Ein Papyrus-Fragment soll Jesus mit den Worten „meine Ehefrau…“ zitieren.
Spätestens seit dem Welterfolg von Dan Browns Roman „Sakrileg“ streiten Forscher, Verschwörungstheoretiker und Kirchenvertreter offen darüber, ob Jesus verheiratet war. Viele deutsche Zeitungen scheinen sich einig zu sein, dass das Dokument zumindest auf eine Ehefrau hinweist. „Focus Online“ titelt: „Uraltes Papyrus-Dokument belegt: Jesus hatte möglicherweise eine Ehefrau“. Auch „Zeit Online“ überschreibt den Bericht mit der Aussage: „Papyrusfetzen weist auf Ehefrau von Jesus hin“. Doch was steckt hinter den Spekulationen über eine mögliche Ehefrau von Jesus von Nazareth?
Das Papyrus-Fragment aus dem 4. Jahrhundert ist acht mal vier Zentimeter groß, umfasst acht Zeilen und ist aus einem größeren Stück Papyrus ausgerissen, weswegen nur Textfragmente lesbar sind. Laut der Harvard-Universität enthält die vierte Zeile den Textauszug: „…Jesus sagte zu ihnen: Meine Ehefrau…“. Nach dem Wort „Ehefrau“ ist das Papyrus abgerissen. Eine Zeile darüber taucht der Name Maria auf. Weiter unten steht der Satz: „Sie wäre in der Lage, meine Schülerin zu sein.“ Das Fragment ist nach Angaben der Historikerin Karen L. King in koptischen Schriftzeichen verfasst und wäre die erste schriftlich dokumentierte historische Aussage, dass Jesus verheiratet gewesen sein soll. Die Herkunft des Schriftstückes sei unklar. Der Besitzer, der das Fragment angeblich gemeinsam mit einem Stapel Papyrus von einem früheren Eigentümer aus Deutschland gekauft hat, will anonym bleiben.
King stellt klar: Es sei kein eindeutiger Beweis, dass Jesus verheiratet gewesen war. Aber es liege nahe, dass es unter den frühen Christen eine Überlieferung gab, in der Jesus verheiratet war. Die Harvard Universität nimmt auf ihrer Homepage klar Stellung ein: „Das Schriftstück beweist nicht, dass Jesus verheiratet war.“ Auch Simon Gathercole, Experte für apokryphe Evangelien an der Universität Cambrige, stimmt King zu, dass dieses Papyrus-Fragment nichts über den historischen Jesus aussagt.
Christian Askeland, ein Experte für koptische Handschriften vom Institut für neutestamentliche Textforschung in Münster, spricht davon, dass 80 Prozent aller Experten auf dem Gebiet sehr skeptisch über die Echtheit des Fragmentes seien. Die übrigen 20 Prozent seien überzeugt, dass es eine Fälschung ist.
Die Frage ist auch, um welchen Jesus es sich gehandelt hat. Jesus war ein populärer Name wie auch Maria / Miriam. Ohne weiteren Textzusammenhang ist das Feld für Spekulationen aller Art offen. Johannes bezeichnete auch die Gemeinde als die Braut des Lammes (Jesus) (Offenbarung 19,7). Auch in Epheser 5,23 wird das Verhältnis zwischen Jesus und der Gemeinde mit einer Ehegemeinschaft verglichen.