18.8.23
Der Insolvenzantrag des hochverschuldeten chinesischen Immobilienentwicklers China Evergrande hat Sorgen um den Zustand der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt geschürt. Evergrande hatte einen Antrag auf Gläubigerschutz nach Kapitel 15 in den USA gestellt. Dabei geht es um Schulden im Ausland in Höhe von mehr als 19 Milliarden Dollar. Ein großer Teil der Auslandsschulden des Konzerns unterliegen US-amerikanischem Recht. Das Unternehmen war in Schieflage geraten, nachdem die chinesische Staatsführung im Jahr 2020 schärfere Regeln für die Immobilienentwickler erlassen hatte. Die Insolvenzmitteilung kommt inmitten einer ganzen Reihe von schlechten Nachrichten über die chinesische Wirtschaft. Erst in dieser Woche hatte der große chinesische Immobilienentwickler Country Garden laut Medienberichten vor Zahlungsschwierigkeiten gewarnt. Die Krise auf dem chinesischen Immobilienmarkt droht auch auf die Finanzbranche überzugreifen. So räumte sowohl der Treuhandfonds Zhongrong International Trust gegenüber Investoren „kurzfristige Liquiditätsschwierigkeiten“ ein als auch das Finanzkonglomerat Zhongzhi, das einen 33-prozentigen Anteil an Zhongrong hält.
16.8.23
Die Hoffnungen waren groß, dass sich die chinesische Wirtschaft nach dem Ende der Null-COVID-Politik erholen würde. Sie bleiben aber offenbar unerfüllt: Die Exporte sind auf dem niedrigsten Stand seit dem Frühjahr 2020, das Bruttoinlandprodukt (BIP) liegt deutlich unter der Prognose, der PMI (Purchasing Managers‘ Index), ein Frühindikator für wirtschaftliche Aktivität, sinkt seit vier Monaten. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt dagegen auf ein Rekordhoch von über 20 Prozent. Peking will nun den Binnenkonsum ankurbeln. Rolf Langhammer, Wirtschaftsprofessor vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (ifw Kiel), meint dazu: „Das ist wie ein Strohfeuer. Es brennt schnell, aber erlischt auch sehr schnell.” Für den Ökonom und China-Experten liegt das wesentliche Problem darin, dass es kein großes Vertrauen mehr in Chinas Wirtschaft gebe. Zu dem Vertrauensverlust führten unter anderem die hohe Jugendarbeitslosigkeit sowie die niedrigen Erwartungen, dass sich die Einkommen der Bürger nach oben entwickeln werden. Zudem drohe China eine Deflation-Gefahr, das heißt, die Preise könnten niedriger werden. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist so etwas auf den ersten Blick gut, aber da würde man weniger heute konsumieren, weil man einen noch günstigeren Preis in der Zukunft erwartet. Im DW-Interview betont die schweizerische Ökonomin, dass die punktuellen Maßnahmen wie der Rabatt für Elektroautos und Elektronik nicht den Kern der Sache treffen würden. „Man muss eigentlich an der Altersvorsorge und Arbeitslosigkeit arbeiten, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft zu geben.“ Der Kieler China-Experte Langhammer ist fest überzeugt: Wenn China eine echte binnenorientierte Wirtschaft-Supermacht werden möchte, müsse sein Binnenkonsum einen deutlich höheren Anteil an der Wirtschaft erhalten. „Und das geht nur, wenn der Staat erst einmal Geld in die Hand nimmt für Sozialausgaben, um der Bevölkerung Vertrauen und Mut zu geben, wieder mehr zu konsumieren. Das ist ein langfristiger Weg, aber meines Erachtens der einzige Weg.“ Allerdings geht China das Geld aus, denn insbesondere die Lokalregierungen sind hochverschuldet.
29.11.22 Das China-Staatsfernsehen zeigt nun bei den Übertragungen von der WM 2022 keine Fans ohne Maske. Die Zensur könnte eine Reaktion auf die jüngsten Proteste sein. Wie AFP-Reporter berichten, werden nun bei der Übertragung der Spiele an der WM 2022 Nahaufnahmen von Stadionbesuchern ohne Maske herausgeschnitten.
