Ägyptens Christen fordern vom Staat Schutz statt «Gratulationen zum Märtyrertod». Nach mehreren Mordserien wächst nun unter ihnen der Unmut.
Früher betonten koptische Würdenträger, dass Ägyptens Christen bereit seien, Opfer für die Einheit des Landes zu bringen. Gemeint war, bei Übergriffen auf Kirchen, Terrorakten und Morden mit Liebe und Vergebung statt mit Rache und Gewalt zu regieren.
Langsam dreht sich der Wind nun aber. Eine wachsende Zahl von Kopten hat Mühe damit, stetig «Opfer» für den Frieden zu bringen und Angehörige zu verlieren, die dann als Märtyrer dargestellt werden.
Auf den Punkt bringt es ein Kopte, der anonym bleiben möchte, mit seiner Aussage: «Martyrium heisst nicht, kaltblütig getötet zu werden. Wo ist hier die Wahlmöglichkeit? Vielleicht möchte ich kein Märtyrer werden. Die Rolle des Staates ist, Bürger zu schützen, und nicht, ihnen zum Märtyrertod zu gratulieren.»
Hintergrund der nun wachsenden Frustration sind mehrere Mordserien nach ähnlichem Muster: Den Opfern wird die Kehle durchgeschnitten, Wertgegenstände und Geld werden nicht entwendet. Bei der jüngsten Serie wurde der koptische Urologe Albert Fekry (67) in seiner Praxis in Tala mit einem Schnitt durch die Kehle getötet. Der Juwelier Girgis Bushra (55) in Heliopolis erschossen und der Künstler Michael Nabil Bebawy (32) in Minya geköpft. Ebenso wurde Nadra Mounir (26) in Zarayeb Ezbet Al-Nakl mit einer grossen Wunde am Hals tot aufgefunden. Diese Tötungen erfolgten innerhalb weniger Tage Ende Juni sowie Anfang Juli.
Nabil Saber Ayoub Mansour (40) war im Mai 2017 das achte gezielt-christliche Mordopfer in der Mordserie auf dem Sinai, die insbesondere in Al-Arisch, der grössten Stadt der Halbinsel, wütete. Daraufhin kam es zu einem Exodus der Kopten. Mittlerweile hat der lokale Ableger des Islamischen Staates, die militante Gruppe «Provinz Sinai», damit begonnen, die strikte Interpretation des Islams durchzusetzen. Dazu wurde eine Sittenpolizei, eine sogenannte «Hisba», geschaffen, um strenge Verbote gegen das Rauchen durchzusetzen, gegen das Rasieren oder dagegen, dass Frauen ihr Gesicht zeigen.
Bei der während Monaten wachsenden Anzahl ähnlich gearteter Morde sehen sich Christen zusehends bedroht. Mitte Februar 2017 gaben Islamisten bekannt, Ägyptens Christen «ausradieren» und Kairo «befreien» zu wollen.
Vater Bernaba Fawzy, der Priester an der St.-Georgs-Kirche von Nazlet Hanna, 180 km südlich von Kairo, fasst die Situation der Christen zusammen: «Es gibt ständig Hassreden und Fatwas und in den Medien wurde dazu aufgerufen, das Blut von Kopten zu vergiessen, ohne dass Vertreter des Staates reagierten.»
Ein Kairoer Priester, der nicht genannt werden wollte, ergänzt: «Kopten erleben die aggressivste Kampagne in der Geschichte des modernen Ägypten.»
Quelle Open Doors Schweiz https://www.portesouvertes.ch/de/