Jakob kämpft um sein Recht und hat alles verloren. An seinen Tiefpunkten begegnet ihm Gott. Das erste Mal ist es in einem Traum. Er sieht eine Himmelsleiter und Gott verspricht ihm, dass er für sein Recht sorgen wird.
Es ist nicht ganz einfach, das Leben von Jakob. Sicher hat er durch seine Mutter erfahren, welche Verheißungen auf seinem Leben liegen. Gott hatte während ihrer Schwangerschaft zu Rebekka gesagt: „Zwei Nationen sind in deinem Leib, und zwei Volksstämme scheiden sich aus deinem Innern; und ein Volksstamm wird stärker sein als der andere, und der Ältere wird dem Jüngeren dienen“ (1.Mose 25,23). Doch in der Praxis scheint dann alles umgekehrt zu sein. Der erstgeborene Esau ist der Stärkere und der Zwillingsbruder Jakob eher der häusliche Typ. Vater Isaak hat auch mehr Freude an Esau, denn der ist ein Jäger und ein Mann des Feldes.
Rebekka dagegen hält zu Jakob. Sie ist in der Ferne aufgewachsen und wurde vom Verwalter Abrahams, dem Vater Isaaks, in diese Familie geholt. Das war eine ganz besondere Geschichte, wie der Verwalter Abrahams damals durch Gottes Leitung Rebekka fand (1.Mose 24).
Als Rebekka ihren zukünftigen Mann Isaak das erste Mal sah, war dieser gerade auf dem Feld. Nach der jüdischen Tradition war er im Gebet versunken. Andere übersetzen das unbekannte Wort (1.Mose 24,63) unterschiedlich. Nach der jüdischen Tradition ist Isaak auf jeden Fall ein Mann des Glaubens (1.Mose 25,21). Er hält an der Verheißung Gottes an die Familie von Abraham fest, dass aus ihnen eine ganze Nation werden soll. Doch mit den Zwillingskindern ist auch sein Haus noch nicht zu einem starken Volk geworden. Da scheint es nur natürlich, dass sich Isaak am starken Esau erfreut.
Als Isaak sein Lebensende nahen sieht, möchte er seinen Segen an seinen Erstgeborenen weitergeben. Was er wahrscheinlich nicht weiß, ist, dass Esau sein Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht an seinen Bruder verkauft hat (1.Mose 25,33). Ebenso scheint Isaak zu ignorieren, dass Gott nach seiner Verheißung den Jüngeren zum Leitenden bestimmt hat und dass Esau eigenwillige Wege ging, indem er entgegen der Familientradition zwei Frauen aus der Gegend geheiratet hatte (1.Mose 26,34-35). Doch immerhin ist er der einzige, der überhaupt eine Familie hat – Jakob ist noch ledig. So ruft Isaak Esau und trägt ihm auf, dass er ihm ein Stück Wild jagen soll. Nach dem Essen werde er ihn segnen (1.Mose 27).
Jakob sieht seine Felle davonschwimmen und greift in die Trickkiste, um zu seinem Anrecht zu kommen. Seine Kochkünste sind hervorragend und mit einem Fell kann er dem erblindeten Vater weismachen, dass er Esau sei. So segnet Isaak Jakob. Natürlich fliegt das Ganze auf und Esau will im Zorn kurzerhand seinen Bruder beseitigen (1.Mose 27,41). So bleibt Jakob nichts anderes übrig, als die Flucht zu ergreifen. Seine Mutter hat auch schon eine Idee, wohin er fliehen kann: Bei ihrer Familie wird er in Sicherheit sein.
So verliert Jakob alles. Er wird herausgerissen aus seiner sicheren Welt. Der Boden wird ihm unter den Füssen weggezogen. Ihm bleibt nur noch sein blankes Leben. Wie soll es nun weitergehen? Mit all seiner Weisheit hat er versucht, Gottes Willen durchzusetzen. Und jetzt hat er alles verloren. Warum greift Gott nicht ein?
An diesem Tiefpunkt begegnet ihm Gott im Traum: Er sieht eine Treppe, die auf der Erde steht und bis zum Himmel reicht. Engel Gottes steigen hinauf und herab. Oben auf der Treppe steht der Herr und sagt zu ihm: „Ich bin der Herr, der Gott Abrahams und Isaaks. Das Land, auf dem du liegst, werde ich dir und deinen Nachkommen geben! Sie werden unzählbar sein wie der Staub auf der Erde, sich in diesem Land ausbreiten und alle Gebiete bevölkern. Und durch dich soll allen Völker der Erde gesegnet werden. Ich stehe dir bei; ich behüte dich, wo du auch hingehst, und bringe dich heil wieder in dieses Land zurück. Niemals lasse ich dich im Stich; ich stehe zu meinem Versprechen, das ich dir gegeben habe.“ (1.Mose 24,12-15) Als Jakob von diesem Traum erwacht, sagt er: „Hier wohnt Gott und hier ist das Tor zum Himmel!“
Gott wiederholt das Versprechen, das er Abraham gegeben hat, auch Jakob gegenüber. Seine Nachkommenschaft soll zu einem großen Volk werden und in diesem Land leben.
