Wie geht es weiter mit Erdogan

Nach 19 Jahren heißt es in der Türkei zum ersten Mal: „Die Ära Erdoğan geht zu Ende.“

Obwohl der türkische Präsident in den Jahren seiner Regierungszeit zahlreiche Krisen erlebt hat, hieß es nie, er sei am Ende des Weges angelangt. Aus zwei relevanten Gründen ist nun aber vom Ende die Rede, der eine hängt mit seiner Gesundheit zusammen, der andere mit den Wahlen.

Am 21. Juli sendete Erdoğan zum Opferfest eine Grußbotschaft live aus seiner Sommerresidenz in Marmaris. In dem 13-minütigen Video wirkte er behäbig, und die Aussprache so mancher vom Prompter abgelesenen Wörter fiel ihm schwer. Mitten in der Sendung nickte er sogar ein. Er fing sich zwar und sprach weiter, doch die Sendung ging bereits in den sozialen Medien viral. Kurz darauf aber wurden Videos verbreitet, in denen der Präsident ganz offensichtlich Schwierigkeiten beim Gehen hatte.

Vor 20 Jahren, als er noch in der Opposition war, las Erdoğan älteren Regierungspolitikern die Leviten und forderte für Politiker ein Rentenalter von 65 Jahren. Nun liegt sein eigener 65. Geburtstag bereits zweieinhalb Jahre zurück. Als der damalige Premier Ecevit sich vor wiederum gut 20 Jahren aus gesundheitlichen Gründen beim Gehen schwertat, ätzte Erdoğan: „Er ist ernsthaft krank. Er sollte jetzt zurücktreten.“ Diese Aufnahmen werden jetzt neben jene gestellt, in denen er selbst nur mühsam läuft.

Da die türkischen Mainstream-Medien zum größten Teil vom Palast kontrolliert sind, reden sie selbstverständlich nicht darüber. Um auch die sozialen Medien zum Verstummen zu bringen, die das Thema auswalzen, bereitet die Regierung derzeit ein neues Zensurgesetz vor.

2023 wird in der Türkei gewählt. Man spricht über die Wahrscheinlichkeit, dass es schon 2022 vorgezogene Wahlen geben könnte.

Die türkische Gesellschaft hat seit Langem mit den Problemen zu kämpfen, die durch vier Millionen syrische Flüchtlinge im Land entstanden sind. Jetzt reagierte sie abweisend auf die neue Flüchtlingswelle. Selbst an der Basis der Regierungspartei AKP kam es zu Protesten.

Um den Zustrom afghanischer Flüchtlinge zu stoppen, kann es die westliche Welt, allen voran Deutschland, kaum erwarten, mit Erdoğan eine ähnliche Vereinbarung wie das Flüchtlingsabkommen von 2015 zu schließen. Ob das der türkischen Regierung in der Wirtschaftskrise helfen wird, ist fraglich. Sicher aber ist, dass es die soziale Krise verschärfen.

Der Vorsitzende der sozialdemokratischen CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, sagte in Richtung USA: „Diese Abkommen, die Sie mit Erdoğan geschlossen haben, akzeptieren wir als künftiges Regierungsmitglied und als Bündnis, das das Land regieren wird, unter keinen Umständen. Was auch immer Sie ihm gesagt haben, bindet Erdoğan, aber nicht die Türkei.“   mehr Informationen

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