Joe Bidens Haltung im Wahlkampf war glasklar: Die Saudis müssen einen Preis zahlen für die Ermordung des kritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul in der Türkei.
Wegen des Jemen-Krieges stoppte Biden die Lieferung schwerer Waffen an Saudi-Arabien und liess die rebellischen Houthis von der Terrorliste streichen.
Er versuchte, das Atomabkommen mit dem Iran wiederzubeleben, also mit dem Erzfeind der Saudis.
Biden ging auch persönlich auf Distanz: kein Besuch in Riad, keine Einladung an den starken Mann des Regimes, an Kronprinz Mohammed bin-Salman nach Washington, nicht mal ein Telefongespräch. Es war das Ende einer achtzigjährigen Freundschaft zwischen den USA und Saudi-Arabien.
Nun kommt Bidens Kehrtwende. Höchst unfreiwillig. Er will im Juli nach Riad reisen und signalisiert über seinen Aussenminister und seine Berater eine Wiederannäherung. Auf einmal brauchen die USA die Saudis.
Das «Wall Street Journal» vermeldet in Berufung auf anonyme Quellen im Weisse Haus, dass Biden im Rahmen einer Nahost-Reise im Juli tatsächlich den saudischen Kronprinzen Muhammad bin Salman (MbS) treffen wil.
Sie sollen den Ölhahn weit öffnen, um so die wegen des Ukraine-Kriegs und der Boykotte gegen russisches Öl gestiegenen Preise zu stabilisieren. Zwar beziehen die Amerikaner selber kein saudisches Öl. Doch die Benzin- und Heizölpreissteigerungen treffen auch sie. Das schafft Unmut gegen die Regierung Biden und gegen die Demokraten. Und das ist heikel vor den Zwischenwahlen im November.
Ob die Saudis ihre Ölförderung wirklich kräftig erhöhen wollen, ist unklar, da sie vom hohen Preis enorm profitieren.
Bidens Reiseplan wird von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert. Damit werde Machthaber bin-Salman praktisch rehabilitiert. mehr Informationen
Mit der Kehrtwende triumphiere „die Realpolitik über die moralische Empörung“, zitiert die „New York Times“ außenpolitische Experten.
Noch sind die Einzelheiten der Reise Bidens nach Riad zwar nicht offiziell angekündigt worden. Aber Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) hat bereits zwei Vorleistungen erbracht und damit sein Interesse gezeigt, das Verhältnis zu den USA auf eine neue Basis zu stellen.
Saudi-Arabien holte sich diese Woche von den Mitgliedern der Opec-Staaten die Erlaubnis, die Fördermenge zu erhöhen. Gleichzeitig erklärte sich das Königreich bereit, den Waffenstillstand im Jemen um zwei Monate zu verlängern.
Das Weiße Haus lobte Saudi-Arabien für seine positive Rolle innerhalb der Opec-Länder, mehr Öl zu pumpen. Zudem pries Biden die Saudis für ihre Zustimmung zu einer Verlängerung des Waffenstillstands im achtjährigen Krieg gegen die Huthis im Jemen.
Saudi-Arabien sei für die USA „ein wichtiger Partner bei der Bekämpfung des Extremismus in der Region“, sagte US-Außenminister Antony Blinken und nannte dabei speziell die Herausforderungen durch den Iran. Vor dem Hintergrund der iranischen Bedrohung geht es den USA auch um eine bessere Koordination der regionalen Verteidigung.
Die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu intensivieren, sei bereits in Gesprächen zwischen Jerusalem und Washington diskutiert worden, heißt es in Israel. Dazu könnte auch die Bildung eines regionalen Verteidigungssystems gehören, um iranische Raketen und Marschflugkörper sowie Drohnen abzuwehren.
Blinken sagte diese Woche, dass Riad dem Abraham-Abkommen beitreten könnte. Die Menschenrechte seien immer noch wichtig, aber „wir befassen uns mit der Gesamtheit unserer Interessen in dieser Beziehung“.
Kurz zuvor hatte Israels Außenminister Jair Lapid durchblicken lassen, dass sein Land, zusammen mit den USA und Golfstaaten an einem „Normalisierungsprozess mit Riad“ arbeite. Er sprach allerdings von „Babyschritten“, um allzu hohe Erwartungen zu dämpfen.