Spannend ist, dass auch Jesus im Neuen Testament von einer Himmelsleiter spricht: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel geöffnet sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen auf den Sohn des Menschen“ (Johannes 1,51).
Eine dritte Treppe bis in den Himmel wollten die Menschen in Babel bauen (1.Mose 11). Die Menschen dieser großen und erfolgreichen Stadt wollten Gott im Griff haben und selbst bestimmen, wann sie zu ihm kommen können.
Bei Jakob dagegen kommt Gott aus dem Himmel zu ihm. Vers 13 kann von der Bedeutung des Hebräischen her sogar so übersetzt werden, dass Gott vor Jakob stand.
Jesus sagt mit seinem Hinweis auf die Himmelsleiter, dass in ihm Gott zu den Menschen herabkommt. Das Kreuz, an dem Jesus sein Leben gab, wird wie zu einer Himmelsleiter, an der wir uns festhalten können. Jakob bezeichnet die Erscheinung in seinem Traum als „Tor zum Himmel“. Auch Jesus spricht von einem Tor: „Das Tor zu Gottes neuer Welt ist schmal! Ihr müsst schon alles daransetzen, wenn ihr hineinkommen wollt. Viele versuchen es, aber nur wenigen wird es gelingen“ (Lukas 13,24).
Da, wo Gott sich offenbart, da „wohnt“ Gott. Doch das ist nicht ein bestimmter Ort. Es sind immer die Menschen, die für Gott wichtig sind.
Anstatt dass der Mensch Gott in den Griff bekommt, begegnet Gott den Menschen, die aufgehört haben, auf sich selbst zu vertrauen. Bei Gott findet der Mensch Kraft, der anerkennt, dass er aus sich selbst heraus nichts vorzuweisen hat. Hier entdecken wir eine ganz besondere Eigenschaft am Gott der Bibel: „Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zu Guten dienen“ (Römer 8,28). In allem Widerstand und allem, was seinen Verheißungen entgegenzustehen scheint, muss doch alles Gottes Zielen dienen. Gerade darin wird Gottes Herrlichkeit sichtbar. Zu Paulus sagte Gott: „Meine Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung“ (2. Korinther 12,9).
Jakob will als Reaktion auf seinen Traum Gott an Ort und Stelle ein Haus bauen. Später sagt Gott zu David, dass er selbst – Gott – das eigentliche Haus für sich bauen will. Deshalb hat sich Jesus auch als Tempel Gottes bezeichnet (Johannes 2, 21).
Hat Jakob die Botschaft Gottes schon verstanden? Es wird in seinem Leben zu einer noch tiefergreifenden Gottesbegegnung kommen.
Text: Hanspeter Obrist, März 2017
Bild: Tor des Glaubens Jaffa, Jakobs Himelsleiter
Siehe auch:
Jesus in der jüdischen Bibel
Abel – Der getötete Gottesknecht
Noah – Das Vertrauen in Gott hat ihn gerettet
Melchisedek – König der Gerechtigkeit
Der geheimnisvolle Gast von Abraham
Abrahams eigenartiger Opfergang
Jakobs Himmelsleiter
Jakobs Wende und neue Identität
Josef – Modell des Christusweges
Jakob kämpft nicht um sein Recht, er kämpft sein Leben lang gegen sein Unrecht, das er begangen hat. Er trickst nicht, er täuscht seinen Vater, um ihn zu betrügen. Jakob begeht Unrecht. Auch Jakob ist dagegen nicht gefeit. Das ist der Kern der Geschichte, und es braucht Jahrzehnte und einen standhaften Glauben, um dieses Unrecht zu sühnen. Aber es geht,. Jakob soll Demut und das Annehmen lernen. An Jakob sei es gelernt.
Hallo Deborrah, ich denke nicht dass ich das Handeln von Jakob gerechtfertigt habe. Denn der Zweck heiligt die Mittel nicht. Der Wunde Punkt ist, dass Jakbo es nicht Gott überlässt, wie er die Spannung zwichen Verheissung und Realität auflöst. Ich beobachte, dass er die Botschaft Gottes noch nicht verstanden hat. Dazu mehr im nächsten Artikel über die zweite Gottesbegegnung von Jakob.