Im neuen Benedikt-Buch „Was ist das Christentum?“ übt der ehemalige Papst Kritik an einigen gegenwärtigen Versuchen zum Dialog von Christen und Muslimen. Diese seien oft gekennzeichnet von der „ungenügenden Kenntnis der heiligen Schriften“ beider Religionen.
Ferner sei dieser Dialog häufig „strukturell falsch aufgestellt„. So werde einerseits betont, dass sowohl in der Bibel wie auch im Koran die Rede sei von der Barmherzigkeit Gottes. Daraus werde der Imperativ der Nächstenliebe abgeleitet. Dann werde aber auch festgestellt, dass sich in beiden Texten Aufrufe zur Gewalt fänden. Und schließlich stelle man sich gewissermaßen über beide Religionen und stelle fest, dass es in beiden Gutes und Schlechtes gebe und es deshalb nötig sei, Bibel und Koran in einer Hermeneutik der Liebe zu lesen und sich mit Blick auf beide der Gewalt entgegenzustellen.
Auf diese Weise, so die Kritik des früheren Papstes, würden aber verschiedene Ebenen vermischt. Anders als die Bibel sei der Koran ein einziges Buch. Es werde von den Muslimen als direkte Inspiration Gottes angesehen und beanspruche deshalb eine von Gott ausgehende Autorität.
Die Bibel hingegen sei eine über etwa tausend Jahre gewachsene Sammlung von Schriften. Diese seien nach dem Glauben von Juden und Christen nicht unmittelbar von Gott diktiert. Ihre Autorität entwickle sich immer nur in der Interpretation des Weges, den das Volk Gottes unter seiner Führung zurückgelegt habe. Insofern sei der christliche Glaube keine „Buchreligion“. Wer diese strukturellen Unterschiede betrachte, werde sich vor übereilten Parallelen zwischen den beiden Religionen hüten.
In einem weiteren Text kritisiert Benedikt ein aus seiner Sicht falsches Toleranzverständnis vieler westlicher Staaten. Die „Großmächte der Toleranz“ räumten dem Christentum die von ihnen propagierte Toleranz nicht ein, so seine Kritik. Mit ihrer „radikalen Manipulation des Menschen“ und „der Verzerrung der Geschlechter durch die Gender-Ideologie“ stellten sie sich klar gegen das Christentum, heißt es in einem bislang unveröffentlichten Aufsatz zum Thema „Monotheismus und Toleranz“.
In dem Ende 2018 verfassten Text erklärte der ehemalige Papst weiter: „Die Intoleranz dieser scheinbaren Modernität gegenüber dem christlichen Glauben ist noch nicht in offene Verfolgung umgeschlagen, und doch zeigt sie sich in zunehmend autoritärer Weise mit dem Ziel, durch entsprechende Gesetzgebung die Auslöschung dessen zu erreichen, was wesentlich christlich ist.“
Das Buch mit den theologischen Texten des ehemaligen Papstes ist seit Mittwoch im Buchhandel erhältlich. Unter dem Titel „Was ist das Christentum?“ (Che cos’e il Cristianesimo) enthält es 16 Texte aus der Zeit nach Benedikts Rücktritt vom Papstamt 2013; die meisten wurden um das Jahr 2018 verfasst, der letzte 2022. Erschienen ist es im italienischen Verlag Mondadori. mehr Informationen
Bild:
Die Frage ist, warum hat Benedikt das Thema nicht in seiner Amtszeit angesprochen?
Benedikt und der Islam
Auf die Bemerkung seines Biografen Peter Seewald, Päpste früherer Zeiten hätten es als ihre Aufgabe gesehen, „Europa vor einer Islamisierung zu schützen“, antwortete Papst Benedikt XVI.: „Heute leben wir in einer völlig anderen Welt.“
Benedikt sagte: „Von den tief religiösen Kulturen der Welt wird gerade dieser Ausschluss des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft als Verstoß gegen ihre innersten Überzeugungen angesehen. Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen.“
Worin das Ziel ihres Dialogs bestehen kann, hatte er 1998 als Kardinal in seinem Buch „Die Vielfalt der Religionen und der Eine Bund“ klargestellt: Wer eine Vereinigung der Religionen als Ziel des Religionsdialogs sehe, müsse enttäuscht werden.
Der interreligiöse Dialog zielt, im Gegensatz zum ökumenischen, nicht auf Einheit, sondern auf wechselseitigen Respekt und das Wahrnehmen von Weltverantwortung. Benedikt und der Islam weiterlesen