28.11.22 Die WM führt den Chinesen ihre Misere vor Augen.
Angesichts voller Stadien und jubelnder, maskenloser Fans stellen nicht wenige von ihnen plötzlich die Pandemiemaßnahmen ihrer eigenen Regierung infrage. „Ich kann es nicht fassen: So viele Menschen auf einem Haufen ohne Maske?“, schreibt ein User auf der Smartphone-App Wechat.
Tatsächlich ist das Schauen der Weltmeisterschaft eine geradezu surreale Erfahrung: Während Millionen Chinesen im Lockdown sitzen und vorsorglich Nahrungsvorräte angelegt haben, feiern in Katar Zehntausende Fußballbegeisterte ausgelassen im Stadion. „Meine größte Erkenntnis aus der WM: Niemand trägt eine Maske, und niemand hat Angst vor der Pandemie!“, postet ein weiterer Nutzer.
Die Realität innerhalb Chinas könnte unterschiedlicher nicht sein: Nachdem am Donnerstag mit über 31.000 Infektionsfällen der höchste Wert seit Beginn der Pandemie registriert wurde, sind unzählige Städte wieder in einen strikten Lockdown versetzt worden.
Reisen in benachbarte Provinzen sind seit Jahresbeginn nahezu unmöglich, an Ferien im Ausland ist nicht einmal zu denken.
Doch gleichzeitig ist es für viele, insbesondere ältere Chinesen schwer, sich ein akkurates Bild vom weltweiten Pandemiegeschehen zu machen. Die Propaganda der Staatsmedien behauptet schließlich nach wie vor, dass das Ausland im Covid-Chaos versinkt, während die Volksrepublik als einziger Staat der Welt die Menschenleben vor dem Virus schützen kann.
Sämtliche Schattenseiten der eigenen Lockdownstrategie werden von den Zensoren aus dem Internet gelöscht. Und dass weite Teile der Welt – auch dank westlichen MRNA-Vakzinen, die in China nicht zugelassen sind – mit dem Virus zu leben gelernt haben, wird ebenfalls verschwiegen.
Die Fußball-WM wird hingegen ganz offiziell im Staatssender CCTV übertragen. Dort wird stolz betont, dass chinesische Firmen das Sportereignis durch den Bau des Lusail-Stadions, gelieferte Elektrobusse und großzügige Sponsorings erst möglich gemacht haben. Doch schlussendlich konnten die Behörden nicht damit rechnen, dass die Wirkung eines harmlosen Fußballturniers auf die eigene Bevölkerung schlussendlich zum Propaganda-Eigentor ausarten würde.
In China weiten sich die Proteste gegen die strikten Corona-Maßnahmen aus. Am Samstagabend gingen die Menschen auch in der Finanzmetropole Shanghai auf die Straßen, um ihrem Unmut Luft zu machen. Zunächst handelte es sich um Mahnwache für die zehn Menschen, die bei einem Hochhausbrand in Urumqi ums Leben gekommen sind. Doch im Laufe der Nacht wandelte sich dies in Proteste. Die Menge hielt als Zeichen gegen Zensur weiße Blätter hoch. Augenzeugen zufolge und wie auf Videos zu sehen ist, rief eine Gruppe: „Nieder mit der Kommunistischen Partei Chinas, nieder mit Xi Jinping.“ Öffentliche Proteste gegen die Regierung und Präsident Xi sind selten in China.
