Die Ukraine ist Putins Obsession

Professor Stéphane Courtois: Putin habe sich verrannt, urteilt der Historiker auf t-online. Am 26. Januar 2023 erscheint nun das „Schwarzbuch Putin“, das er mit Galia Ackerman publiziert.

Putins Credo ist: Traue niemals einer Demokratie! Das verträgt sich auch mit der Mentalität der KGB-Leute, wie Putin einer ist – sie glauben nur an die Macht des Staates. Dieser Glaube an die Staatsmacht ist eine Konstante in der Geschichte Russlands im Allgemeinen und in der des Kommunismus im Speziellen. Der Kommunismus ist passé, aber Putin betreibt dessen Form der Staatsführung weiter. Mit einer Neuerung: Die Regierung wurde durch mafiöse Gruppen ergänzt, die ebenfalls für eine Stabilisierung des Systems sorgen.

Als Putin 2000 Präsident geworden ist, war das gesamte zukünftige Programm bereits da: Eine geradezu paranoide Vorstellung, dass Russland von allen Seiten bedroht sei, die Vorstellung, dass nur autoritäre Maßnahmen die Lage bessern könnten und sogenannte Gegner ausgeschaltet werden müssten. Da Russland zu dieser Zeit aber schwach gewesen ist, spielte Putin erst einmal den lieben Kerl.

Der Westen ließ Putin mehr als zwanzig Jahre fast freie Hand. Was heute geschieht, ist die Konsequenz. Putin versteht nur Härte, Härte, Härte – so einfach ist das. Putin führte ab 1999 Krieg gegen Tschetschenien, 2008 gegen Georgien, im syrischen Bürgerkrieg griff das Regime 2015 ein. Von der Annexion der ukrainischen Krim 2014 und dem Krieg in der Ostukraine noch ganz abgesehen. Wozu raffte sich der Westen als Reaktion angesichts der Übergriffe auf die Ukraine auf? Ein paar Sanktionen. So etwas tat Putin überhaupt nicht weh, im Gegenteil: propagandistisch ließ es sich bestens ausschlachten.

Die Ukraine ist Putins Obsession. Am liebsten will er sie Russland wieder einverleiben. Er betrachtet sie als Teil der „Russischen Welt“, andererseits ist die Ukraine eigentlich ein reiches Land – sie verfügt über Industrie und Bodenschätze, aber vor allem ihre Landwirtschaft ist von großer Bedeutung. Putin ist genau genommen ein Gangster, der sich seine Beute holen will. Während er historischen Vorbildern wie Peter dem Großen nacheifert und Russlands Grenzen erweitert.

Putin nahm auch an, dass die russischsprachigen Ukrainer seine Truppen willkommen heißen würden. So kam es aber nicht.

Putin ist ein mieser Historiker, unfähig, die richtigen Schlüsse aus der Geschichte zu ziehen. Polen, Tschechien oder die Staaten des Baltikums zum Beispiel, sie alle haben mit dem Kommunismus und seiner Herrschaftsform abgeschlossen. Russland hingegen hat niemals herausgefunden.

Ein schnelles Ende des Krieges wäre mehr als wünschenswert. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass alle Autokraten genau beobachten, wie der Westen reagiert. Sie warten auf den Tag, an dem das liberale und demokratische System des Westens am Ende sein wird. In Europa herrschte lange Zeit Frieden, es gibt kein ausgeprägtes Bewusstsein dafür, dass man seine Freiheit im Zweifelsfall mit der Waffe in der Hand verteidigen muss.

Ab einem bestimmten Punkt könnte die Stimmung bei den russischen Streitkräften kippen. Dann würde die Armee den Aufstand proben. Alles ist denkbar. Denn viele russische Generäle halten diesen Krieg für ausgesprochen dumm. mehr Informationen

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