Der schweizerische Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag ist in doppelter Hinsicht ein ungewöhnlicher Anlass

2024: Sonntag 15. September / immer 3. Sonntag im September

Der eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag ist – obwohl dem Gebet gewidmet – kein kirchlicher, sondern ein staatlicher Feiertag. Zweitens ist er – obwohl als «eidgenössisch» deklariert – seit je von den Kantonen verantwortet – sie schreiben das Bettags Mandat.  Und als drittens, ist er unser ältester eidgenössischer Feiertag.

Hervorgegangen sind die Buss- und Bettage aus dem Judentum. In der Schweiz reicht ihre Tradition bis ins Spätmittelalter zurück. Anfangs riefen die Obrigkeiten die Bevölkerung je nach Bedarf zum Gebet auf – etwa bei Seuchen, Erdbeben oder Kriegsgefahr.

Die Tradition des „Grossen Gebets der Eidgenossen“ ist erstmals 1517 schriftlich überliefert. Im Juli 1796 beschloss die Tagsatzung auf Antrag Berns, aufgrund der französischen Revolution (1789-99) den Bettag erstmals als allgemeine eidgenössische Festfeier durchzuführen. 1832 wurde der Bettag definitiv auf den dritten Sonntag im September festgelegt. Seit dem 2. Vatikan. Konzil (1962 bis 1965) wird der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag als ökumenischer Festtag begangen. Ein Abschaffungsversuch im Jahr 2000 scheiterte.

Zum gesamteidgenössischen Feiertag wurde der Bettag in mehreren Entwicklungsschüben, stets ausgelöst durch äußere Bedrohungen: Mitten im Dreißigjährigen Krieg, 1639, beschlossen die reformierten Orte, künftig einen alljährlichen Bettag durchzuführen, um für die bisherige Verschonung des Landes zu danken. Vier Jahre später zogen die katholischen Orte nach. mehr Informationen

Angesichts aktueller gesellschaftlicher Veränderungen – etwa die Säkularisierung und die sinkende Bedeutung von Kirche und Glaube in der Öffentlichkeit – kommt diesem Feiertag eine immer wichtigere Aufgabe zu: die Erinnerung an die christlichen Wurzeln des Landes und der Dank für den Segen in Vergangenheit und Gegenwart. In diesem Sinn erinnerte Bundesrat Ignazio Cassis in seinem Grusswort zur Bettagsbegegnung 2019 im Bundeshaus daran, wie nach dem Sonderbundskrieg die beiden Parteien aufeinander zugingen, um gemeinsam in die Zukunft zu gehen. Das Resultat war die Verfassung von 1848.

Die überkonfessionelle Bettagsbegegnung 2019 fand zum zweiten Mal statt und wird von fünf Nationalräten und einer Nationalrätin aus fünf politischen Parteien getragen. Ihr gemeinsames Anliegen ist es, Dankbarkeit, Friedensförderung und Versöhnung sowie Gebet auch im politischen Alltag als Quelle der Hoffnung und Ermutigung zu stärken.  mehr Informationen

Albert Schweitzer sagte einst: «Gebete ändern die Welt nicht. Aber Gebete ändern die Menschen. Und die Menschen verändern die Welt».

Der Schriftsteller Gottfried Keller, der als Staatsschreiber im Kanton Zürich arbeitete, hatte das Verfassen der Bettagsmandate in seinem Pflichtenheft und schrieb zahlreiche Texte für diesen Tag.

Unter dem Patronat von Gebet für die Schweiz findet alljährlich am Dank-Buss-und Bettag ein Anlass auf dem Säntis statt.

Aus dem Bettagsmandat 2024 vom Rat der Religionen:

Der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag ist für uns als Vertreterinnen und Vertreter der muslimischen, jüdischen und christlichen Gemeinschaften in der Schweiz eine wichtige Gelegenheit, innezuhalten und über unsere gemeinsame Verantwortung und die uns geschenkten Chancen nachzudenken. 

Wir haben in der Schweiz viel Grund zur Dankbarkeit. Die Schweiz ist ein Land des Friedens, politisch neutral und seit vielen Jahren von Kriegen verschont. … Wer diese Errungenschaften bewahren will, darf sie nicht für selbstverständlich nehmen … Unser Glaube gibt uns nicht nur spirituelle Orientierung, sondern nimmt uns auch in die Verantwortung für unsere Nächsten, besonders für die, die uns noch fremd sind. … Möge dieser Tag uns alle inspirieren, uns für den Frieden und das Wohlergehen aller Menschen einzusetzen.

Der Kirchenratspräsident Martin Schmidt schreibt im Bettagsmandat 2024 der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen: „Unser Land, unsere Gemeinden müssen Orte sein, in denen diese Freiheit nicht zum Individualismus führt, sondern zu einer Wertegemeinschaft, einer «Caring Community», die für einander da ist.  …   Es braucht «Wertebildung und Wertevermittlung».  …  Die deutsche Philosophin Edith Stein sagte: «Der Kern aller Menschenbildung muss religiöse Bildung sein». Die spürbare Krise unserer Gesellschaft ist eine Sinn- und Wertekrise.  …   Der eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag lädt alle zur Besinnung ein: die Politik, die Wirtschaft, die Kirchen, die ganze Gesellschaft. „

Regierungspräsident Jon Domenic Parolini schreibt im Bettagsmandat 2019 an die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Graubünden:  „Kann ein Staat ohne ethische Grundlage überhaupt existieren und seinen Einwohnern ein sicheres und in die Zukunft weisendes Dasein ermöglichen?“ Das Zusammenleben sei ohne Solidarität nicht möglich. Staatliche und religiöse Gemeinschaften sind aufeinander angewiesen. Falsch wäre es, wenn der Staat die Überzeugungen der Einwohnerinnen und Einwohner beeinflussen oder gar kontrollieren wollte. Aufgabe des Staates sei das Gegenteil: Er habe eine möglichst grosse Freiheit in Bezug auf Meinung und Lebensgestaltung zu garantieren. Der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag rufe so „zum Gespräch, zum Ringen und zur friedlichen Auseinandersetzung“ auf, heisst es im Schreiben der Regierung weiter. Der Bettag könnte somit ein Dreifaches bedeuten: das Danken für Wohlstand und friedliches Zusammenleben, die Bereitschaft, sich und anderen Fehler einzugestehen und das Beten als Weitung des Horizonts.

 

 

 

 

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