Nach Protesten am Wochenende gegen strikte Corona-Maßnahmen hat China seinen Glauben an den Erfolg seiner strengen Pandemiepolitik bekräftigt. Bei einer Pressekonferenz am Montag antwortete ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums auf die Frage nach den Demonstrationen, die Frage entspreche nicht den „Fakten“ und erklärte: „Wir glauben, mit der Führung der Kommunistischen Partei Chinas und der Unterstützung des chinesischen Volkes wird unser Kampf gegen Covid-19 erfolgreich sein.“
25.10.22 Der Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas ist zu Ende – mit einem eindeutigen Ergebnis. Xi Jinping, der alte und neue Generalsekretär der Partei, hat seine Macht nicht nur gefestigt, sondern dies auch mit einer öffentlichen Machtdemonstration bewiesen. Denn vor den Augen auch westlicher Journalisten ließ er den neben ihm sitzenden Vorgänger Hu Jintao abführen. Mit dieser Demütigung des bisherigen Parteivorsitzenden hat Xi ein klares Signal an seine politischen Gegner und den Rest der Welt gesendet: Xi kann in seiner dritten Amtszeit unumschränkt herrschen.
Xi braucht nun Erfolge, denn die Arbeiter werden unruhig, und die Studenten haben zunehmend weniger Zukunftsaussichten. Es ist zu befürchten, dass Xi nun den Ausweg aus der chinesischen Krise in der militärischen Konfrontation mit Taiwan sucht.
Den lange angekündigten Anschluss Taiwans hat Xi nun vorverlegt. Taiwan sollte bis 2049, der 100-Jahrfeier der Kommunisten Partei, zu Festlandchina gehören, aber Xi dauert das zu lange. Es ist nun zu erwarten, dass er diesen Gewaltakt einer Invasion innerhalb seiner jetzigen Amtszeit unternimmt. Doch Taiwan hat seine Halbleiter für Apple und andere amerikanische Unternehmen so codiert, dass sie im Falle einer chinesischen Invasion von Chinesen nicht benutzt werden können.
22.10.22 Abschlusssitzung des Parteitags: Staats- und Parteichef Xi Jinping setzt sich über bisher respektierte Altersgrenzen hinweg und wird keinem jüngeren Nachfolger Platz machen. Die rund 2300 Delegierten kamen am Samstag, 22.10.22 in der Großen Halle des Volkes zusammen, um Ergänzungen der Parteiverfassung zu billigen. Damit soll die dauerhafte Führungsrolle und Ideologie von Staats- und Parteichef Xi Jinping tiefer in der Parteiverfassung verankert werden.
Kurz vor den Abstimmungen über die Änderung in Chinas Verfassung wurde der frühere Parteichef Hu Jintao gegen seinen Willen vom Podium geführt. Der gebrechlich wirkende Hu Jintao gilt nicht unbedingt als Unterstützer des heutigen Parteichefs. Er zählt zum Lager der kommunistischen Jugendliga in der Partei, das von Xi Jinping geschwächt worden war. Der frühere Präsident hatte das Amt des Generalsekretärs nach zwei Amtszeiten 2012 an Xi Jinping übergeben. Hu Jintao steht für das alte «kollektive» Führungsmodell mit Vertretern verschiedener Fraktionen und mit Alters- und Amtszeitbegrenzungen, über das sich der 69-jährige Xi Jinping mit seiner dritten Amtszeit hinwegsetzen will.
Das neue Zentralkomitee soll am Sonntag zu seiner ersten Plenarsitzung zusammenkommen, um die Neubesetzungen im Politbüro und seinem mächtigen Ständigen Ausschuss zu bestätigen. Dabei wird auch Xi Jinping als Generalsekretär und Chef der Militärkommission für eine ungewöhnliche dritte Amtszeit bestätigt.
Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation im Europäischen Parlament, warnt vor neuen Abhängigkeiten von China. Nach außen fühlt sich Pekings Führung stark wie nie. Peking will eine internationale Neuordnung, in der autoritäre Mächte das Sagen haben. Der Adressat vom Parteitag ist nicht das Ausland, sondern Chinas Bevölkerung. Die will die KP einschwören. Nach innen geht es um eine Mischung aus Han-Nationalismus und autoritärer Formierung aller Lebensbereiche unter immer mehr High-tech-Kontrolle der Partei. Es läuft gerade nicht richtig gut für Xi Jinping. Umso mehr wird er auf die diktatorische Umsetzung seines Willens pochen. Und das ist weltweit relevant. Seine Politik bedroht unsere Werte, unsere Interessen und unsere demokratische Lebensweise. Es gibt eine wachsende Sensibilität in der Wirtschaft gegenüber China. Teilweise auch schon vor Russlands Angriffskrieg. Auffällig ist, dass Firmen zunehmend Investitionen in China zurückhalten oder auf Diversifizierung anderswo setzen. mehr Informationen
18.10.22 Drei Tage vor Beginn des nur alle fünf Jahre stattfindenden Kongresses der Kommunistischen Partei in Peking wurde bei der ungewöhnlichen Aktion ein Protestbanner auf der Sitong-Brücke im Stadtviertel Haidian entrollt. „Wir wollen Nahrung, keine Covid-Tests. Wir wollen Freiheit, keine Lockdowns„, wandte sich die Parole darauf auch gegen Chinas strenge Null-Covid-Politik. „Wir wollen Würde, nicht Lügen. Wir brauchen Reform, keine Kulturrevolution„, stand weiter in roten Schriftzeichen auf dem weißen Banner zu lesen. „Wir wollen eine Stimme, keinen Führer. Seid keine Sklaven, seid Bürger.“ Über ein Megafon forderte eine Stimme „Stürzt Diktator Xi Jinping„, wie auf Videoaufnahmen zu hören war, die in sozialen Medien zirkulierten. Auch war zu sehen, wie die Polizei eine Person in Gewahrsam nahm und in einen Wagen lud, während das Banner weggeräumt wurde. Nach dem Protest wurde im chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo der Suchbegriff „Sitong-Brücke“, „Peking“ und „Haidian“ geblockt. Nur auf Twitter und YouTube sind noch Fotos und Videos der Protestaktion zu finden. Dort schrieben auch einige Chinesen, dass ihr Konto bei WeChat gesperrt wurde, weil sie Fotos der Demonstration geteilt hatten. mehr Informationen
Aus China wird Xina. Xi Jinping ist Staats-, Partei, und Militärchef. Schon Schulkinder müssen seine Texte lesen. Seine Gedanken zu China haben Verfassungsrang. Die Bilder im Fernsehen zeigen: Führerkult pur. International bekommt China zunehmend Gegenwind, und im Land sinkt das Wirtschaftswachstum. Unter Jugendlichen erreicht die Arbeitslosigkeit Rekordzahlen, viele Wanderarbeiter müssen am Essen sparen, eine Immobilienkrise erschüttert das Land. Mehr als 30 Jahre habe der Optimismus der Chinesen die Wirtschaft angetrieben, meint Jörg Wuttke. Er lebt seit vier Jahrzehnten in China, derzeit ist er Präsident der Europäischen Handelskammer. „Es gab immer den Glauben: Morgen wird besser sein als gestern. Ich glaube aber, dass dieser Glaube gerade schwindet.“ „Lange Zeit war wirtschaftliches Wachstum die staatliche Maxime, doch neuerdings siegt Ideologie„. Die Null-Covid-Politik etwa sei ideologisch motiviert. Ausländische mRNA-Impfstoffe werden in China nicht zugelassen. Während die Welt sich nach der Pandemie öffnet, sind Chinas Grenzen weiter dicht – auch wenn es zulasten der Wirtschaft geht. Das Land schottet sich ab, das Ausland wird dämonisiert.
