„Ohne Jerusalem als Hauptstadt ist ein Palästinensischer Staat wertlos“, sagte der palästinensische Hauptunterhändler, Saeb Erekat, am Dienstag 9.1.2018.
Er meint, dass alle von den Amerikanern geleiteten Friedensgespräche abgelehnt würden, bis die USA ihre Anerkennung Jerusalems als die Hauptstadt Israels wieder zurücknehmen würden. Einem Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge, sagte Erekat dies zum Radiosender Voice of Palestine. mehr Informationen
Einige berufen sich in den Diskussionen um Jerusalem immer wieder auf das Völkerrecht. So sagte der französische Präsident Macron «What’s new is that a powerful outside country unilaterally recognizes something that goes against international law.» Auch der schwedische Botschafter bei den Vereinten Nationen hat im Sicherheitsrat als ersten Kritikpunkt zu der Jerusalem-Erklärung genannt, sie verstoße gegen das Völkerrecht.
Am Anfang steht dabei die Frage, welche völkerrechtlich relevanten Aussagen in dem Text überhaupt enthalten sind. Nach dem Wortlaut geht es um die Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem als der «Hauptstadt» Israels.
Mancher wird überrascht sein zu erfahren, dass der Begriff «Hauptstadt» gar keine völkerrechtliche Kategorie ist. Es handelt sich bei Hauptstädten um innere Angelegenheiten; die Entscheidungen liegen in der Souveränität der Nationalstaaten.
Was es völkerrechtlich nicht gibt, kann man auch nicht völkerrechtlich anerkennen.
Ein souveräner Staat kann seine Handlungsvollmacht nur in dem Bereich ausüben, für den seine Souveränität reicht, also innerhalb seiner Landesgrenzen, soweit diese Grenzen international anerkannt sind.
Für Trumps Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels, übersetzt in die Kategorien des Völkerrechts, ist also zu fragen, ob Israel seine Hauptstadtfunktionen in Jerusalem innerhalb der international anerkannten Grenzen seiner Souveränität ausübt oder nicht.
Unbestritten ist, dass Israel in Westjerusalem seit 1947 de facto Souveränität ausübte, dass aber ursprünglich übereinstimmend die endgültige Statusfrage internationalen Verhandlungen innerhalb der UNO vorbehalten bleiben sollte. Unbestritten ist auch, dass Israel die tatsächliche Gewalt über West-Jerusalem nicht durch einen „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ erlangt hat, sondern (dies wiederum nicht unbestritten) durch eine Weitergabe des früheren Völkerbunds- dann UNO-Mandats mit dem genannten Vorbehalt.
Die Hauptstadtfunktionen nimmt Israel ausschließlich im Westen der Stadt wahr. Die Auffassung, die Akzeptanz der israelischen Hauptstadtfunktionen in West-Jerusalem durch ein drittes Land sei völkerrechtswidrig, weil schon die dortige von Israel ausgeübte Souveränität illegitim sei, ist nicht zu halten.
Trump hat darauf hingewiesen, dass es das souveräne Recht eines jeden Staates sei, seine Hauptstadt zu bestimmen. Er habe nur die Realität akzeptiert, dass Israel von Jerusalem aus regiert wird (Parlament, Regierung, oberstes Gericht).
Anders als im israelischen Annexionsgesetz heißt es bei Trump nicht «Jerusalem, complete and united». Im Gegenteil: Er spricht von «specific boundaries of Israeli sovereignty in Jerusalem», allerdings ohne ausdrücklich von Ost-Jerusalem und West-Jerusalem zu sprechen.
Auf der Webseite des Weißen Hauses findet man den Text nicht unter «legislation» oder «executive orders», sondern unter «proclamations». Es war also «nur» eine politische Erklärung.
Damit niemand in Israel das Ganze missversteht und glaubt, es sei eine neue Rechtslage eingetreten, hat das US-Konsulat die Weisung erhalten, auch auf entsprechenden Antrag keine amerikanischen Pässe mit der Geburtsortsbezeichnung «Jerusalem, Israel» auszustellen.
Der amerikanische Präsident hat ausdrücklich von «Begrenzungen israelischer Souveränität in Jerusalem» gesprochen. Er hat sich damit von der Formulierung des israelischen Hauptstadtgesetzes «Jerusalem, complete and united» distanziert.
Im Text der OIC lautete dann die markanteste Aussage: «Wir verkünden, dass wir den Palästinenserstaat anerkennen, dessen Hauptstadt Ost-Jerusalem ist» und «Wir fordern die Welt dazu auf, Ost-Jerusalem als besetzte Hauptstadt eines Palästinenserstaates anzuerkennen».
Da aber Palästina in Ost-Jerusalem nicht einmal faktisch Regierungstätigkeiten ausübt, können die Verfasser nicht ernsthaft geglaubt haben, hier werde bestehendes Völkerrecht beschrieben. Ganz offenbar handelt es sich um die Formulierung einer politischen Zielvorstellung. Die Gipfelteilnehmer wollten erkennbar den USA Gleiches mit Gleichem vergelten und haben mit einer politischen (nicht völkerrechtlichen) Erklärung auf eine politische (nicht völkerrechtliche) Erklärung geantwortet. mehr Informationen
Die UN-Resolution von 1949, in der die Internationalisierung von Jerusalem und Bethlehem gefordert wird (Resolution 303-IV der Generalversammlung), stützt sich auf den Teilungsplan für Palästina von 1947. Jerusalem und Bethlehem sollen als „corpus separatum“ unter einem besonderen internationalen Regime zu stehen kommen. Doch in den letzten 20 Jahren haben die Europäer Bethlehem allgemein als Teil der palästinensischen Gebiete anerkannt, was auch die Frage von Jerusalem in einen neues Licht stellt.
Wer immer West-Jerusalem nicht als Teil von Israel anerkennen will, darf auch Ostjerusalem und Bethlehem nicht als Teil der palästinensischen Gebiete anerkennen.
Siehe auch: http://www.obrist-impulse.net/category/israel-naher-osten/