Erdogan befindet sich in der Zwickmühle. Deshalb beruft er sich nun auf Gott: „Die USA haben den Dollar – wir haben Allah!“ Damit macht er den Konflikt zu einem Religionskrieg.
Erdogan hat verschiedene offene Fronten.
Sobald Assad in Syrien mit Idlib die letzte Hochburg seiner Gegner übernommen haben wird, stehen die Truppen des Syrers auf Schussweite den türkischen Invasoren gegenüber. Kaum vorstellbar, dass Assad den Landraub von Erdogan einfach so hinnimmt.
Mit seinem Nato Verbündeten USA hat Erdogan sich seit dem Putsch verkalkuliert. Im Oktober 2016 ließ Erdogan im Zuge seiner Verhaftungswelle den in Izmir/Smyrna tätigen Presbyterianer Andrew Branson verhaften. Der US-Bürger lebte zu diesem Zeitpunkt bereits über zwanzig Jahre in der Türkei und wurde – wie zahllose andere, missliebige Personen – der Kooperation mit dem in den USA lebenden Islam-Prediger Fethullah Gülen beschuldigt.
Erdogan brauchte ein Faustpfand, suchte er so doch die Auslieferung seines früheren Weggefährten und heutigen Todfeindes zu erwirken. Doch die Rechnung ging nicht auf – Barack Obama ließ den Presbyterianer im türkischen Verlies verrotten und Gülen blieb in Amerika. Mit dem Amtsantritt Trumps hat sich die Großwetterlage grundlegend geändert. Neu werden westliche Staatsbürger grundsätzlich nicht anderen Mächten zur Aburteilung überlassen. Und Geiselnahmen werden im Zweifel sogar mit Einsatz aller denkbaren Mittel geahndet.
Also trat nun Vizepräsident Michael Pence auf den Plan und forderte ultimativ die Freilassung des Pfarrers. Was wiederum Erdogan sich zu seinen üblichen Großmachtfantasien hinreißen ließ. Doch das derzeit in Europa geübte Verhaltensmuster ist mit Trump nicht zu machen.
Erdogan hat sich mit der Ankündigung, nun die Guthaben der entsprechenden US-Minister in der Türkei einzufrieren – „falls sie welche haben“ – der Lächerlichkeit preisgegeben. Doch nun folgte der nächste US-Schlag.
Trump macht Ernst – und er lässt sich, anders als sein Vorgänger und die Politiker Europas, nicht von dem Muslimbruder auf der Nase herumtanzen. Die USA sind zutiefst verschnupft, dass Erdogan mit seinen radikalislamischen Terrorbrigaden die syrisch-kurdische Enklave Afrin völkerrechtswidrig überfallen und faktisch zum türkischen Protektorat gemacht hat. Die Region, die bis dahin vom Krieg verschont geblieben war, wurde geplündert und geschliffen.
Diese brachte nicht nur den syrischen Machthaber Bashar alAssad in Rage – auch die US-Politik war darüber alles andere als glücklich, waren die Kurden doch ihre engsten Verbündeten im Kampf gegen den Islamischen Staat.
Doch die Kurden wurden der Aggression des Großtürken überlassen, um die Türkei in der NATO zu halten. Darauf hatte zumindest Erdogan vertraut – obgleich er die engen Verbindungen zur NATO längst gekappt hatte, indem die Führungsriege des Militärs weitestgehend fern gehalten worden war.
Offensichtlich sieht sich nun die Trump-Administration gegenüber den Kurden in der Pflicht. Und so steht Erdogan derzeit im syrischen Afrin, ohne damit tatsächlich etwas gewonnen zu haben.
Denn eine islamische Türkei wird verzichtbar, weil andere Verbündete wie Israel oder Jordanien und Ägypten – und selbst die Saudis – in der Region bereit stehen.
Nun will sich Erdogan nach anderen Verbündeten umzusehen. Wer sollte das sein? Russland sieht zwar gern, wenn die Türkei die NATO verlässt – doch Putins engster Verbündeter ist derzeit Syriens Assad. Welcher wiederum Erzfeind des Islamfundamentalisten Erdogan ist.
Der Iran? Problematisch ist, dass die Schiiten seit eh kein freundschaftliches Verhältnis zu Sunniten aufbauen können. Doch die Not könnte vereinen.
