Am 14. und 15. September 2022 fand in der Hauptstadt Kasachstans, Nur Sultan, der siebte Kongress der geistlichen Führer der Welt- und traditionellen Religionen statt, an dem auch Papst Franziskus teilnahm. Die Kongresse fanden seit 2003 alle drei Jahre statt.
Ziele des Kongresses sind die „Suche nach gemeinsamen menschlichen Bezugspunkten in den globalen und traditionellen Formen der Religionen“ sowie die Einrichtung einer „ständigen interkonfessionellen internationalen Institution für den Dialog der Religionen und die Verabschiedung abgestimmter Entscheidungen“.
Mithilfe großzügiger finanzieller Mittel sollen insbesondere die „Stärkung des interreligiösen und interkonfessionellen Dialogs in Form von interreligiösen Kongressen“ vorangetrieben werden; außerdem wird damit die „Schaffung eines ständigen Organs des Kongresses“ in Form eines Sekretariats ermöglicht.
Wichtige Punkte in den Agenden sind die „Zusammenarbeit mit allen internationalen Organisationen zur Förderung des Dialogs zwischen den Religionen, Kulturen und Zivilisationen“, die „Vertiefung und Stärkung des gegenseitigen Respekts zwischen den Religionsgemeinschaften“ und die „Entwicklung einer Kultur der Toleranz als Gegengewicht zur Ideologie des Hasses und des Extremismus“.
Die Idee eines Parlaments der Religionen geht auf das Jahr 1893 zurück.
In Punkt 10 kann man den Verzicht auf Religionszwang befürworten. Doch ob die verschiedenen Religionen von Gott gewollt sind, wird eigentlich von den meisten Religionen inhaltlich abgelehnt. Nur schon in der Zielformulierung sind die Religionen unterschiedlich.
Mit Punkt 13 anerkennt man eine Reihe von Aussagen, die außerhalb der Erklärung selbst liegen.
Punkt 22 und 23 hängen auch in der Luft, da nicht klar ist, welches Verständnis über die Frau und die Familie gemeint ist.
Die Abschlusserklärung des 7. Kongresses der Weltreligionen im Wortlaut
Hier ist die Abschlusserklärung des 7. Kongresses der Führer der Weltreligionen und traditionellen Religionen im Wortlaut in einer Arbeitsübersetzung.
Die offizielle englische Version ist auf https://religions-congress.org/en/page/deklaraciya-uchastnikov-VII
ERKLÄRUNG DES 7. KONGRESSES
DER FÜHRER DER WELTRELIGIONEN UND TRADITIONELLEN RELIGIONEN
Wir, die Teilnehmer des 7. Kongresses der geistlichen Führer der Welt- und traditionellen Religionen, Politiker und Leiter internationaler Organisationen,
geleitet von dem gemeinsamen Wunsch nach globaler Konsolidierung im Namen einer nachhaltigen, gerechten, sicheren und florierenden Welt,
in Bekräftigung der Bedeutung gemeinsamer menschlicher Werte für die geistige und soziale Entwicklung der Menschheit, die universellen Frieden, Sicherheit und Stabilität gewährleisten;
in Anerkennung der zentralen Bedeutung geistiger und moralischer Leitlinien für die nachhaltige und stabile Entwicklung sozialer Beziehungen und die Überwindung von Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Konflikten, die auf sozialen, ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschieden beruhen,
unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung, die der Erhaltung der religiösen und kulturellen Vielfalt für die menschliche Zivilisation zukommt;
in der Erkenntnis, dass karitative Aktionen, Mitgefühl, Barmherzigkeit, Engagement für die Ideale der sozialen Gerechtigkeit und Solidarität zur Annäherung von Menschen und Gesellschaften beitragen,
und in Anerkennung des Wertes der religiösen Formation und Bildung für die persönliche Entfaltung und die Förderung der Achtung der anderen Religionen und Kulturen,
bekräftigen die Bedeutung der Rolle der Frau in der Familie und in der Gesellschaft, der Erziehung der jungen Generation und der gesellschaftspolitischen Prozesse,
und stellen fest, dass die Unausgewogenheit bei der Nutzung der Vorteile der modernen Welt zu Ungleichheit, Krisen, Konflikten, sozialen Spannungen und Unstimmigkeiten führt.
