeit sehr gut leben. Es möchte gerne eine Freihandelszone zwischen Ägypten und Gaza sehen, als ersten Schritt auf dem Weg, Gaza an Ägypten anzugliedern. Mursi will das nicht. Er sieht genau, dass er sich mit den schwer kontrollierbaren radikalen Gruppen in Gaza nur Ärger einhandeln würde.
Die Unterstützung von Mursi durch den Westen bedeutet Stabilität auf Kosten von Freiheit und Demokratie.
Die westliche Haltung im Konflikt in Syrien ist aus palästinensischer Sicht derselben falschen Gleichgewichtspolitik geschuldet: das Land soll ausbluten. Es scheint dem Westen gar nicht unrecht zu sein, dass sich eine neuer Status Quo einpendelt, der das Land lähmt, weil es mit sich selbst beschäftigt ist. Assad hat seine Fähigkeit verloren, in der Region zu stören, die Aufständischen können das ganze Land einstweilen nicht kontrollieren. So weit ist das erst einmal das bestmögliche Ergebnis.
Hamas hätte bei freien Wahlen in der Westbank gute Chancen. In Gaza ironischer Weise nicht, weil die Menschen dort nur Korruption, Unfreiheit und Inkompetenz erlebt haben.
In der Westbank ist sie Lage sehr angespannt. Wegen der Finanzkrise sind viele Beamte und Sicherheitskräfte seit Monaten ohne Lohn. Es gibt allerdings kein Interesse an Chaos, das Vorwände für israelisches Eingreifen bieten würde. Wenn die PA gewaltsam gegen Demonstranten vorgeht, könnte das eine Revolution auslösen. Israel hat auch Angst vor einer dritten Intifada: Die einbehaltenen Steuern wurden nach den jüngsten Unruhen sofort überwiesen, jedenfalls für den Monat Januar.
Von Obamas Besuch wird nicht viel erwartet. Aus palästinensischer Sicht gibt es nichts Grundlegendes mehr zu verhandeln.
In Annapolis wurde bereits der entmilitarisierte Status des Westjordanlandes unterschriftsreif ausverhandelt. “Wir wollen keine Armee, keine Luftwaffe, keine Panzer.” Aber eben auch keine israelische Präsenz nach der Einigung. Eine internationale Präsenz – Uno, Nato, USA, egal wer – soll den legitimen israelischen und auch den palästinensischen Sicherheitsinteressen Rechnung tragen.
Über den Status Jerusalems gibt es ebenfalls nichts Grundsätzliches zu verhandeln. Als künftige Hauptstadt ist es unaufgebbar.
Die Grenzen von ’67, mit wechselseitig akzeptablem Landtausch, müssen Grundlage sein. Auch beim Rückkehrrecht für Flüchtlinge kann es nicht ums Prinzip gehen, das unverhandelbar ist, sondern nur um die Zahl.
Verhandlungen auf solcher Grundlage sind aber höchst unwahrscheinlich. Weil auch in Israel der Glaube daran schwindet, gewinnt die Idee einer Konföderation der palästinensischen Gebiete mit Jordanien erneut an Fahrt.
Diejenigen Teile der Westbank, in denen palästinensische Verwaltung herrscht, würden dann mit Jordanien zusammengeschlossen, und die Palästinenser könnten politische Rechte in dieser Konföderation erhalten – statt in einem eigenen Staat.
Den Muslimbrüdern passe die Konföderations-Idee gut in den Kram. Für sie sind Territorialfragen ohnehin nicht so wichtig wie die Herrschaft des Islams, für den man die politische Macht brauche.
Auszüge vom Bericht von Jörg Lau mehr Informationen