China vielleicht? Denkbar, dass die Pekinger Führung auch im Sinne ihres derzeit schwächelnden Projektes der neuen Seidenstraße Interesse an einem engen Partner am Bosporus haben könnte. Doch China hat sicher mehr Interesse sich mit dem Westen zu arrangieren und nicht im Nahen Osten stecken zu bleiben. China hat einen Ausbau der militärischen Zusammenarbeit mit Ankara angekündigt sowie Andeutungen gemacht, die Türkei könnte vielleicht in die SCO aufgenommen werden, die Shangai Kooperations-Organisation – Chinas Alternative zur EU.
Nachdem Assads Truppen die Kriegsgebiete weitgehend zurückerobert hat, sind nun die verbliebenen Feinde an einem Ort konzentriert. Und diesen nimmt Assad jetzt sicher gezielt ins Auge. Die Zivilbevölkerung wird aufgefordert werden, die Region zu verlassen und sich den Regierungstruppen zu unterwerfen. Die Kämpfer dürfen bleiben – um sich wie andernorts von Assads Armee niederkämpfen zu lassen. Oder sie können die Flucht Richtung Türkei ergreifen, woran Assad ebenfalls Freude hätte. Wollen die Islamkämpfer am Leben bleiben, bliebe ihnen nur die schnelle Flucht nach Norden.
Erdogan befindet sich in der Zwickmühle. Jene, die den islamischen Terrormilizen nahestehen, sind bislang seine Verbündeten im Syrienkrieg gewesen. Überlässt er sie der Rache Assads, wird er als Führer der Islamisierung unglaubwürdig.
Noch steht Erdogan in Afrin und betrachtet es als Basis der territorialen Ausdehnung seines Neu-Osmaniens nach Süden. Sobald Assad mit Idlib die letzte Hochburg seiner Gegner übernommen haben wird, stehen die Truppen des Syrers auf Schussweite den türkischen Invasoren gegenüber. Kaum vorstellbar, dass Assad den Landraub hinnimmt. Also wird er Erdogan auffordern, Syrien kampflos zu verlassen. Folgt Erdogan dieser Aufforderung, kann es geschehen, dass er den damit verbundenen Gesichtsverlust nicht übersteht. Folgt er der Aufforderung jedoch nicht, befindet er sich faktisch im Krieg mit Syrien, welches die Besetzung nicht akzeptieren kann.
In einer solchen Situation wäre es gut vorstellbar, dass die autonomen Kurden und Assad zusammenfinden. Akzeptiert Assad die kurdische Autonomie innerhalb eines syrischen Staates, wäre das ein Modus vivendi, mit dem beide Seiten leben können. Für Erdogan jedoch wäre es der GAU, weil es nicht nur den Verlust Afrins und den Bestand eines selbstverwalteten Kurdistans an seiner Südgrenze bedeutete, sondern auch in der Türkei maßgeblich kurdische Widerstandskräfte entfachen könnte. mehr Informationen
Vielleicht wird aber eine gebeutelte Türkei sich mit dem unter Druck stehenden Iran verbünden, um sich wie in Hesekiel 38 vorhergesagten Krieg an Syrien und Israel zu bereichern. Wenn den Russen der Krieg in Syrien zu teuer wird, könnte es sein, dass die Syrien und der Irak in sich zusammenbricht. Der Irak ist wirtschaftlich vom Iran und der Türkei abhängig (Erdgas, Wasser, billige Lebensmittel). Auch Katar könnte als blockiertes Land sich dem Bund anschließen.
Hilfe in der Krise: Der Emir von Katar soll dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan Direktinvestitionen im Volumen von 15 Milliarden Dollar zugesichert haben, wurde am 16.8.2018 bekannt. Bei 265 Milliarden Euro Auslandsschulden handelt es sich bei dieser Finanzspritze vom Golf aber wohl eher um einen symbolischen Beitrag. Im Juni vergangenen Jahres hatte die Türkei das Golfemirat unterstützt, nachdem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain eine Blockade gegen Katar verhängt hatten.