Zwischen Israel und Saudi-Arabien gibt es zwar keine offiziellen diplomatischen Beziehungen, aber es häufen sich Berichte über inoffizielle Kontakte. Bin Salman sehe Israel als „strategischen Partner“ im Kampf gegen den iranischen Einfluss in der Region, sagen Beobachter in Jerusalem, die sich auf US-Diplomaten stützen. Riad ist aber auch daran interessiert, mit der Hightech-Nation, wie bereits die Emirate und Bahrain, ins Geschäft zu kommen. mehr Informationen
In der Zwischenzeit wurde der für Ende Juni angekündigte erste Nahost-Besuch von Joe Biden als Präsident, für den in Jerusalem bereits umfangreiche Vorbereitungen getroffen wurden, aus „terminlichen Gründen“ in den Juli verschoben. Sollte sich die Regierung Bennett irgendwie stabilisieren, wird Bidens Nahost-Besuch wahrscheinlich eher früher als später stattfinden.
Biden hatte am Sonntag vor Journalisten erklärt, der Besuch finde im Rahmen eines grösseren Treffens statt und habe «nichts mit Energie» zu tun. Ein Grund sei vielmehr «die nationale Sicherheit, ihre… die Sicherheit der Israeli…» Der Israelbesuch des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, der ja vom Juni verschoben worden war, soll nun am 14. Juli beginnen, ungeachtet der von einer Krise in die andere rutschende israelische Regierung. Das meldete Radio Israel.
Obamas Nachfolger Donald Trump unterhielt zwar gute persönliche Beziehungen zu MBS, aber die bilateralen Beziehungen verschlechterten sich auch unter seiner Führung weiter. Die USA haben nicht nur entschieden, Saudi-Arabien nicht vor dem iranischen Angriff auf seine zentralen Öleinrichtungen im Jahr 2019 zu schützen – der vorübergehend 50 Prozent der Ölproduktion des Königreichs zum Erliegen brachte – sie haben den Iran auch nicht für den Angriff bestraft. Während der Präsidentschaft Trumps vertiefte Saudi-Arabien seine Beziehungen zu Russland. Dieser Prozess begann Ende 2016, kurz vor Trumps Amtsantritt, als die OPEC und Russland eine Vereinbarung zur Drosselung der Ölproduktion trafen. Drei Jahre lang haben sich Saudi-Arabien und Russland im Rahmen des OPEC+-Abkommens über Förderquoten abgestimmt.
Im März 2020 allerdings, als die Covid-19-Pandemie die weltweite Ölnachfrage einbrechen ließ, verlangte OPEC+ eine massive Drosselung der Fördermengen, doch Russland legte sich quer. Also überschwemmte Saudi-Arabien den Markt und zwang Russland so zurück in das OPEC+-Abkommen.
In den Augen Saudi-Arabiens ist Russland sowohl ein potenzieller Waffenlieferant als auch das einzige große Land, das Druck auf den Iran ausüben kann. Und tatsächlich hat Russland nun die Verhandlungen über ein neues Atom-Abkommen mit dem Iran quasi in Geiselhaft für seine Bemühungen um Lockerungen der westlichen Sanktionen genommen.
Das saudische Königreich hat vor allem durch verstärkte Waffenkäufe auch engere Beziehungen zu Frankreich und Großbritannien geknüpft. Außerdem strebt Saudi-Arabien Joint Ventures mit China und Unternehmen aus anderen Ländern an, um Waffensysteme vor Ort produzieren zu können.
Die USA haben auch Hürden für den Verkauf von militärischen Gütern an Saudi-Arabien (und die Vereinigten Arabischen Emirate) errichtet und weigern sich gleichzeitig, nachrichtendienstliche und logistische Unterstützung im Jemen anzubieten, wo Saudi-Arabien und seine Verbündeten versuchen, die vom Iran unterstützten Huthis daran zu hindern, die Kontrolle über das Land zu übernehmen.
All das macht Saudi-Arabien nicht sonderlich empfänglich für amerikanische Anliegen. Ebenso wie sich das Königreich im vergangenen November weigerte, dem Ersuchen der Regierung Biden um eine Erhöhung der Ölförderung nachzukommen – bei dem es sich offensichtlich um einen Versuch handelte, die Preise an den Tankstellen zu senken und damit die Chancen der Demokraten bei den diesjährigen Zwischenwahlen zu verbessern.
Die saudi-arabische Führung hat aber auch die Lehren der 1970er-Jahre verstanden, als hohe Preise zu einem Rückgang der Ölnachfrage führten. Die USA und ihre Verbündeten zu einer beschleunigten Umstellung auf erneuerbare Energieträger zu motivieren, ist das Letzte, das die saudi-arabische Führung will. Die einzige Frage lautet, bei welchem Ölpreis sie sich veranlasst sieht, zu handeln. mehr Informationen