In Anerkennung der Bedeutung eines konsolidierten Widerstands gegen die globalen Herausforderungen und Bedrohungen der modernen Welt nach der Pandemie, einschließlich des organisierten Verbrechens und des Terrorismus, der Drogen, der illegalen Migration und des Klimawandels, der Armut und des Hungers,
verurteilen wir aufs Schärfste den Extremismus, Radikalismus und Terrorismus, insbesondere auf der Grundlage religiöser Überzeugungen, die die wichtigsten zivilisatorischen Werte – das Leben und die Würde des Menschen, Frieden und Sicherheit – in Frage stellen,
sowie die Schaffung von Brennpunkten zwischenstaatlicher und internationaler Spannungen in der Welt,
und bringen unsere ernste Besorgnis über die Verschlechterung der Lage in verschiedenen Teilen unseres Planeten und die wachsende Zahl von Migranten und Flüchtlingen zum Ausdruck, die humanitäre Hilfe und Schutz benötigen,
in dem festen Wunsch, zur Schaffung der Voraussetzungen für Versöhnung und Dialog zwischen den Konfliktparteien beizutragen.
Indem wir die dringende Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen der geistlichen und politischen Führer erkennen, die Unstimmigkeiten der modernen Welt auszugleichen,
und indem wir alle internationalen, regionalen, nationalen und lokalen Initiativen sowie die Bemühungen religiöser Führer zur Förderung des interreligiösen, interkulturellen und interzivilisatorischen Dialogs begrüßend die Absicht bekunden, die Zusammenarbeit zwischen Religionsgemeinschaften, internationalen, nationalen und öffentlichen Institutionen sowie Nichtregierungsorganisationen in der Zeit nach der Pandemie zu intensivieren,
bekräftigen wir, dass der Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen im Laufe der Jahre zu einer universellen internationalen Plattform des interreligiösen Dialogs für Vertreter verschiedener Religionen, Konfessionen und Glaubensrichtungen geworden ist,
und stellen fest, wie wichtig dieser Kongress für die Umsetzung weiterer konkreter Schritte zur Ausweitung des interreligiösen, interkulturellen und interzivilisatorischen Dialogs ist.
UND SO HABEN WIR UNS AUF EINEN GEMEINSAMEN STANDPUNKT GEEINIGT UND ERKLÄREN WIE FOLGT:
- Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass der Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen seine regelmäßigen Aktivitäten zum Nutzen des Friedens und des Dialogs zwischen den Religionen, Kulturen und Zivilisationen fortsetzt.
- Wir erklären, dass der Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen unter den Bedingungen der Entwicklung der Welt nach der Pandemie, der Globalisierung der Weltprozesse und der Sicherheitsbedrohungen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der gemeinsamen Bemühungen zur Stärkung des zivilisierten Dialogs im Namen des Friedens und der Zusammenarbeit sowie der Förderung der geistigen und moralischen Werte spielt.
- Wir stellen fest, dass pandemische Krankheiten Risiken und Bedrohungen für die gesamte Menschheit mit sich bringen und sich negativ auf alle Gesellschaften und Staaten der Welt auswirken. Diese negativen Folgen können nur durch gemeinsame Anstrengungen, Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe überwunden werden.
- Wir sind davon überzeugt, dass die Entfesselung eines militärischen Konflikts, eines Brennpunkts der Spannung und Konfrontation eine Kettenreaktion auslöst und zur Zerstörung des Systems der internationalen Beziehungen führt.
- Wir sind der Überzeugung, dass Extremismus, Radikalismus, Terrorismus und alle anderen Formen von Gewalt und Krieg, unabhängig von ihren Zielen, nichts mit wahrer Religion zu tun haben und aufs Schärfste abgelehnt werden müssen.
- Wir fordern die nationalen Regierungen und die autorisierten internationalen Organisationen nachdrücklich auf, allen religiösen Gruppen und ethnischen Gemeinschaften, die infolge von Kriegen und militärischen Konflikten der Verletzung von Rechten und der Gewalt durch Extremisten und Terroristen ausgesetzt sind, umfassende Hilfe zu leisten.
- Wir rufen die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, Konflikte und Blutvergießen in allen Ecken unseres Planeten zu beenden und auf eine aggressive und destruktive Rhetorik zu verzichten, die zur Destabilisierung der Welt führt.
- Wir rufen religiöse Führer und prominente politische Persönlichkeiten aus verschiedenen Teilen der Welt auf, unermüdlich den Dialog im Namen der Freundschaft, der Solidarität und der friedlichen Koexistenz in der ganzen Welt voranzutreiben.
