Update 18.8.23 Obwohl Erdogan bereits zweimal erklärte, dass er mit dem NATO-Beitritt Schwedens „zustimmt“, dämpft der türkische Justizminister Yılmaz Tunç nun die Begeisterung. „Wir haben vorläufige Anforderungen“, sagte er. „Zuerst müssen sie uns alle Terroristen ausliefern. Dann müssen sie die Angriffe auf den Heiligen Koran stoppen, und schließlich wird das Parlament prüfen, ob Schweden seinen Verpflichtungen gegen den Terrorismus nachgekommen ist.“ Mit anderen Worten: Sie sind auf den Nullpunkt zurückgekehrt. Unter den Auslieferungspflichtigen befinden sich auch kurdische Flüchtlinge, die bereits schwedische Staatsbürger sind.
Wegen Drohungen aus dem Ausland bezüglich vermehrter Koranverbrennungen hebt Schweden die Terrorwarnstufe auf das zweithöchste Niveau an. Das Terrornetzwerk Al-Kaida hatte mit Blick auf die Koran-Verbrennungen in Schweden und auch in Dänemark zuletzt in einer mutmaßlichen Stellungnahme zu Anschlägen gegen die Länder aufgerufen.
In Schweden sind Koran-Verbrennungen von der Meinungsfreiheit gedeckt. Schweden war 1766 das erste Land weltweit, das die Pressefreiheit garantierte. Zusätzlich gibt es in Schweden ein Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Allerdings gibt es derzeit eine Diskussion in Schweden, dieses Grundrecht einzuschränken und Koranverbrennungen künftig zu verbieten.
Türkei und Ungarn als die letzten beiden Nato-Mitglieder den schwedischen Beitritt noch nicht ratifiziert.
Update 19.12.22 Der Oberste Gerichtshof von Schweden hat der Auslieferung eines im Exil lebenden Journalisten in die Türkei einen Riegel vorgeschoben. Die Türkei die beantragte die Auslieferung von insgesamt 33 Personen, bevor sie der Natoaufnahme von Schweden und Finnland zustimme. Dem Journalisten Bülent Kenes wird von der türkischen Führung vorgeworfen, mitverantwortlich für den gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016 sowie an der sogenannten Gülen-Bewegung beteiligt gewesen zu sein. Er war 2016 nach besagtem Putschversuch nach Schweden geflohen, wo ihm politisches Asyl gewährt wurde. Kenes war Chefredakteur der englischsprachigen Zeitung «Today’s Zaman» gewesen, gegen die der türkische Staat nach dem versuchten Staatsstreich vorging. Nach Angaben der schwedischen Nachrichtenagentur TT wurde er vor sieben Jahren auch zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, weil er Erdogan auf Twitter verunglimpft haben soll. Die Einschätzung des Gerichts bedeutet demnach, dass die letztlich in solchen Fragen entscheidende schwedische Regierung keine Möglichkeit hat, dem Auslieferungsantrag zuzustimmen.
Update 29.6.22 Nach dem türkischen Einlenken im Streit um einen Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands dringt die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson auf raschen Vollzug. Die Türkei hat ihren Widerstand gegen die Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato aufgegeben. Die Türkei werde während des Nato-Gipfels in Madrid die Einladung an die beiden nordischen Länder, Bündnismitglied zu werden, unterstützen, teilte der finnische Präsident Sauli Niinistö am Dienstagabend mit. Ein entsprechendes Memorandum wurde nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von den Außenministern der drei Länder unterschrieben. Das gemeinsame Memorandum unterstreiche die Verpflichtung Finnlands, Schwedens und der Türkei, ihre volle Unterstützung gegen die Bedrohung der Sicherheit des jeweils anderen Landes zu gewährleisten, hieß es in der Mitteilung des finnischen Präsidenten.
Im Rahmen des neuen Abkommens mit den beiden Ländern erinnere das Justizministerium daran, dass die Türkei die Auslieferung von insgesamt 33 Personen beantragt habe, sagte Justizminister Bekir Bozdag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch. Von Finnland verlange man die Aushändigung von zwölf mutmaßlichen Terroristen, von Schweden die Überstellung von 21 Verdächtigen. Dabei gehe es um Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der sogenannten Gülen-Bewegung.
Die Einigung im Streit mit der Türkei um eine Nato-Aufnahme von Schweden und Finnland hat in Stockholm für Kritik gesorgt. Amineh Kakabaveh sprach von einem «schwarzen Tag in der schwedischen politischen Geschichte». Die einflussreiche kurdischstämmige Abgeordnete äußerte sich am Mittwoch im schwedischen Rundfunk zum Entscheid. Sie drohte mit einem Misstrauensvotum gegen Außenministerin Ann Linde. Linde selbst versicherte im schwedischen Radio: «Wir werden die demokratischen Rechte nicht ändern, die Menschen haben. Aber andererseits wird es eine erhebliche Verschärfung geben, wenn es darum geht, verschiedene Teile terroristischer Aktivitäten zu kriminalisieren.» Schweden dürfe kein Zufluchtsort für Terroristen sein.
Update 27.6.22: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat auch einen Tag vor Beginn des Nato-Gipfels keine Kompromissbereitschaft in Sachen Nato-Norderweiterung signalisiert. Den Gesprächspartnern werde man die „Scheinheiligkeit“ gegenüber „Terrororganisationen“ mit „Dokumenten, Informationen und Bildern“ erklären. Die 30 Nato-Staaten treffen sich ab Dienstag zu einem mehrtägigen Gipfel in Madrid. Am Rande soll noch einmal versucht werden, die türkische Blockadehaltung zu überwinden. Der türkische Hinweis auf „Terrororganisationen“ bezieht sich auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG, die Schweden und Finnland angeblich unterstützten – was beide Länder zurückweisen.
