Ursprünglich war Salma al-Schihab zu drei oder sechs Jahren Haft verurteilt worden, wegen der Nutzung einer Internetseite, um «öffentliche Unruhe zu stiften und die zivile und nationale Sicherheit zu destabilisieren». Das berichtet die britische Zeitung «The Guardian».
Ein Berufungsgericht hat nun die Gefängnisstrafe auf 34 Jahre erhöht. Zudem hat es ein Reiseverbot für weitere 34 Jahre ausgesprochen.
Das neue Urteil wurde aufgrund ihrer Aktivitäten auf Twitter gefällt. Durch Retweets und das Folgen gewisser Konten unterstütze al-Schihab jene, «die öffentliche Unruhe stiften und die zivile und nationale Sicherheit destabilisieren», wirft ihr die Staatsanwaltschaft gemäß Gerichtsunterlagen vor.
Die Doktorandin der Zahnmedizin und zweifache Mutter lebt eigentlich in Großbritannien. Während eines Heimatbesuchs in Saudi-Arabien im Januar 2021 wurde sie wenige Tage vor ihrer geplanten Rückreise festgenommen. Sie gehört der schiitischen Minderheit an, die in dem sunnitischen Land diskriminiert und verfolgt wird.
Wie Recherchen des «Guardians» zeigen, trat al-Schihab nicht als führende oder besonders laute Aktivistin auf. Auf Twitter erreichte die Verurteilte relativ wenige Menschen – rund 2500 Leute folgten ihr auf dem Kurznachrichtendienst.
Neben alltäglichen Beiträgen teilte al-Schihab auch Aufrufe von saudischen Dissidenten im Exil, welche die Freilassung von politischen Gefangenen verlangten. Sie sprach sich gegen das System männlicher Vormundschaft in Saudi-Arabien aus und unterstützte die Frauenrechtlerin Ludschain al-Hathlul. 2019 twitterte sie: „Ich lehne Ungerechtigkeit ab und unterstütze die Unterdrückten“, Ende 2020 „Freiheit für die Häftlinge des Patriarchats“.
Die Menschenrechtsorganisaiton GCHR bezeichnete das Urteil als eine «Botschaft der Drohungen und Einschüchterung von Kronprinz Mohammed bin Salman», dem faktischen Herrscher des Königreichs, an «alle Internet-Aktivisten». Dies sei das «Schicksal all derjenigen, die soziale Netzwerke nutzen».
Das Urteil kann noch vor dem Obersten Gerichtshof angefochten werden.
Die Situation der Menschenrechte in Saudi-Arabien verschärft sich, seit das Land die G20-Präsidentschaft abgegeben hat, beobachtet Amnesty International. Die Behörden würden Reiseverbote nutzen, um Aktivisten und ihre Angehörige einzuschüchtern. Derzeit befänden sich 39 Personen wegen ihrem Aktivismus in Haft. Nach dem Ende der saudischen G20-Präsidentschaft sind auch die Hinrichtungen in dem Land wieder deutlich angestiegen. Das geht aus einem Bericht von Amnesty International hervor. Zwischen Januar und Juli dieses Jahres wurden 40 Menschen hingerichtet. 2020 – während der Zeit der saudischen G20-Präsidentschaft – wurden insgesamt 27 Menschen hingerichtet.
Mehrere Menschen seien auf „Grundlage eines grob unfairen Verfahrens“ zu Haftstrafen und mitunter auch zum Tode verurteilt worden. So werden nach Amnesty-Angaben etwa durch Folter „Geständnisse“ erzwungen. Unter anderem für satirische Netzbeiträge und Menschenrechtsaktivismus hätten Menschen in der ersten Jahreshälfte auch langjährige Haftstrafen bekommen.
Nach dem Gefängnis erwarteten viele von ihnen unter anderem Reiseverbote. Ein solches wurde auch für die berühmte Frauenrechtsaktivistin Ludschain al-Hathlul verhängt. Sie war wegen ihres Engagements für ein Ende des Fahrverbots für Frauen zu einer Bewährungsstrafe von drei Jahren verurteilt worden.