Keine Lösung für Syrien

Es gibt keine Lösung für diesen Konflikt, denn in Syrien kämpft jeder gegen jeden. Es existieren keine klaren Fronten, und es ist kein «Bürgerkrieg», wie westliche Medien den Konflikt oft darstellen. Es ist viel komplizierter, sagt der Syrer Bassam Tibi in der BAZ.

Der Krieg in Syrien wütet im sechsten Jahr – mit steigender Opferzahl. Die Verbrechen werden nicht geahndet, und es gibt keine Hoffnung auf eine absehbare Konfliktlösung.

Mitte Juli wurden die Genfer Verhandlungen über den Syrien-Krieg ohne Ergebnis abgebrochen. Es gibt auch keine wirkliche Hoffnung, wenn sie im September wieder aufgenommen werden. Es gibt für den Syrienkrieg weder eine politisch-diplomatische noch eine militärische Lösung.

Die immer wieder zitierten «zwei Konfliktparteien» gibt es nicht. Es gibt Dutzende von Akteuren. In Syrien herrscht Chaos und Unordnung, es gibt keine Regeln und keine Rechte.

Selbst die regulären und die irregulären Truppen, die für das Assad-Regime kämpfen, sind unüberschaubar. Es sind nicht nur die syrischen Alawiten, die in der regulären Armee kämpfen, sondern auch irreguläre Milizen: schiitische Iraker, iranische revolutionäre Garden, afghanische Schiiten von den Hazara, die aus dem Iran kommen, und nicht zuletzt die Hisbollah-Milizen aus dem Libanon.

Auf der Gegenseite steht nicht nur der IS, sondern auch mehrere al-Qaida nahestehende und unabhängige dschihadistische Gruppen. Schätzungsweise gibt es 105 voneinander unabhängige schwer bewaffnete Rebellengruppen, die vom Ausland mitfinanziert werden (auch von Katar und der Türkei), aber von diesen nicht gesteuert werden können – daher ist die Rede vom Stellvertreterkrieg völlig falsch. Der Konflikt hat eine lokale und regionale Eigendynamik.

Assads schleichende Rehabilitierung folgt aus der Logik: «Besser Assad als der IS.»

Es gibt drei Ebenen des Konflikts: eine lokale, eine regionale und eine internationale.

Als Syrer besteht Bassam Tibi darauf, dass der Konflikt eigendynamische lokale Ursachen hat, die nicht gelöst werden, wenn die Waffen schweigen. Zudem lehnt er jede Verschwörungstheorie ab, wonach dieser Krieg von aussen angezettelt worden sein soll.

Die Hauptursache sieht er in der Machteroberung durch den alawitischen Assad-Clan ab 1970 und die anschliessende Fragmentierung der Bevölkerung. Darauf folgten Ressourcenkämpfe, bei denen die alawitische Minderheit von 11 Prozent die sunnitische Mehrheitsbevölkerung von 70 bis 75 Prozent ausgrenzte. Nun steigert der Krieg den Hass auf beiden Seiten. Jeder, der die arabisch-orientalische Kultur kenne, wisse, dass diese Menschen Mord an Angehörigen nie verzeihen.

Zweitens: Der Konflikt zwischen der Minderheit der Alawiten und der Mehrheit der Sunniten ist nicht nur ethnisch-religiös, es ist vorrangig ein Kampf um Ressourcen und Macht.

Drittens: Es gibt keine fest umrissenen Konfliktparteien, die miteinander rational verhandeln können. Die Regime-Front besteht nicht allein aus alawitischen Syrern, sondern auch aus schiitischen Iranern, Irakern, Libanesen, sogar Afghanen. Aufseiten der Rebellen kämpfen Sunniten aus aller Welt als Jihadisten. Auch in Europa geborene junge Muslime mit Migrationshintergrund gehen nach Syrien, um im Jihad als Märtyrer zu sterben.

Die Komplexität hat auch eine regionale Dimension, weil fast alle Nachbarstaaten involviert sind. Vorrangig Iran, Irak, Türkei, Katar, Saudiarabien und Ägypten. Der Staat Israel agiert als aktiver Beobachter. Israel befürchtet vorrangig das Vordringen der schiitischen Hizbollah an die syrisch-israelische Grenze mehr als sunnitische Rebellen. Die israelische Politik ist, eine Israel-freundliche Pufferzone an seiner Grenze zu Syrien zu errichten.