Der politische Schriftsteller Murong Xuecun meint, Xi habe sich ohnehin von dem Diskurs über „Reform und Öffnung“ verabschiedet. Chinas Wirtschaft kopple sich immer mehr von den Prinzipien des freien Marktes ab. „Xi Jinping ist dazu übergegangen, nationalistische Diskurse wie ’nationales Wiedererstarken‘ zu verwenden,“ sagt Murong. „Ich denke, Xi ist wie Mao in seinem Alter oder wie andere Diktatoren, wie Kim Jong Un und Putin. Es ist schwierig für ihn, auf andere zu hören„, meint Murong. Genau darin liegt die Gefahr. Es fehle der Zugang zur Realität und Argumenten, meint Murong: „Alle Leute um ihn herum werden nur das sagen, was er hören will. Wenn Xi einen Krieg starten will, werden alle um ihn herum nur Gründe anführen, warum er einen Krieg gewinnen wird.“ mehr Informationen
Xi Jinping zum Auftakt des Parteikongresses (16. Oktober): In einer fast zweistündigen Rede am Sonntag ließ Chinas Präsident Xi Jinping die Welt wissen, dass China seinen Kurs nicht ändern werde – auch wenn es sich «gefährlichen Stürmen» in einer feindseligeren Welt gegenübersehe. Er wies auf «drastische Veränderungen in der internationalen Landschaft» hin und sagte, die Partei werde «Chinas Würde und Kerninteressen schützen». Xi verkündete am Sonntag, dass in der ehemaligen britischen Kolonie Hongkong «die Ordnung wiederhergestellt» sei, während er Taiwan als «Angelegenheit der Chinesen» bezeichnete, die es zu lösen gelte. Xi sagte zwar, China werde sich weiterhin mit größter Aufrichtigkeit und größter Anstrengung um eine friedliche Wiedervereinigung bemühen, fügte aber hinzu, die Drohung mit Gewaltanwendung richte sich «ausschließlich gegen die Einmischung externer Kräfte und einiger Separatisten, die die Unabhängigkeit Taiwans anstreben». «Die Räder der Geschichte rollen weiter in Richtung der Wiedervereinigung Chinas und der Verjüngung der chinesischen Nation», sagte Xi mit Blick auf Taiwan. «Die vollständige Wiedervereinigung unseres Landes muss verwirklicht werden, und sie kann zweifelsohne verwirklicht werden.»
Die Rede gab wenig Hoffnung auf einen Durchbruch in den Beziehungen zwischen den USA und China im Vorfeld eines möglichen Treffens mit Biden im nächsten Monat auf dem Gipfel der Gruppe der 20 in Bali, Indonesien. Anstatt eine «neue Art von Großmachtbeziehungen» mit den USA zu betonen, konzentrierte sich Xi auf Initiativen zum Ausbau der Beziehungen zu Entwicklungsländern im globalen Süden, so Yu Jie, eine leitende Forschungsbeauftragte für China bei Chatham House. «Es war auch ein Zeichen dafür, dass Peking erkannt hat, dass die angespannte Beziehung zum Westen auf Dauer bestehen bleibt, ohne Aussicht auf eine baldige Verbesserung», sagte sie. mehr Informationen
14.9.22 China stürzt auf Grund vieler hausgemachter Probleme in eine große Rezession. Das betrifft auch die ganze Welt.
Der Huawei Chef schrieb in einen Brandbrief an seine Mitarbeiter, dass es ums pure Überleben geht. Für Huawei ginge es nicht mehr um Expansion, sondern einzig ums «Überleben». Mehr noch: «Marginale Geschäftssparten werden verkleinert und geschlossen.» In den nächsten «drei bis fünf Jahren» gebe es zudem für Huawei «keinen Lichtblick» angesichts der Covid-Massnahmen, des Ukraine-Krieges und der «Blockade durch die USA».
Die urbane Jugendarbeitslosigkeit hat die historische 20-Prozent-Marke erreicht, die Immobilienkrise zieht immer weitere Kreise, und die ständig drohenden Corona-Lockdowns haben weite Teile der Bevölkerung zutiefst verunsichert. Allein in diesem Jahr kommen weit über zehn Millionen Universitätsabsolventen auf den Arbeitsmarkt. Viele von ihnen werden in ihrer Heimat wohl keine angemessene Perspektive vorfinden.
