Seit Tagen schon wüten im legendären Timbuktu am Niger Muslim-Extremisten gegen islamischen Heiligtümer. Diese auch kunsthistorisch bedeutsamen Lehmbauten machten einst die Oasen-Stadt am Südrand der Sahara zum Ziel vieler Afrikaforscher. Kürzlich wurden sie sogar zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt. Jetzt aber richtet der Bürgerkrieg in Mali das 1000-jährige Timbuktu zugrunde.
Die Ansar ad-Din (Helfer des Glaubens) haben bereits die Hälfte der 16 berühmten Grabheiligtümer der Stadt zerstört. Jetzt machen sie auch vor ihren bienenstockähnlichen Moscheen nicht Halt. Wie kommen aber Muslime dazu, islamische Sakralbauten zu vernichten?
Mohammed hatte im Kampf gegen das altarabische Heidentum mit seinen Götterstatuen ein totales Bilderverbot verhängt. Dieses blieb im Islam bis heute aufrecht. Doch bald setzte sich die Verehrung heiliger Männer und Frauen an ihren Grabstätten durch. Dieser Kult kam ursprünglich aus der schiitischen Konfession, gelangte aber im islamisierten Afrika zu seiner größten Entfaltung. In der Volksreligion spielte und spielt dort das «Marabut» (Heiligengrab) eine weit grössere Rolle als jede Moschee.
Dagegen richtet sich seit bald 300 Jahren der Wahhabismus. Er hat sich vor allem in Saudiarabien durchgesetzt. Als dieser 1925 das muslimische «Heilige Land» mit Mekka und Medina am Roten Meer eroberte, wurde als erstes im Hafen Dschidda das legendäre Grab von Eva zerstört. Als viele an dessen Stelle weiterbeteten, kam es 1975 zur Zubetonierung jeder Zugangsmöglichkeit. Sogar dem Grab von Mohammed in Medina drohte die Vernichtung. Doch begnügten sich die Wahhabiten schließlich damit, nur seinen Goldschmuck und alle Verzierungen zu entfernen.
Bei den Ansar ed-Din in Timbuktu handelt es sich um salafistische Ableger des Wahhabismus. Den Ausschreitungen ihres Glaubenseifers leistet Vorschub, dass die in den Marabuts und Moscheen der Stadt begrabenen «Heiligen» nicht Vertreter eines «reinen» Islams, sondern einer Art afrikanischer Mischreligion waren. Dagegen hatte sich schon einmal im 19. Jahrhundert eine Dschihad-Bewegung gerichtet, die diesen «Islam-Verfälschern» den heiligen Krieg erklärte. Doch wagte bisher nie jemand, die letzten Ruhestätten der «Heiligen von Timbuktu» dem Erdboden gleich zu machen, wie das jetzt geschieht.