- Wir befürworten die aktive Beteiligung der Führer der Welt- und traditionellen Religionen sowie prominenter politischer Persönlichkeiten am Prozess der Erreichung langfristiger Stabilität und Konfliktlösung.
- Wir stellen fest, dass Pluralismus und Unterschiede in Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Rasse und Sprache ein Ausdruck der Weisheit des göttlichen Willens sind, mit dem Gott den Menschen geschaffen hat. In dieser Hinsicht ist jede Art von Zwang zu einer bestimmten Religion und religiösen Lehre inakzeptabel.
- Wir fordern die volle Unterstützung von Initiativen, die auf die praktische Umsetzung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs, der Grundsätze der menschlichen Geschwisterlichkeit, der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität im Namen einer besseren Gegenwart und Zukunft für alle Völker abzielen.
- Wir sind solidarisch mit den Bemühungen der Vereinten Nationen, anderer internationaler und regionaler Institutionen sowie nationaler Regierungen und öffentlicher und nichtstaatlicher Organisationen, den Dialog zwischen Zivilisationen, Religionen und Nationen zu fördern.
- Wir anerkennen die Bedeutung und den Wert des Dokuments des Heiligen Stuhls und Al-Azhar Al-Sharifs über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt– das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Resolution A/RES/75/200 vom 21. Dezember 2020 angenommen wurde – und die im Mai 2019 angenommene Erklärung von Mekka, die die Gläubigen zu Dialog, gegenseitigem Verständnis und Zusammenarbeit für das Gemeinwohl aufrufen.
- Wir begrüßen die Fortschritte, die die Weltgemeinschaft auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Technologie, der Medizin, der Industrie und in anderen Bereichen erzielt hat, und stellen zugleich fest, wie wichtig es ist, dass diese Fortschritte mit den geistigen und humanistischen Werten der Menschheit in Einklang gebracht werden.
- Wir sind uns bewusst, dass soziale Probleme die Menschen oft zu extremen Handlungen veranlassen, und rufen alle Staaten der Welt auf, ihren Bürgern menschenwürdige Lebensbedingungen zu gewährleisten.
- Wir stellen fest, dass Menschen und Gesellschaften ohne solide geistige Werte und moralische Richtlinien dazu verurteilt sind, die grundlegende Basis der menschlichen Natur zu verlieren: den Wunsch nach Kreativität und Humanismus.
- Wir appellieren an die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, sich auf die Überwindung der Ungleichgewichte in der Entwicklung moderner Gesellschaften zu konzentrieren und das Wohlstandsgefälle zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und den verschiedenen Ländern der Welt zu verringern.
- Wir stellen fest, dass die Rolle der Führer der Welt- und traditionellen Religionen und ihre aktive religiöse Diplomatie in der modernen Welt einen positiven Einfluss auf die sozio-politischen Prozesse in den Staaten und Gesellschaften haben und zur Erhaltung des Friedens und der universellen Werte beitragen.
- Wir gehen von der unumstößlichen Tatsache aus, dass der Allmächtige alle Menschen gleich geschaffen hat, ungeachtet ihrer Rasse, Religion, ethnischen Zugehörigkeit oder sonstigen Zugehörigkeit und ihres sozialen Status – und daher sollten Toleranz, Respekt und gegenseitiges Verständnis das Ziel jeder religiösen Verkündigung sein.
- Wir rufen politische und öffentliche Persönlichkeiten, Journalisten und Blogger auf, die religiösen und nationalen Gefühle der Menschen in Betracht zu ziehen und Extremismus und Terrorismus nicht mit ganzen Nationen und friedliebenden Religionen gleichzusetzen.
- Wir setzen uns dafür ein, dass Bildung und religiöse Aufklärung eine größere Rolle spielen, um das respektvolle Zusammenleben der Religionen und Kulturen zu stärken und gefährliche pseudoreligiöse Vorurteile zu entlarven.
- Wir achten besonders darauf, wie wichtig es ist, die Institution Familie zu stärken.
- Wir treten ein für den Schutz der Würde und der Rechte der Frau, für die Verbesserung ihrer sozialen Stellung als gleichberechtigtes Mitglied der Familie und der Gesellschaft.