Folgende Faktoren ziehen zusätzlich herunter:
Seit April konnten mindestens 400.000 Kunden von vier Regionalbanken in den Provinzen Henan und Anhui plötzlich kein Geld mehr von ihren Konten abheben. Rund 40 Milliarden Yuan (5,7 Milliarden Euro) ihrer Ersparnisse lösten sich vor ihren Augen in Luft auf. Das Vertrauen in das Bankensystem geht verloren, was zu einer Kettenreaktion führt. Als die Kunden demonstrieren wollten, erlebten mehr als 1.000 Kundinnen und Kunden in Henan, wie sich ihr Gesundheitscode plötzlich auf rot schaltete. Von einem Moment auf den anderen stellten sie somit angeblich ein hohes Covid-19-Risiko dar und wurden in Quarantäne geschickt. Als sich später Hunderte Protestierende vor einer Bank in Henan versammelten, wurden sie von Sicherheitskräften auseinandergetrieben, manche auf offener Strasse brutal zusammengeschlagen. Kein Medium wagte es, über diese Vorfälle zu berichten. Die chinesische Einlagensicherung garantiert eigentlich Bankguthaben bis zur Höhe von 500.000 Yuan pro Einzelkonto. Die Regierung hat nach wie vor nicht entschieden, ob die Einlagensicherung die Verluste ausgleicht. Sie könnte durchaus bequemerweise zum Ergebnis kommen, dass das Geld gestohlen worden ist – in diesem Fall würde die Versicherung nämlich nicht greifen. Im zweiten Quartal 2021 entdeckte die chinesische Zentralbank, dass 122 der Regionalbanken stark gefährdet sind, das sind rund 29 Prozent aller Hochrisikoinstitute, die als „tickende Bomben“ des Finanzsystems entschärft werden müssen.
Der zweite Juli-Schock war ein Erdbeben im Immobiliensektor. Tausende Familien in mehr als 100 Städten Chinas wurden darüber informiert, dass die neuen Wohnungen, für die sie Millionen von Yuan ausgegeben hatten, nicht fertiggestellt würden. Die Immobilienpreise sind so enorm gestiegen, dass ein junger Chinese für eine Stadtwohnung heute das Vermögen von sechs Familienmitgliedern, also auch der Eltern und Großeltern, anlegen muss. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der monatliche Darlehenrückzahlungsanteil die Hälfte oder gar zwei Drittel des monatlichen Einkommens eines jungen Paars ausmacht, und zwar über zwanzig bis dreißig Jahre. Sich an einem solchen verrückten Rennen zu beteiligen, scheint irrational, aber viele Chinesinnen und Chinesen sehen keine andere Möglichkeit, ihre Vermögen zu sichern. Wer in den letzten Jahrzehnten keine Immobilien gekauft hat, konnte dem Schrumpfen seiner Guthaben während mehrerer Inflationsrunden zusehen. Vor dem kollektiven Darlehens-Boykott im Juli mussten viele Familien Darlehen für Häuser zurückzahlen, die gar nicht existierten. Mit dem Boykott gerät nun das ganze System der Vorfinanzierung aus den Fugen. Hunderte Milliarden von chinesischen Hauskäufer-Geldern stecken in diesen Vorkaufs-Konten fest. Manche kämpfen seit mehr als einem Jahrzehnt. Diejenigen, denen das Geld ausgeht und die sich die Miete nicht mehr leisten konnten, hatten manchmal keine andere Wahl, als in unvollendeten Neubauten ohne Fenster, Tür, Wasser, Elektrizität oder Gas zu leben.
Die Null-Covid-Toleranzpolitik führt dazu, dass ganze Städte mit Millionen von Menschen lahmlegt werden.
Eine schwere Dürre, die seit 1865 die trockensten Flussbetten verursacht, hat sich auf den Handel ausgewirkt, da sie die Preise für Transport, Wasser und Strom in die Höhe getrieben hat.
Die Roads and Belt Initiative, die China mit Europa verbinden sollte, indem sie Billionen von Dollar an Dritte-Welt-Länder entlang der Route verlieh, scheiterte, da viele dieser Länder wie Tadschikistan, Pakistan, Sri Lanka und andere afrikanische Länder zahlungsunfähig sind.
Durch die Globalisierung sind wir alle