Die internationale Dimension: Die wichtigsten Akteure sind die USA und Russland. Der einzige internationale Akteur im Nahen Osten, der ein Konzept zu haben scheint, ist Russland unter Putin. Er scheint es geschafft zu haben, durch Stärkung des Assad-Regimes seine internationale Akteursposition gestärkt zu haben. Weitere zwei Ziele hat Russland erreicht: erstens über Syrien den Zugang zu Iran und hierdurch auch das Einschleichen in ein anderes Kriegsland, nämlich Afghanistan. Und zweitens militärisch und ökonomisch Fuss auf syrischem Boden zu fassen, a) durch «security contracters», die das Assad-Regime mit zirka 2500 Söldnern versorgen, b) um Kontrakte und Lizenzen für zwei russische Öl-Unternehmen (Euro Polis und Stroitransgas) zu bekommen.

Die traurige Realität wird sein, dass unabsehbare Zeit die Gewalt nicht weniger werden wird. Auch eine Aufteilung des Landes zwischen Sunniten, Alawiten und Kurden ist nicht möglich, da die Gebiete nicht zusammenhängend sind und sich eine Zugehörigkeit von Dorf zu Dorf ändern kann.

Assad hat gesiegt, er hat die Hälfte der Bevölkerung seines Landes vertrieben oder ermordet, doch damit tötete er auch den Traum auf Demokratie, wie Kamel Daoud schreibt. Assad hat gewonnen, aber er hat nur Zeit gewonnen. Das Regime von Assad wird irgendwann kollabieren und eine Ruine hinterlassenmehr Informationen

Im August 2017 gab Israel zu, im Laufe der letzten fünf Jahre für die Hizbollahmiliz bestimmte Waffenkonvois gegen 100 Mal angegriffen zu haben. Das enthüllte ein hochrangiger israelischen Armeekommandant jetzt zum ersten Mal. Die Zahl der israelischen Angriffe seit 2012 gegen solche Konvois nähert sich der dreistelligen Zahl, sagte am Mittwoch Generalmajor Amir Eshel, der scheidende israelische Luftwaffenkommandant. Auch wenn verschiedene israelische Spitzenpolitiker bis hinauf zum Premier Netanyahu die Existenz israelischer Angriffe auf Waffenkonvois für die schiitische Hizbollahmiliz mehrfach schon offen zugegeben haben, wurde jetzt zum ersten Mal eine verbindliche Zahl für dieses Vorgehen genannt.  mehr Informationen

Die israelische Militäraktionen sollen in Syrien die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen an die Hisbollah verhindern. Diese These wurde jetzt von einer kuwaitischen Zeitung untermauert, wie Israel Hayom berichtet. „Israel has foiled attempts to transfer a portion of Syrian President Bashar Assad‘s chemical weapons stockpile, which he had committed to destroying, to Hezbollah, according to a senior Hezbollah defector quoted over the weekend by the Kuwaiti newspaper Al Rai.

Die libanesische Journalistin Hanin Ghadar, schreibt in einem längeren Beitrag für The Tower, was in Europa niemand verstehen will und doch die nahe und fernere Zukunft des Nahen Osten und vor allem auch Israels bestimmen wird: Die imperialen Pläne der Islamischen Republik Iran, die sich nie als Nationalstaat verstanden hat, sondern immer als Erbe des alten iranischen Imperiums und als revolutionäre islamistische Agentur in einem. Am Ende dieser Entwicklung wird nicht nur jener schiitische Halbmond stehen, vor dem vor Jahren schon der damalige jordanische König Hussein warnte, sondern das unverhandelbare Staatsziel der Islamischen Republik: Die Vernichtung Israelsmehr Informationen

Bislang lieferte der Iran der Hisbollah Waffen übers Meer oder über den Flughafen in Damaskus. Bald könnten Raketen den Libanon auf dem Landweg erreichen – Israel könnte Lieferungen dann kaum noch verfolgen. mehr Informationen

Eine vom iranischen Regime kontrollierte und ausgebildete Miliz hat eine paramilitärische Einheit aufgestellt, die von Syrien aus den Golan von Israel «befreien» will.  Der jüngste von zahlreichen Belegen dafür ist die Formierung der «Brigade zur Befreiung des Golan», einer Eliteeinheit der irakischen Miliz Harakat Hisbollah al-Nujaba («Bewegung der Partei von Gottes Edlen»), die vom Iran kontrolliert, finanziert und ausgebildet wird und ihr Operationsgebiet in Syrien hat. Die Brigade tritt mit dem Ziel an, an der Seite des syrischen Regimes von syrischem Territorium aus den Golan zu erobern und Israel zu zerstören. So bekundet es der Anführer der schiitischen Nujaba-Miliz, Akram al-Kabi, so ist es auch in einem Propagandavideo der paramilitärischen Gruppe zu sehen. «Wir werden es nicht zulassen, dass arabisches und islamisches Land in den Fängen der Besatzer» – gemeint ist Israel – «verbleibt», sagt der Nujaba-Sprecher Seyed Hashem Moussavi. Zur Verfügung stehen sollen der Brigade vor allem Raketen aus dem Iran und Panzer aus russischer Fabrikation.  mehr Informationen

 

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