Ausgerechnet in der Woche der ökumenischen Einheit, wird ein Buch von Benedikt veröffentlicht, welches die Ökumene in Frage stellt. Laut Elio Guerriero war Benedikts zwingende Bedingung, dass das „spirituelle Fast-Testament“ erst nach seinem Tod herausgeben wird.
Der verstorbene Papst Benedikt XVI. hat gemeinsame Abendmahlsfeiern von Katholiken und Protestanten wegen grundlegender Unterschiede für unmöglich gehalten. Seine Überlegungen zu diesem Thema hat er in einem Aufsatz verarbeitet, der in dem posthum erschienenen Buch „Was ist das Christentum?“ enthalten ist. Teile des Aufsatzes waren bereits 2020 in einem Buch erschienen, das zu großen Teilen Kardinal Robert Sarah geschrieben hatte. Die Auseinandersetzung mit dem Protestantismus ist jedoch neu. (Warum hat er dies bis jetzt verschwiegen?)
Wegen ihrer völlig entgegengesetzten theologischen Grundlagen „sei es ganz klar, dass ‚Abendmahl‘ und ‚Messe‘ zwei grundverschiedene Formen des Kults sind, die einander von ihrem Wesen her ausschließen.
Zu innerkatholischen Streitigkeiten um das Messopfer merkte Benedikt an, bei der Liturgiereform nach 1969 hätten „Luthers Thesen unausgesprochen eine gewisse Rolle gespielt, so dass manche Kreise behaupten konnten, das Dekret des Konzils von Trient (1562-1563) über das Messopfer sei stillschweigend abgeschafft worden“.
Zum Schluss seiner bislang unveröffentlichten Überlegungen hält der frühere Papst fest: „Es ist offensichtlich, dass das moderne Denken (…) mit Luthers Ansatz besser zurechtkommt als mit dem katholischen. Denn eine pneumatologische (Heilig Geist gewirkte) Schriftauslegung, die das Alte Testament als einen Weg hin zu Jesus Christus deutet, ist für das moderne Denken beinahe unzugänglich. Aber dennoch ist klar, dass Jesus nicht im Sinne eines radikalen ’sola fide‘ (allein durch Glaube) gedacht hat, sondern im Sinne einer Erfüllung des Gesetzes und der Propheten. Es ist Aufgabe der neuen Generation, die Voraussetzungen für ein erneuertes Verständnis dessen zu schaffen, was ich hier dargelegt habe.“ mehr Informationen (Die evangelische Theologie sieht im Alten Testament auch den Weg hin zu Jesus).
Volker Leppin, Mitherausgeber des Dokuments „Gemeinsam am Tisch des Herrn“, widerspricht Benedikt XVI. bei der Aussage, Abendmahl und Eucharistiefeier seien grundlegend unvereinbar. Er bezieht sich dabei auf die Bibel. Wir mögen doch den Aussagen der Schrift folgen, Jesus Christus schenke sich selbst. Aus dieser Grundlage könne man kein grundverschiedenes Abendmahlverständnis erkennen, sagt er. „Man müsste natürlich den Kontext genauer kennen. Wir sind jetzt alle in der Situation, nur diese paar Zitate zu haben.“ „Ich als evangelischer Theologe doch den Eindruck, in der katholischen Theologie hat ein Konzil mehr Gewicht als ein emeritierter Papst.“ „Vielleicht ist er auch da letztlich seinem Gegner Luther sehr ähnlich, der auch in seinen letzten Lebensjahren furchtbare Schriften über Juden und auch über das Papsttum geschrieben hat, die etwas von einer Verdunkelung der letzten Lebensphase ahnen lassen. Vielleicht ist das auch hier der Hintergrund.“ mehr Informationen
Prof. Wolfgang Thönissen: Ansetzen müssen wir bei der Kritik Luthers am Verständnis der Eucharistie und des Opfers am Ende des Mittelalters. Hier hat sich eine bestimmte Entwicklung durchgesetzt, die so aussah, dass die Kirche, die Gläubigen Gott ein Opfer darbringen. Luther griff auf die Bibel zurück und hat gesagt, dies sei nicht das Verständnis der Bibel, sondern die Bibel sage es genau umgekehrt. Christus schenkt sich den Menschen und deswegen werden die Menschen in dieses Geschenk mit einbezogen und können deswegen auch Eucharistie (Dank) feiern. Der ökumenische Dialog hat viele Annäherungen gezeigt. Aber natürlich bleiben Unterschiede. Das ist jetzt das Komplizierte, dass sich auch in den evangelischen Kirchen in den letzten Jahrhunderten eine Weiterentwicklung gezeigt hat. mehr Informationen
Martin Ebner, emeritierter katholischer Neutestamentler, fragt in seinem Buch: „Braucht die katholische Kirche Priester?“ Er meint: Das Besondere des Christentums sei eigentlich, gerade keine Priester zu brauchen. Ein Charakteristikum des frühen Christentums sei die Aufhebung aller gesellschaftlich etablierten Standesgrenzen gewesen. Jede Über- und Unterordnung der Menschen wäre ein Widerspruch zum Glauben an Christus, sagt Ebner.
