Er wolle ein System, das gegen die Trennung von Kirche und Staat verstößt, nicht länger unterstützen, begründet Giuseppe Gracia seinen Austritt aus der Schweizer Landeskirche. Um einen Austritt aus der Kirche handelt es sich aber nicht.
Seit Jahren, so Gracia, habe er öffentlich das Schweizer Staatskirchentum kritisiert, „eine Vermischung von Staat und Kirche u.a. zum Zweck der Einnahmen von Steuern. Ein System, das gegen die Trennung von Kirche und Staat verstößt und ich nicht länger mittragen will“.
Gracia, der auch als Publizist und Schriftsteller arbeitet, betonte in einer Presseerklärung ausdrücklich, dass es sich bei seinem Schritt nicht um einen Austritt aus der Kirche handele, sondern nur um das Ende seiner Mitgliedschaft in der staatlichen Körperschaft, die sich in der Schweiz Landeskirche nennt, und unabhängig von den Bischöfen die Steuergelder verwalte.
Die Landeskirchen sind eine staatlich geschaffene Körperschaft, die autonom von den Bischöfen sind, Steuergeld autonom verwalteten und auch unabhängig von den Bischöfen Personal einstellen und Verträge abschließen können. „Außerdem ist der Unterschied, dass man aus diesen Körperschaften gemäß Bundesgericht austreten kann, ohne deswegen aus der eigentlichen Kirche auszutreten.“
Gracia betrachte sich weiter als Katholik, „verbunden mit der eigentlichen, sakramentalen, römisch-katholischen Kirche“. mehr Informationen
Das Bundesgerichtsurteil vom 9. Juli 2012 hat die Möglichkeit für Gläubige bestätigt, auch ohne Mitgliedschaft in einer kantonalen staatskirchenrechtlichen Körperschaft („Landeskirche“) oder Kirchgemeinde katholisch zu sein, in Gemeinschaft mit der Weltkirche, dem Bistum und der Pfarrei, bei uneingeschränktem Zugang zum Leben der Kirche und zu den Sakramenten sowie Sakramentalien (z.B. Taufe, Beichte, Heirat, Begräbnis). Das Urteil bestätigt für Bischof Vitus Huonder das 2009 eingeführte „Churer Modell,“das mit den kantonalen Körperschaften abgesprochen wurde. Das Modell respektiert die Freiheit der Gläubigen und bietet die Möglichkeit, statt Kirchensteuern freie Beträge an eine Solidaritätsstiftung des Bistums zu bezahlen. mehr Informationen
Die Landeskirchen, eine Schweizerische Eigenheit, sind vom Staat geschaffene Körperschaften, organisiert nach demokratischen Grundsätzen. Sie verwalten die Kirchensteuern und verwenden sie für die kirchliche Arbeit, mehr oder weniger in Zusammenarbeit mit den Bischöfen.
2019 wehrte dich der Churer Bischof gegen die Verwendung der Gelder. Bischof Vitus Huonder hatte wegen eines Entscheids des Parlaments der katholischen Landeskirche Graubünden geklagt. Das sogenannte «Corpus catholicum» beschloss Ende 2012, der Schwangerschaftsberatungsstelle Adebar jährlich 15’000 Franken zu überweisen. Der Verein führt unter anderem Beratungen zum Thema Verhütung und Schwangerschaftsabbruch durch. Das Bistum Chur ist vor dem Bundesgericht abgeblitzt. Es wies die Beschwerde wegen Verletzung der Religionsfreiheit ab.
Das Bistum stört sich insbesondere daran, dass eine Organisation wie das Corpus catholicum, die unter dem Label «katholisch» segelt, Aktivitäten unterstützt, die der Lehre der katholischen Kirche widersprechen.
Gemäss dem Vademecum dürfen die Landeskirchen die Steuergelder nur ausgeben für kirchliche Aufgaben und Interessen, «aber in keinem Fall für Aktionen oder Einrichtungen, die mit dem Glauben und der Sendung der katholischen Kirche nicht vereinbar sind». Für das Bistum Chur ist klar: Der Beitrag an Adebar verletzt die Regeln der Schweizer Bischöfe.
Explizit anerkannt hat der Papst die Landeskirchen nie. «Die Schweizer Bischöfe haben sie aber akzeptiert», sagt Christoph Winzeler, Titularprofessor für Staats- und Kirchenrecht an der Universität Freiburg. mehr Informationen