Der türkische Präsident Erdogan hat der türkischen Armee grünes Licht für den Beginn von Militäroperationen im syrischen Territorium gegeben.
Der türkische Präsident habe auch Frankreich, Deutschland und die Benelux-Länder als Staaten genannt, die kurdische Terroristen „gewähren lassen“. (Die Türkei zeigt, dass sie nicht die gleichen Werte wie die anderen NATO Ländern hat).
Update 14.6.22 Großer Sieg für den türkischen Präsidenten Erdogan. Schweden gab nach und wird all seinen Forderungen nachkommen, die PKK als Terrororganisation zu erklären und zu versprechen, niemals Waffen an die Feinde der Türkei zu verkaufen.
21.5.22 Für einen Beitritt zur Nato hat die Türkei Schweden aufgefordert, seine Unterstützung für «terroristische Gruppierungen» und ein Waffenembargo zu beenden. Diese Forderungen habe Präsident Recep Tayyip Erdogan der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson am Samstag genannt, teilte Erdogans Büro mit. Schweden müsse seine «politische, finanzielle und militärische Unterstützung» für terroristische Gruppen einstellen und «Embargos für die Verteidigungsindustrie» beenden, die es nach einer türkischen Militäroperation gegen die syrische Kurdenmiliz verhängt hat, hiess es in der Stellungnahme aus Ankara.
Dr. Paul Levin, Direktor des Instituts für Türkeistudien an der Universität Stockholm in tageschau de:
Der türkische Präsident Erdogan wirft Schweden vor, Terrororganisationen wie die PKK zu unterstützen. Es gibt aber keine offizielle Beziehung zwischen Schweden und der PKK. Die PKK ist in Schweden als Terroristenorganisation eingestuft. In der Türkei hat man aber eine ganz andere und gewissermaßen weitumfassendere Terrorgesetzgebung. In Schweden ist sie begrenzt, sie gewährt der Polizei weniger Möglichkeiten. Es ist beispielsweise nicht konkret verboten, Mitglied einer Terrororganisation zu sein. Man muss beweisen, dass Terrorakte geplant oder ausgeführt wurden.
Gleichermaßen ist die Gesetzgebung für Meinungsfreiheit sehr liberal. Das bedeutet letztlich, dass die schwedische Polizei zum Beispiel keine PKK-Anhänger stoppen kann, wenn diese auf schwedischen Marktplätzen PKK-Fahnen schwingen. Das wird von türkischer Seite als Tolerierung der PKK gesehen.
Die Türkei hat außerdem für einige Menschen in Schweden, die sie als PKK-Anhänger sieht, die Auslieferung beantragt, was Schweden abgelehnt hat.
Und sie fordert die Aufhebung des schwedischen Waffenembargos an die Türkei. Das hat Schweden 2019 eingeführt, als das türkische Militär in kurdisch kontrollierte Gebiete in Nordsyrien einmarschierte. Als die Türkei 2019 in die kurdischen Gebiete Syriens ging, hat Schweden 100 Millionen Kronen (umgerechnet rund zehn Millionen Euro) zugesagt, unter anderem für die Wasserversorgung dort, aber auch für Frauen, die vorher unter dem „Islamischen Staat“ sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren. Schwedische Vertreter haben aber auch führende Vertreter verschiedener politischer wie militärischer kurdischer Organisationen getroffen. Deutschland zum Beispiel hat ebenfalls Beziehungen zu den autonomen kurdischen Regionen in Nordsyrien, aber dort war man immer vorsichtiger, nicht gemeinsam mit deren Vertretern auf Fotos zu erscheinen, wie das schwedische Politiker gemacht haben. Jetzt steht Schweden vor der Tür der NATO und bittet um Zutritt, das gibt der Türkei die Möglichkeit, dies zu verhindern.
Warum wird auch Finnlands Beitritt zur NATO von der Türkei blockiert? Finnland nur eine Geisel in diesem Drama, dass sich eher um die schwedisch-türkischen Beziehungen dreht. mehr Informationen
Schweden kann die Meinungsfreiheit und sein Rechtsystem nicht wegen einem diktatorischen Herrscher verändern.
Die schwedische Außenministerin hat der Türkei Desinformation vorgeworfen. In einem Tweet wies die schwedische Außenministerin Ann Linde am Freitag die türkischen Vorwürfe zurück, ihr Land unterstütze den Terrorismus. „Aufgrund der weit verbreiteten Desinformation über Schweden und die PKK möchten wir daran erinnern, dass die schwedische Regierung unter Olof Palme bereits 1984 als erste nach der Türkei die PKK als terroristische Organisation aufgelistet hat“, schrieb Linde und merkte an, dass die EU 2002 „nachgezogen“ habe. Schwedens Position, so die Ministerin, „bleibt unverändert“.
„Was getan werden muss, ist klar: Sie müssen aufhören, PKK-Vertretungen, Aktivitäten, Organisationen, Einzelpersonen und andere Arten der Präsenz in diesen Ländern zuzulassen“, sagte Erdogan-Sprecher Ibrahim Kalin in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. mehr Informationen
Die Türkei fordert unter anderem die Auslieferung von 30 Kurden an die Türkei. Es sollen vor allem Mitglieder der Gülen Bewegung sein. Finnland und Schweden stehen nun im Status wie die Ukraine. Sie haben einzelne „Sicherheitsgarantien“ doch nichts Handfestes. Für würde die Nato entsteht durch den Beitritt ein Plus, weil hochqualifizierte Armen sich verbinden und die Ostsee von Natomitgliedern umrundet ist, außer Kaliningrad.