Die Gedenkfeier am 5. Mai anlässlich des 200. Todestages von Napoleon Bonaparte ist in Frankreich höchst umstritten. Freunde und Feinde des Franzosenkaisers äußern sich in der französischen Presse kontrovers.
Augenfällig und exemplarisch zeigt sich die Spaltung der Franzosen zu diesem Thema in den Überschriften der dieser Tage zuhauf erscheinenden Artikel: „Napoleon zwischen Diabolisierung und Rehabilitierung“ (L’Express), „Napoleon: Grandios oder verabscheuenswürdig?“ (Le Point), „Weißer Suprematist, Frauenfeind, Totengräber der Republik: Napoleon auf der Anklagebank“, „Muss man Napoleon lieben oder hassen?
Vor 200 Jahren starb Napoleon, Kaiser der Franzosen. Er wurde als Erfinder des modernen Staates glorifiziert und als Zerstörer einer gottgewollten Ordnung verwünscht.
Der britische Historiker Andrew Roberts gibt zu bedenken, dass viele Ideen, die unserer heutigen Welt zu Grunde liegen, wie Leistungsgesellschaft, Gleichheit vor dem Gesetz, verbrieftes Recht auf Eigentum, säkulare Erziehung und Gleichheit der Religionen, geordnete Staatsfinanzen, effiziente und rationale Verwaltung, von dem als Feldherrn angetretenen Franzosen stammen, der zudem noch das größte Gesetzeswerk seit dem römischen Recht zustande brachte.
Durch die Einrichtung der „Grandes écoles“ schuf der Kaiser nicht nur exzellente Lehranstalten für das Militär und alle Arten der exakten Wissenschaften, Institute, die im Nachbarland bis heute wichtiger als die Universitäten sind. Es gelang ihm so vor allem, zur Schaffung einer neuen Elite beizutragen, die nun allein auf Verdienst, in diesem Fall auf guten Noten, basierte. Herkunft und familiäre Beziehungen zählten nicht mehr, allein die Leistung. Die Herrschaft dieser Mandarine hat aber auch eine andere Seite: Man bleibt unter sich, Kinder von Einwanderer-Familien finden sich dort nur selten.
In der Außenpolitik war Bonaparte Innovator, indem er das Nationalitäten-Prinzip erfand. So wie er nach innen Frankreich zusammenführte, auf eine einheitliche Schul-, Schrift- und Verwaltungssprache drängte und die gut ausgebildeten Staatsbeamten zum Kern einer neuen Aristokratie machte, so präsentierte er sich nach außen als Befreier der europäischen Völker, die er von dynastischen Erbfolgeregelungen reinigen und ihnen ihre natürlichen Grenzen geben wollte.
Eine große und bleibende Reform gelang in der Rechtspolitik. Mit dem 1804 eingeführten Code Civil, dem bürgerlichen Gesetzbuch, wurde nicht nur zum ersten Mal ein einheitliches Werk geschaffen, das die Vielzahl der bisherigen Rechtsquellen in sich aufnahm, es folgte zudem neuen, bisher nicht gekannten Grundsätzen: Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, zahlreiche Freiheitsrechte (etwa für die Juden), Garantie der Vertragsfreiheit und des Eigentums, aber auch das Ende jeglicher kirchlicher Eigenrechte.
Viele Künstler hat Napoleon zunächst begeistert, als Kaiser dann abgestoßen. Für Heinrich Heine aber blieb er ein weltlicher Heiland , für ihn war der einstige Nationalfeind der Befreiungskriege vor allem ein Held des Liberalismus. Vieles von dem, was er einführte, ist immer noch da, wie Meter-Maß und Hausnummern. Er wurde ein Opfer des eigenen Wahns: Russland zu erobern ist noch niemandem gelungen. Danach ging es bergab.
Der Abgeordnete Alexis Corbière der linksradikalen Partei „La France Insoumise“ nennt Napoleon den „Totengräber“ der Republik.
Schon zu Lebzeiten habe Napoleon Empörung auf sich gezogen, so etwa von dem großen französischen Schriftsteller François-René de Chateaubriand, der Napoleon, Valeurs actuelles zufolge, die vielen Toten der von ihm geführten Kriege vorhielt und ihm „vorgeworfen hatte, ein ausgeblutetes Frankreich hinterlassen zu haben“.
Statt den Akzent nur auf die Frage nach den politischen und gesellschaftlichen Implikationen zu legen, die die Herrschaft Napoleons mit sich brachte, widmet sich die katholische Zeitschrift La Nef in ihrem Titelthema unter anderem den spirituellen Voraussetzungen des streng katholisch erzogenen Napoleon sowie dessen religiöser Weiterentwicklung im Jugend- und Erwachsenenalter. Der Beitrag „Napoleon und die Religionen“ von Yves Chiron wirft einen Blick auf seine katholische Sozialisation. So ging er auf eine von Ordensschwestern geführte Schule und bezeichnete den Tag seiner Erstkommunion an der Militärschule von Brienne als „glücklichsten“ Tag seines Lebens.
Als junger Mann sei er durch die Lektüre von Schriften Rousseaus beeinflusst worden, vor allem durch dessen „Glaubensbekenntnis des Savoyischen Vikars“: „Er wurde durch das Konzept einer Naturreligion beeinflusst, die fern der Dogmen war. Sein Glauben an ein höchstes Wesen bestand fort – aber bekannte er den ganzen Glauben des Credo?“ Diese Frage werde weiter diskutiert, denn „seine Verstoßung von Josephine, die nicht-kanonische Annullierung seiner ersten Ehe, seine zahlreichen Liebesbeziehungen und seine beiden unehelichen Kinder zeigen, dass sein Privatleben nicht immer in Übereinstimmung mit der katholischen Moral standen“. Außerdem sei „seine Angehörigkeit zur Freimaurerei mehr als wahrscheinlich, seine religiösen Gefühle ließen sich gut mit dem Relativismus der Freimaurerei vereinbaren“. mehr Informationen
Sobald er es konnte, half Napoleon, den anti-christlichen Terror der Jakobiner zu stoppen.
Als Kaiser hilt er es für seine Pflicht, jeden Morgen der Messe beizuwohnen. Im Exil in St. Helena hielt er fest: „Meine Herren, ich kenne die Menschen. Jesus Christus war mehr als ein Mensch. (…) Zwischen dem Christenglauben und welcher Religion auch immer liegt die Kluft der Unendlichkeit“ (Napoleon Bonaparte I., Conversations avec General Bertrand à St. Helena). Sein Ende ist jedenfalls das eines Katholiken. mehr Informationen
“Ich kenne die Menschen und ich sage euch, dass Jesus Christus kein gewöhnlicher Mensch ist. Zwischen ihm und jeder anderen Person in der Welt gibt es überhaupt keinen Vergleich. Alexander, Cäsar, Karl der Grosse und ich habe Reiche gegründet. Aber worauf beruhten die Schöpfungen unseres Genies? Auf Gewalt. Jesus Christus gründete sein Reich auf der Liebe; und zu dieser Stunde würden Millionen Menschen für ihn sterben.”Frank S. Mead, The Encyclopedia of Religious Quotations, Westwood, Fleming H. Revell, S. 56
,,Ich habe mit all meinen Armeen und Generälen nicht ein Vierteljahrhundert lang auch nur einen Kontinent mir unterwerfen können. Und dieser Jesus siegt ohne Waffengewalt über die Jahrtausende, über die Völker und Kulturen.“” Napoleon Bonaparte I., zit. bei: Peter Fischer, Streng vertraulich, Joh. Brendow & Sohn Verlag, Moers, 2004, S.249
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