Der Streit um den Mohammed-Schmähfilm ist ein Konflikt zwischen den Werten der Moderne und den konservativen Extremisten.
Die islamischen Extremisten tolerieren keine andere Glaubensauffassung als die ihre. Deshalb werden in Afrika muslimische Gräber und selbst Moscheen zerstört. Im Irak greifen Schiiten und Sunniten einander selbst in Moscheen immer wieder an. Warum?
Die Verletzung ihrer Gefühle berechtigt nach ihrer Auffassung andere Menschen zu töten. Doch wo führt das hin? Im Internet finden wir tausende von Bildern hergestellt von Muslimen, welche Juden, Amerikaner oder generell den Westen verteufeln. Diese Bilder verletzen auch unsere Gefühle. Warum reagieren wir nicht und ignorieren diese Realität?
Christen fliehen heute in Scharen aus der arabischen Welt. Ein Übertritt zum Christentum wird in fast allen arabischen Ländern mit dem Tod bestraft. In Saudi-Arabien ist der Bau von Kirchen ebenso verboten wie die Versammlung zum Gebet in Privaträumen, der Besitz einer Bibel kann die Aufmerksamkeit der Religionspolizei erregen. Selbst in der vergleichsweise liberalen Türkei können christliche Gemeinden keine Bankkonten eröffnen oder Immobilien besitzen, weil ihnen der rechtliche Status verwehrt wird.
Eigenartig sind all jede Statements, welche behaupten, die islamischen Gläubigen würden niemals die Heiligtümer anderer Religionen verspotten oder angreifen. Dass tausende Muslime in Bangladesch buddhistische Tempel nur aufgrund eines Bildes im Facebook zerstörten, sowie ein Hindu Tempel in Karachi Pakistan von einem Mob aufgrund des Muhamed-Videos ausgeraubt wurde, spricht eine andere Sprache. Auch dass immer wieder betende Christen mit Granaten und Gewehrfeuer getötet werden, werfen Fragen auf. Warum wird die Liste von Ländern, welche anders denkende Menschen aktiv verfolgen ausgerechnet von islamischen Ländern dominiert?
Wer von sich selbst überzeugt ist, hat es nicht nötig, andere Weltbilder zu zerstören. Doch wie soll man mit einer Gruppe umgehen, die um sich schlägt und nicht mehr bei der verbalen Darstellung ihres Weltbildes bleibt?
Das Problem des Islams ist die Rezeption. Im historischen Kontext ist der Koran ein durchaus fortschrittliches Buch: Es ist kein Wunder, dass Mohammed besonders unter den Frauen viele Anhängerinnen gewonnen haben soll, die in ihm zu Recht einen Verfechter ihrer Rechte sahen. Erstmals bekamen Frauen einen Pflichtanteil des Erbes. Dass Männer doppelt so viel erbten, macht im historischen Kontext durchaus Sinn: Der Mann musste eine Mitgift bezahlen und schließlich seine Familie versorgen.
Doch die islamistischen Gruppen, sehen die Aussagen des Korans nicht in einem historischen Kontext. Als das direkte und durch den Erzengel Gabriel unmittelbar an den Propheten offenbarte Wort Gottes entzieht sich ihr heiliges Buch einer kritischen Betrachtung.
Dabei hatte man schon im Mittelalter festgestellt, dass es im Koran und in der Überlieferung Widersprüche gibt, die nicht immer in Einklang zu bringen waren. Einige der Verse mussten nach einem logischen System, das sowohl den Offenbarungsanlass als auch die Chronologie der Suren berücksichtigt, annulliert werden. Der Koran selbst schien das Vorgehen zu rechtfertigen: „Was wir an Versen aufheben oder in Vergessenheit geraten lassen – wir bringen bessere oder gleichwertige dafür. Weißt du denn nicht, dass Allah zu allem die Macht hat?“ steht in der zweiten Sure 106 / 107.
Gleichzeitig wird die islamische Welt aber seit Jahren von einer konservativen Erweckungsbewegung erfasst. Es hat auch sehr pragmatische Gründe, dass vielerorts die Oberhoheit in Religionsfragen bei den Fundamentalisten liegt: Wer ihnen widerspricht, muss nicht selten um sein Leben fürchten.
Vielleicht ist es also gar nicht zuallererst eine Auseinandersetzung zwischen dem aufgeklärten Westen und der arabischen Welt, die wir heute miterleben.
Die islamische Welt kämpft vor allem mit sich selbst: Traditionen und kulturelle Normen kollidieren mit den Realitäten und Werten der Moderne. Doch der Ausgang von diesem Konflikt ist noch ungewiss.