- Wir stellen fest, dass die globale digitale Entwicklung unausweichlich ist und dass religiöse und geistliche Führer eine wichtige Rolle bei der Interaktion mit Politikern spielen, um die Probleme der digitalen Ungleichheit zu lösen.
- Wir sind bestrebt, einen Dialog mit den Medien und anderen gesellschaftlichen Institutionen zu entwickeln, um den allseitigen Nutzen universeller und religiöser Werte zu verdeutlichen sowie religiöse Bildung, zivilen Frieden und interreligiöse Toleranz zu fördern.
- Wir rufen alle gläubigen Menschen guten Willens auf, sich in dieser schwierigen Zeit zu vereinen und ihren möglichen Beitrag zur Gewährleistung von Harmonie und Sicherheit in unserem gemeinsamen Haus – dem Planeten Erde – zu leisten.
- Wir beten für alle Menschen guten Willens auf dieser Erde, die einen bedeutenden Beitrag zur Ausweitung des interzivilisatorischen, interreligiösen und zwischenstaatlichen Dialogs im Namen einer besseren und wohlhabenderen Welt leisten.
- Wir rufen dazu auf, Gesten der Barmherzigkeit und des Mitgefühls in Regionen zu unterstützen, die von militärischen Konflikten, Naturkatastrophen und von Menschen verursachten Katastrophen betroffen sind.
- Wir rufen dazu auf, internationale Organisationen und nationale Regierungen bei ihren Bemühungen um die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie solidarisch zu unterstützen.
- Wir erklären, dass die Ergebnisse des Kongresses und diese Erklärung eine wichtige Leitlinie für die heutigen und zukünftigen Generationen der Menschheit werden sollen, um eine Kultur der Toleranz, des gegenseitigen Respekts und der Friedfertigkeit zu fördern – und dass sie in der öffentlichen Verwaltung jedes Landes der Welt sowie von internationalen Organisationen, einschließlich der UN-Institutionen, umgesetzt werden sollen.
- Wir beauftragen das Kongress-Sekretariat, ein Konzept für die Entwicklung des Kongresses der Führer der Welt- und traditionellen Religionen als universelle globale Plattform für den interreligiösen Dialog für den Zeitraum 2023-2033 zu entwickeln.
- Wir freuen uns, die Rolle der Republik Kasachstan als maßgebliches und globales Zentrum des interzivilisatorischen, interreligiösen und interkulturellen Dialogs zur Kenntnis zu nehmen.
- Wir danken der Republik Kasachstan und Präsident Kassym-Jomart Tokajew für ihre humanistischen Initiativen, für die Einberufung des 7. Kongresses der Führer der Welt- und traditionellen Religionen, für ihren Beitrag zu Schöpfung und Fortschritt, Frieden und Harmonie.
- Wir sind der Republik Kasachstan dankbar für die hervorragende Organisation des Kongresses und dem kasachischen Volk für seine Herzlichkeit und Gastfreundschaft.
- Wir bekräftigen unser gemeinsames Interesse an der Fortsetzung der Aktivitäten des Kongresses der Führer der Welt- und traditionellen Religionen und unsere Absicht, den nächsten 8. Kongress im Jahr 2025 in der Hauptstadt der Republik Kasachstan, Nur-Sultan, einzuberufen.
Diese Erklärung wurde von der Mehrheit der Delegierten des 7. Kongresses der Führer der Weltreligionen und der traditionellen Religionen angenommen und wird den Behördenvertretern, politischen Führern und religiösen Persönlichkeiten in der ganzen Welt sowie den einschlägigen regionalen und internationalen Organisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft, religiösen Vereinigungen und führenden Experten auch als offizielles Dokument der 77. Sitzung der UN-Versammlung übermittelt.
Die in der vorliegenden Erklärung enthaltenen Grundsätze können auf allen regionalen und internationalen Ebenen verbreitet werden, wobei daran appelliert wird, dass sie in den jeweiligen Ländern in den politischen Entscheidungen, Gesetzesnormen, Bildungsprogrammen und Massenmedien berücksichtigt werden.
MÖGEN UNSERE BESTREBUNGEN GESEGNET SEIN
UND MÖGEN ALLE VÖLKER UND LÄNDER IN DEN GENUSS VON FRIEDEN UND WOHLERGEHEN KOMMEN!
REPUBLIK KASACHSTAN
NUR-SULTAN
- SEPTEMBER 2022