Nicht Donald Trump und seine Sanktionen setzen die Türkei unter Druck. Es ist der türkische Staatspräsident in seinem Größenwahn. Mit der Zerstörung der Gewaltenteilung hat er ein System geschaffen, das die Kontrolle der Regierung ausschließt und so auch die Macht des Präsidenten nicht mehr zähmt. Kein Minister, kein Berater wagt noch den Widerspruch. Erdogans Umfeld besteht nur noch aus Marionetten. Internationale Firmen und Banken spüren diese Rechtlosigkeit. Die einen ziehen seit geraumer Zeit ihr Kapital ab, die anderen scheuen sich, in einem Land zu investieren, dessen Rechtsstaatlichkeit abhanden gekommen ist. Über 44 Prozent aller türkischen Exporte gehen nach Europa. Weit über die Hälfte der ausländischen Kredite stammt aus dem Westen. Russland und China können diese geballte Wirtschaftskraft nicht ersetzen. mehr Informationen
US-Präsident Donald Trump hat einen Mega-Rüstungsdeal mit der Türkei gestoppt. Für den Nato-Partner ist das ein schwerer Schlag. Per Gesetz hat Trump einen der größten Rüstungsdeals überhaupt, die Lieferung von 100 F-35 Kampfjets aus US-Produktion an die Türkei, blockiert. Der Deal war viele Milliarden wert und hätte die Türkei zu der Nation mit dem drittgrößten F-35-Geschwader gemacht. Doch nicht nur für die Türkei, auch für die USA hat die Blockade des Deals voraussichtlich negative Auswirkungen. Viele der Teile für den F-35 Kampfjet werden in der Türkei gefertigt. Das US-Verteidigungsministerium geht davon aus, dass es mehrere Jahre dauern wird, um fehlende türkische Firmen zu ersetzen. Für die USA ist der Nato-Partner Türkei extrem wichtig, da die US-Armee in Incirlik in der Südtürkei viele Kampfjets und Drohnen für den Einsatz im Nahen und Mittleren Osten stationiert hat. Dort sollen auch US-Atombomben in unterirdischen Silos lagern. Die Türkei hatte bereits mehrmals gedroht, die Amerikaner von der Luftwaffenbasis zu jagen. mehr Informationen
Ankara, immerhin Nato-Mitglied, hat für zwei Milliarden Euro russische Raketenabwehrsysteme gekauft und dabei ganz bewusst die Provokation der westlichen Bündnispartner in Kauf genommen. Erdogan kokettierte in der Vergangenheit immer wieder damit, sein Land sei nicht auf das westliche Verteidigungsbündnis angewiesen. Das sind Erpressungsversuche ohne reales Drohpotenzial, denn in Wahrheit hat Ankara keine echten Alternativen zum Westen.
Parallel dürfte er weiter versuchen, die Türkei wieder zu einer Großmacht im Nahen Osten aufzubauen, die andere Interessen als der Westen verfolgt. Dahinter steckt womöglich noch ein ganz anderes, übergeordnetes Ziel: der Traum von einer neuen Weltordnung, die die militärische und wirtschaftliche Dominanz der USA beendet. Das wäre nur mit neuen Bündnissen möglich – etwa mit Moskau und Peking. mehr Informationen
Die Türkei ist die acht-stärkste Armee der Welt nach dem „Global Firepower Index„.
Am Mittwochnachmittag 15.8.18 flogen türkische Kampfjets Angriffe auf die Shengal-Region im Nordirak. Die Shengal-Region (auch: Sindschar, Singar oder Shingal) ist das Siedlungsgebiet der Eziden (auch Jesiden), das im August 2014 vom IS überfallen wurde und tausende Eziden ermordet, Frauen und Kinder verschleppt und versklavt wurden. Bei dem Angriff gab es Tote und Verletzte.
Ein Korrespondent der ezidischen Zeitung Êzîdîpress berichtete, dass drei Fahrzeuge der ezidischen Selbstverteidigungseinheit Shingals (YBŞ) von den Bomben der Türkei getroffen worden seien. Die türkische Armee bestätigte die Angriffe am Mittwochabend. Sie behauptete, sie habe bei den Luftschlägen den ezidischen PKK-Funktionär Zeki Shingali getötet.
Dies wurde allerdings bisher noch nicht vor Ort bestätigt. Shingali ist allerdings kein PKK-Funktionär, wie die türkischen Militärs behaupten, sondern er ist ein aus Deutschland stammender YBŞ-Komandant, der die Selbstverteidigungseinheit mit aufgebaut hat. Im Shengal werden alle Checkpoints von der irakischen Armee und teilweise von der YBŞ kontrolliert. Die PKK-Einheiten hatten sich schon im Sommer 2017 nach einer Übereinkunft mit der irakischen Regierung aus der Region zurückgezogen. mehr Informationen