Fatah und Hamas haben sich Donnerstag 12.10.17 wieder einmal auf ein Abkommen geeinigt. Nach nur zwei Tagen Verhandlungen in Kairo soll so der 10-jährige Bürgerkrieg endlich beendet worden sein.
Das ist der sechste Versuch, die beiden Organisationen miteinander zu versöhnen. Doch nur wenige Details wurden endgültig vereinbart.
Ab dem 1. Dezember soll die gesamte Verwaltung des Landstrichs der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Abbas’ einer Einheitsregierung übergeben werden, an der die Hamas beteiligt wird. Zuvor sollen 3000 Polizisten der PA nach Gaza zurückkehren, um „alle Rollen im zivilen und im Sicherheitssektor zu übernehmen“, sagte ein Unterhändler. Abbas’ Präsidentengarde soll noch vor November die Kontrolle über Gazas Grenzübergänge übernehmen, um eines der dringlichsten Probleme des Landstrichs zu lösen: die völlige Isolation.
Im Rahmen der Vereinbarung sollen innerhalb eines Jahres Neuwahlen für das Parlament und für das Amt des Präsidenten stattfinden. Die Sanktionen, mit denen Abbas den Landstrich belegte, sollen aufgehoben werden. Dann könnten Israel und Ägypten Gaza auch wieder mit Treibstoff versorgen, um den Strommangel zu beheben.
Trotzdem lässt das Abkommen wichtige Fragen unbeantwortet, allen voran: Was geschieht mit dem riesigen Waffenarsenal der Hamas?
In Gaza dürfe es nur „eine Regierung, eine Staatsgewalt, ein Gesetz und nur ein politisches Programm geben“, so der PA-Präsident. Genau das hatte die Hamas aber kategorisch abgelehnt: Eine Auflösung der Kassam-Brigaden, ihres bewaffneten Arms, der seit 2008 drei Kriege gegen Israel führte, stünde nicht zur Debatte.
Die Notlage in Gaza bewog die Islamisten jedoch zu einem Kompromiss. Man werde die Waffen zwar nie aufgeben, sei aber bereit, die Entscheidung darüber, wann und wie sie eingesetzt werden sollen, fortan gemeinsam in Absprache mit den anderen palästinensischen Fraktionen zu fällen, sagte Hamas-Chef Hanija. Das ist allerdings nur ein Schachzug, der es allen Seiten erlauben soll, Gesicht zu wahren – ohne das Problem zu lösen.
Denn im Klartext bedeutet das: Über der Erde dürfen 3000 Polizisten Pässe kontrollieren und den Verkehr regeln. Aber unter der Erde werden sich die rund 25.000 Kämpfer der Hamas in einem riesigen Tunnelsystem weiterhin auf den nächsten Schlagabtausch mit Israel – oder mit der Fatah – unbehindert vorbereiten. So stellt die Hamas sicher, dass sie die wahre Macht in Gaza behält. Die Kämpfer dienen als Garant dafür, dass die Islamisten bei den weiteren Verhandlungen nicht zu kurz kommen.
Eine „Libanonisierung“ Gazas hat Abbas also nicht verhindert, sondern anscheinend eingeleitet. Wie die Hisbollah in Beirut behält auch die Hamas hinter den Kulissen die absolute Macht, während die PA fortan für die gewaltigen Alltagsprobleme Gazas verantwortlich ist. mehr Informationen
Der Zwist blockierte nicht nur Verhandlungen mit Israel, weil Präsident Mahmud Abbas nicht im Namen „aller“ Palästinenser sprechen konnte und die Hamas stets ein Veto einlegte.
Der Bruch zwischen den Parteien kam nach den allgemeinen Parlamentswahlen im Januar 2006 zustande. Wegen des palästinensischen Wahlsystems, wonach der Kandidat mit den meisten Stimmen den ganzen Wahlkreis abräumt, selbst wenn andere Kandidaten weit mehr Stimmen erhalten, kam es zu einem überragenden Wahlsieg der islamistischen Hamas. Gut diszipliniert hatte die Hamas jeweils nur einen Kandidaten ins Rennen geschickt, während die zerstrittene Fatah/PLO mit Dutzenden antrat.
Seitdem regiert der nicht wieder demokratisch legitimierte Abbas mit Dekreten. Für die Hamas war das immer wieder eine Gelegenheit zu behaupten, dass er gar nicht mehr Präsident sei, weil seine vierjährige Amtszeit längst abgelaufen sei.
Innerhalb eines Monats will angeblich auch Abbas den Gazastreifen besuchen. Ebenso sollen Neuwahlen organisiert werden, berichtet die ägyptische Zeitung „Al-Ahram“.
Hamas und Fatah hätten sich darauf geeinigt, dass PLO-Sicherheitsleute die Kontrolle der Grenzübergänge wieder übernehmen sollten. Dafür will Ramallah 3.000 Beamte schicken. Doch was geschieht dann mit Tausenden Polizisten in Hamas-Diensten? Wird Abbas diese Hamas-Kämpfer aufnehmen und entlohnen? Insgesamt ist die Regierung in Ramallah aufgefordert, bis zu 50.000 Kämpfer und Beamte der Hamas einzustellen. Die Hamas bestand auch darauf, ihre schweren Waffen, darunter ihre Raketen für einen Beschuss Israels, nicht abzugeben. Das Prinzip „ein Staat, ein Gewehr“ konnte nicht durchgesetzt werden. Jetzt wird befürchtet, dass die Hamas ähnlich wie die Hisbollah im Libanon ein bewaffneter „Staat im Staat“ bleiben werde.
Ein Hamas-Sprecher erklärte, dass der Vertrag nicht „neu“ sei, sondern die Umsetzung eines vor sechs Jahren in Kairo ausgehandelten Abkommens.
Die Israelis interessiert nicht nur der künftige Umgang mit den Raketen oder Angriffstunnels. Entgegen allen Abkommen hält die Hamas zwei lebende Israelis und die Leichen von mehreren Soldaten fest. mehr Informationen