Mindestens zehn Kirchen wurden in der ersten Februarhälfte Opfer von Angriffen. Der Vorsitzende der französischen „Republikaner“ spricht von zunehmender Christenfeindlichkeit.
Neben einer Kathedrale im südfranzösischen Lavaur traf es unter anderem Kirchen in Dijon, Nîmes und Houilles, einer Gemeinde in der Region Île-de-France. Dort ereignete sich Anfang Februar einer der frühesten Vorfälle: Eine Statue der Jungfrau Maria wurde in Scherben auf dem Boden gefunden.
Die in Wien ansässige Beobachtungsstelle „Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians“ (OIDAC) hat sämtliche Vorfälle aufs Genaueste dokumentiert. Deren Vorsitzende, Ellen Fantini, äußerte sich in einer Erklärung: „Es ist unsere aufrichtige Hoffnung, dass die Täter vor Gericht gestellt werden und dass das Bewusstsein für die zunehmende antichristliche Feindseligkeit in Frankreich den öffentlichen Raum erreicht“. mehr Informationen
In katholischen Kirchen im ganzen Land haben Angreifer die Statuen von Heiligen zerschlagen, Tabernakel zerstört, die Eucharistie verstreut oder zerstört, Altartücher verbrannt und Kreuze niedergerissen. Weitere religiöse Gegenstände wurden geschändet oder zerstört.
Am 6. Februar, nur einen Tag nach dem Vorfall im Dom von Saint-Alain, brachen Verbrecher in einer katholischen Kirche in Nimes den Tabernakel auf und zerstreuten die Hostien auf dem Boden, zeichneten ein Kreuz mit Exkrementen an die Wand und beschädigten andere religiöse Gegenstände in der Kirche, berichteten Medien vor Ort.
Die Vandalen schienen gewusst zu haben, dass der Angriff auf den Altar und die Eucharistie ein sehr starkes Symbol für die Gemeindemitglieder sein würde, da die in der vorangegangenen Messe geweihten Hostien in den Augen der katholichen Christen nicht mehr nur ein Stück Brot sind, sondern der Leib Christi.
Während noch unklar ist, ob die Vorfälle überhaupt miteinander zusammenhängen, erinnern sie an die Serie von Übergriffen und Akte des Vandalismus, welche die katholische Kirche in Frankreich und Belgien im Jahr 2016 durch Anhänger des Islamischen Staats davongetragen hat. mehr Informationen
Nachdem in der elsässischen Gemeinde Quatzenheim am 19. Februar 2019 jüdische Gräber geschändet worden sind, herrscht Angst und Unsicherheit.
Es wurden von den 294 erhaltenen Grabsteinen 89 mit Hakenkreuzen in gelber und blauer Farbe beschmiert. Darüber hinaus finden sich drei Swastika-Schmierereien auf den beiden Eingangstoren des Friedhofs und jeweils eine an der Innenseite der Friedhofsmauer, auf einer dort befestigten und das «Ziduk hadin»-Gebet beinhaltenden Steintafel sowie dem Gedenkstein für die in der Zeit des Nationalsozialismus aus Quatzenheim deportierten und ermordeten Juden. Daneben wurden zwei Grabplatten mit Schriftzügen beschmiert, von denen einer – mit groben orthografischen Fehlern – auf die militante elsässische Separatistenbewegung Schwarze Wölfe hinweist, die zwischen Mitte der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre durch mehrerer Sprengstoffanschläge bekannt wurde.
Zuletzt waren im Dezember 2018 auf dem jüdischen Friedhof in Herrlisheim 37 Grabsteine mit Hakenkreuzen beschmiert worden.
Nur zweieinhalb Tage zuvor wurde in Paris der jüdische Philosoph Alain Finkielkraut am Rande einer Demonstration der sogenannten Gelbwesten verbal angegriffen und aufs Übelste antisemitisch beschimpft.
Bereits im Vorfeld waren in Frankreich mehrere antisemitische Übergriffe erfolgt, so wurden in Paris Porträts von Simone Veil mit Hakenkreuzen verunstaltet und das Schaufenster eines Bagel-Restaurants mit dem Wort «Juden» beschmiert.
Die Häufung der jüngsten Attacken fällt zusammen mit den Demonstrationen der Gelbwesten, die seit vergangenem November jeden Samstag in ganz Frankreich auf die Strassen gehen und Präsident Macrons Rücktritt fordern. Dabei verleihen sie ihrem Unmut nicht nur durch die Blockade von Strassen, sondern bisweilen auch durch das Skandieren antisemitischer Parolen Ausdruck. In einem Interview mit der französischen Tageszeitung «Le Monde» hebt der Historiker und Soziologe Pierre Birnbaum hervor, dass es sich bei den Gelbwesten nicht per se um eine antisemitische Bewegung handle, ihre Demonstrationen jedoch einen für sie willkommenen Rahmen darstellten, um in der französischen Gesellschaft weit verbreitete Klischees über die Verbindung von Juden zu Geld und Macht zum Ausdruck zu bringen. Der Staat, den die Gelbwesten radikal ablehnen, werde von ihnen als «Staat der Reichen» und für einige, in einer weiteren Auslegung, als «Staat der Juden» wahrgenommen.
Auf seinem Weg nach Quatzenheim hatte Macron getwittert: «Der Antisemitismus ist die Negation dessen, was Frankreich ist.» «Wer das getan hat, ist der Republik nicht würdig.»
Indes folgten am Abend des 19. Februar in ganz Frankreich Tausende von Menschen dem unter dem Motto «Ça suffit!» («Es reicht!») erfolgten Aufruf zahlreicher französischer Parteien und Organisationen zu Protestmärschen gegen Antisemitismus. Allein auf der Pariser Place de la République nahmen «Le Figaro» zufolge rund 20 000 Menschen an der Demonstration teil.
Wie der französische Innenminister Christophe Castaner vor wenigen Tagen bekannt gab, wurden in Frankreich allein im vergangenen Jahr 541 antisemitische Übergriffe, und damit ein Anstieg um 74 Prozent, registriert. Der israelische Minister für Einwanderung und Integration Yoav Galant rief derweil die französischen Juden am Dienstag über Twitter auf: «Kommt nach Hause, emigriert nach Israel!» mehr Informationen
Im Jahr 2018 registrierte das französische Innenministerium 541 antisemitische, 100 antimuslimische und 1063 antichristliche Handlungen.