Der Text des Ökumenismusdekretes lautet:
„In dieser einen und einzigen Kirche Gottes sind schon von den ersten Zeiten an Spaltungen entstanden, die der Apostel aufs schwerste tadelt und verurteilt; in den späteren Jahrhunderten aber sind ausgedehntere Verfeindungen entstanden, und es kam zur Trennung recht großer Gemeinschaften von der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche, oft nicht ohne Schuld der Menschen auf beiden Seiten. Den Menschen jedoch, die jetzt in solchen Gemeinschaften geboren sind und in ihnen den Glauben an Christus erlangen, darf die Schuld der Trennung nicht zur Last gelegt werden – die katholische Kirche betrachtet sie als Brüder, in Verehrung und Liebe. Denn wer an Christus glaubt und in der rechten Weise die Taufe empfangen hat, steht dadurch in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche. Da es zwischen ihnen und der katholischen Kirche sowohl in der Lehre und bisweilen auch in der Disziplin wie auch bezüglich der Struktur der Kirche Diskrepanzen verschiedener Art gibt, so stehen sicherlich nicht wenige Hindernisse der vollen kirchlichen Gemeinschaft entgegen, bisweilen recht schwerwiegende, um deren Überwindung die ökumenische Bewegung bemüht ist. Nichtsdestoweniger sind sie durch den Glauben in der Taufe gerechtfertigt und Christus eingegliedert (17), darum gebührt ihnen der Ehrenname des Christen, und mit Recht werden sie von den Söhnen der katholischen Kirche als Brüder im Herrn anerkannt.
Hinzu kommt, daß einige, ja sogar viele und bedeutende Elemente oder Güter, aus denen insgesamt die Kirche erbaut wird und ihr Leben gewinnt, auch außerhalb der sichtbaren Grenzen der katholischen Kirche existieren können: das geschriebene Wort Gottes, das Leben der Gnade, Glaube, Hoffnung und Liebe und andere innere Gaben des Heiligen Geistes und sichtbare Elemente: all dieses, das von Christus ausgeht und zu ihm hinführt, gehört rechtens zu der einzigen Kirche Christi.
Auch zahlreiche liturgische Handlungen der christlichen Religion werden bei den von uns getrennten Brüdern vollzogen, die auf verschiedene Weise je nach der verschiedenen Verfaßtheit einer jeden Kirche und Gemeinschaft ohne Zweifel tatsächlich das Leben der Gnade zeugen können und als geeignete Mittel für den Zutritt zur Gemeinschaft des Heiles angesehen werden müssen.
Ebenso sind diese getrennten Kirchen und Gemeinschaften trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet.
Dennoch erfreuen sich die von uns getrennten Brüder, sowohl als einzelne wie auch als Gemeinschaften und Kirchen betrachtet, nicht jener Einheit, die Jesus Christus all denen schenken wollte, die er zu einem Leibe und zur Neuheit des Lebens wiedergeboren und lebendig gemacht hat, jener Einheit, die die Heilige Schrift und die verehrungswürdige Tradition der Kirche bekennt. Denn nur durch die katholische Kirche Christi, die das allgemeine Hilfsmittel des Heiles ist, kann man Zutritt zu der ganzen Fülle der Heilsmittel haben. Denn einzig dem Apostelkollegium, an dessen Spitze Petrus steht, hat der Herr, so glauben wir, alle Güter des Neuen Bundes anvertraut, um den einen Leib Christi auf Erden zu konstituieren, welchem alle völlig eingegliedert werden müssen, die schon auf irgendeine Weise zum Volke Gottes gehören. Dieses Volk Gottes bleibt zwar während seiner irdischen Pilgerschaft in seinen Gliedern der Sünde ausgesetzt, aber es wächst in Christus und wird von Gott nach seinem geheimnisvollen Ratschluß sanft geleitet, bis es zur ganzen Fülle der ewigen Herrlichkeit im himmlischen Jerusalem freudig gelangt.“ (Unitatis redintegration, 21. November 1964, Nr. 3, „Konzilspapst“ Papst Paul VI., mehr Informationen)