Emanuel Youkhana, Erzdiakon der assyrischen Kirche des Ostens, schrieb am 8. Februar: „Wir sind Zeuge, wie ein weiteres arabisches Land seine christlich-assyrische Minderheit verliert. Als sich das im Irak zutrug, glaube niemand, dass auch Syrien an der Reihe sein würde. Christliche Assyrer fliehen verstärkt vor Bedrohungen, Entführungen, Vergewaltigungen und Ermordungen. Hinter den täglichen Bomben findet eine ethno-religiöse Säuberung statt und bald wird Syrien von seinen Christen leer gefegt sein.“
Offizielle Informationen und Medienberichte über das Schicksal der Christen sind dürftig. Christen verlassen in Strömen das Land. Wenn sie die Grenze zum Libanon überschritten haben, suchen sie meist bei christlichen Gemeinden vor Ort nach Hilfe. Erzbischof George Saliba sagt: „Wir haben Hunderte Flüchtlinge aus Syrien, die jede Woche ankommen. Ich weiss nicht, was ich machen soll.“
Der syrisch-katholische Patriarch Ignatius Ephrem Josef III beschreibt es einen „grossen Exodus, der lautlos stattfindet.“ Auch beherberge er Christen, die vor einigen Jahren aus dem Irak geflohen waren.
Einige der syrischen Flüchtlinge sagen, dass sie planen im Libanon zu bleiben, bis sich Syrien „beruhigt hat“ und sie in ihr Heim zurück können. Viele andere sagten, dass es „undenkbar“ sein zurückzukehren und haben Pläne, nach Europa zu kommen – entweder mit einem gültigen Visum oder bezahlt mit Schmugglern, die eine aktuelle Rate von 20‘000 $ verlangen. Viele hoffen, nach Schweden oder Deutschland geschmuggelt zu werden. Die schwedische Stadt Sodertalje schein ein beliebtes Ziel zu sein, denn wöchentlich treffen dort 35 christliche Familien aus Syrien ein.
Panik erfasst die Flüchtlinge. Sie fühlen, dass sie zur Zielscheibe werden, weil sie Christen sind und das bedeutet, dass Militante und Verbrecher sie strafffrei angreifen können.
Ein Vater erzählt: „Wir sind nicht arm, wir sind nicht vor der Armut geflohen, wir sind aus Angst davongelaufen. Ich muss an meine zwölf-jährige Tochter denken. Sie ist leichte Beute für Entführer. Drei Kinder unserer Freunde wurden entführt. In zwei Fällen bezahlten sie ein hohes Lösegeld, um die Kinder zurückerhalten, und in einem Fall zahlten sie, aber das Kind kam tot zurück.“
An weiterer Mann bezeugt: „In Syrien weisst du nicht, wer dein Freund oder Feind ist. Die Vermögenden trifft es am schlimmsten. Verbrecher stehen Schlange, um sie zu entführen.“
Vollständige Daten über die Anzahl der Flüchtlinge gibt es nicht. Wie viele Christen bisher geflohen sind, ist unbekannt und Flüchtlinge strömen weiterhin jeden Tag über die Grenzen. Wir fangen gerade erst an zu begreifen, welcher Gefahr sie ausgesetzt sind.
Als Nahost-Koordinator der Caritas Österreich und Leiter der Auslandshilfe der Caritas Salzburg fällt es mir zwar nicht leicht, ein schlechtes Licht auf eine Person der kirchlichen Hierarchie zu werfen, aber ich fühle mich verpflichtet, folgende Information über den im Artikel erwähnten Bischof Saliba (Bischof der syrisch-orthodoxen Kirche) der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen: Im Artikel steht, dass er nicht wisse, was er mit den vielen Flüchtlingen tun soll. Ich kann hier die Antwort darauf geben, was er tatsächlich tun – nämlich gutes Geld verdienen. Es stimmt zwar, dass er eine größere Zahl von christlichen Familien aus verschiedensten Regionen Syriens in seinem Kloster Mar Gabriel in Ajeltoun/Libanon aufgenommen hat – die andere Seite aber ist folgende: diese Familien mussten zunächst 200 US $ pro Zimmer und Monat zahlen, einige Zeit später wurde der Tarif auf 400 US $ verdoppelt und seit Monatsbeginn (Anfang September) müssen jeweils 500 US $ pro Monat für ein kleines Zimmer mit Sanitärtrakt bezahlt werden, was selbst im teuren Libanon eine Frechheit darstellt. Ich unterstelle Bischof Saliba deshalb ein tüchtiger Geschäftsmann zu sein, der sich auf dem Rücken der Flüchtlinge bereichert, aber mit Sicherheit kein guter Bischof, der als Vorbild in schwierigen Zeiten dienen kann. Dazu kommt noch, dass bereits mehrere Familien aus dem Kloster verwiesen wurden, da sie diese hohe Kosten für das Zimmer nicht mehr bezahlen konnten. Zuletzt – erst vor wenigen Tagen – die 70jährige Jacqueline, eine liebenswerte, einfache alte Frau aus dem Nordosten Syriens, die niemand mehr im Nahen Osten hat (ihre Kinder leben in Deutschland). Sie lebte in einem kleinen, niedrigen Zimmer von der Größe eines Besenkammerls (ohne Sanitärtrakt) im Kloster Mar Gabriel und wurde ebenso wie andere hinausgeworfen, da sie kein Geld mehr hat (sie hat inzwischen glücklicherweise in einer Einrichtung der Caritas Unterkunft gefunden). Ich halte das für einen Skandal und fordere alle Organisationen auf, diesen Bischof in Zukunft nicht mehr zu unterstützen. Ich möchte abschließend noch betonen, dass ich hier nicht irgend etwas weitergebe, das ich gehört habe, sondern dass ich selbst in den letzten Tagen mit den betroffenen Familien gesprochen habe. Für weitere Auskünfte stehe ich jederzeit sehr gerne zur Verfügung (Mobiltelefon 0043/676/4323426).
Stefan Maier
Leiter der Auslandshilfe der Caritas Salzburg und Nahost-Koordinator der Caritas Österreich
Vielen Dank für die ergänzenden Angaben.